Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Stronach – was nun?

Stronach – was nun?

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Bevor ich seinen Fernsehauftritt in „Im Zentrum“ erlebt habe, gehörte auch ich zu denen, die Frank Stronach ein zweistelliges Wahlergebnis zugetraut haben. Die Bedingungen sind unverändert gut: Werner Faymann und Michael Spindelegger sind sicher keine „Kanzler der Herzen“ – und des Großhirns auch nicht unbedingt. Eigentlich ist H. C. Strache der Einzige, dem ich sie bedingungslos vorziehe. Aber ist „Team Stronach“ wirklich eine rechte Alterna­tive zu den Grünen, wenn man dieser Regierung etwas Pfeffer in den Hintern schieben will? Eine Stunde habe ich vor dem Bildschirm gerätselt, wie dieser Mann einen Weltkonzern aufbauen konnte. Vielleicht in seiner Jugend! Aber jetzt?

In allen möglichen – durchaus sympathischen – Funktionen könnte ich ihn mir vorstellen: als lieben Opa, der seinen Enkerln Zuckerln mitbringt; als herzensguten Landpfarrer, der neugeborene Kalberln segnet; ja sogar als einen dieser liebenswerten, weißhaarigen „Genossen“, die ein Leben lang beim ÖGB waren, um jetzt die Stiegen hochzukeuchen und mich zur Wahl zu animieren.

Aber als Kopf einer Bewegung, die Österreich reformiert? Als Parlamentarier, der zündende Reden hält? Als Nationalökonomen? In einer vollen Stunde habe ich von ihm nur erfahren, dass er meint, im Besitz der „richtigen Werte“ zu sein – das glaubt sogar Michael Spindelegger.

Christian Rainer hat den tödlichen Fehler begangen, zu meinen, dass man mit Stronach ein Gespräch führen könnte. Unmöglich – er ist Monomane! Die Moderatorin und die beiden Chefredakteurinnen haben sich da viel besser auf ihn eingestellt, haben begriffen, dass man alte Männer ein bisserl wie kleine Kinder behandeln und ihnen „ei, ei“ geben muss – dann lassen sie sich vielleicht doch so etwas wie eine Information entreißen: Ja, er würde „auch im Parlament sitzen“, ließ sich aus einem 5-Minuten-Stronach-Monolog extrahieren.

Der Magna-Gründer, der „Transparenz“ versprochen hat, weicht Antworten nicht nur in Mega-Bögen aus, sondern scheint sie auch nur ganz gelegentlich zu kennen.

Wenn er im TV weiter so agiert, kann er nur voll auf den Analphabetismus setzen: dass die 40 Prozent Österreicher, die mit 15 Jahren nicht sinnerfassend lesen können, als Erwachsene auch nicht sinnerfassend zuzuhören vermögen.

Dann reicht sein Image: kein Politiker und Milliardär. Einzige Hoffnung für die, die vielleicht aus Sachgründen nach einer Alternative Ausschau hielten: dass Stronach mit seinen „Millionen“ doch noch ein paar Experten einkauft, die ihm bis November ein brauchbares Programm entwerfen. Es gibt ja immerhin Stronach-Allgemeinplätze, die sie mit Substanz füllen könnten: dass „die Kluft zwischen Arm und Reich zu groߓ und „Arbeitslosigkeit eine Katastrophe“ ist. Denn glaubwürdig ist er diesbezüglich: Magna bietet nicht nur erstklassige Arbeitsplätze, sondern auch Mitbeteiligung und Sozialleistungen.

Dort hat er auch ein gutes Gespür für Einkäufe bewiesen – jedenfalls sehr viel besser als bei der Wiener Austria: Das Management ist durchwegs top – die politische Verzierung auch. Andreas Rudas, den er als Vorstand einstellte, war ein überaus tüchtiger Spin-Doktor der SPÖ; Franz Vranitzky, den er zum Chef des Magna-Aufsichtsrats machte, war einer der besten Bundeskanzler. Und tüchtig – geradezu übertüchtig – war sogar Karl-Heinz Grasser.

Sie alle könnten ihm helfen, ein Programm zu entwerfen. Aber er sagt, dass sie dafür in keiner Weise vorgesehen sind – er könnte von ihnen nichts lernen. Vielmehr hätten sie von ihm „Wirtschaft“ gelernt: „Ich habe sie umprogrammiert.“

Da ist was dran: Vranitzky war als ehemaliger Generaldirektor der CA-BV sicher höchst gelehrig, als er Stronach half, der Bank die Steyr-AG um einen Betrag abzukaufen, der durch feststehende Aufträge sofort abgedeckt war.

Trotzdem schade, dass er jetzt nicht im „Team Stronach“ ist – ich zöge es „Team Faymann“ dann sicher vor.

Vielleicht wird Stronach am Ende doch noch Berater finden, die für Geld alles machen: Alfred Gusenbauer könnte wahrscheinlich ein sehr passables rechtes Programm entwerfen. Ein Ex-Vorstand der ÖBB könnte auflisten, welche Tunnelprojekte vor allem der Verfilzung von ÖBB und Bauwirtschaft zu danken sind und sofort milliardensparend gestoppt werden könnten. Ein Ex-Obmann der Krankenkassen könnte auflisten, welche Spitäler man schließen muss, und wäre auch gleich geeignet, den Wahn des Föderalismus auf einem Gebiet von der Größe Andalusiens zu belegen. Ein Mitarbeiter aus Schweden könnte beschreiben, wie zufrieden die mehrheitlich sozialdemokratische Bevölkerung mit einem System durchwegs privater, vom Staat pro Schüler finanzierter Schulen ist.

Es gibt so unglaublich vieles, was in Österreich so relativ leicht zu verbilligen und zu verbessern wäre – der Rechnungshof hat ganze Bücher darüber verfasst.

Obwohl ich jemanden, der Landes-Euros einführen will, nie wählen könnte, hatte ich mich deshalb eigentlich auf Stronach gefreut: als Hecht im rot-schwarzen Karpfenteich. Aber ich zweifle, dass er schwimmen kann, wenn er ins Wasser springt.

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