Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Unter Wert gehandelt

Unter Wert gehandelt

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Die neue Regierung ist in fast allen Kommentaren mit Misstrauensvorschuss bedacht worden. Ich bin vorsichtiger – schon weil ich bezweifle, dass Faymann & Spindel­egger ihre Sache in der Vergangenheit so schlecht gemacht haben.

Österreich hat die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren jedenfalls vorerst besser als selbst das Wirtschaftswunderland Deutschland überstanden: Unsere Arbeitslosenrate ist niedriger, unser Wirtschaftswachstum war stärker, und bei der Staatsschuldenquote liegen wir ebenfalls besser, nämlich weltweit erst an 34. Stelle.
Wenn man die Leistung der vergangenen Großen Koalition also an jenen Zahlen misst, die zu diesem Zweck üblicherweise herangezogen werden, dann ist sie alles andere als schlecht. Denn auch bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit, die vor allem die Bundeswirtschaftskammer zuletzt schlechtzureden versuchte, haben wir uns im Index des Weltwirtschaftsforums um drei Plätze auf Rang 16 verbessert.

Nun kann man sicher diskutieren, wie weit gutes Regieren für diese guten Daten verantwortlich ist. Sicher aber ist: Die Regierung hat die gute Leistung unserer Klein- und Mittelbetriebe nicht verhindert. Und Maria Fekters zurückliegendes Sparpaket halte ich unverändert für den besten mit Angela Merkels Sparauftrag vereinbaren Kompromiss: Es hat die Wirtschaft zumindest nicht abgewürgt.

Ich meine, dass das auch fürs aktuelle Sparpaket gilt: Es wird dem Land nicht dramatisch schaden.

Persönlich halte ich bekanntlich nichts vom Sparen wohlhabender Staaten in Krisenzeiten: Es vermindert die sowieso hinter dem Angebot zurückgebliebene Nachfrage und damit das Wirtschaftswachstum. Ich glaube nämlich – wie ich hier mehrmals ausgeführt habe – an die mathematische Logik, wonach weniger Einkäufe zwangsläufig weniger Verkäufe bedingen.

Aber das ist eine wirtschaftspolitische Diskussion, bei der ich mit meinem Standpunkt im Europa Angela Merkels auf eher verlorenem Posten stehe. Doch selbst wenn man Merkels Kriterien auf Österreich anwendet, hat es sich gut geschlagen, und das wird uns auch von der OECD und vom IWF bestätigt. Ich halte den Misstrauensvorschuss gegen die neue alte Regierung daher in Summe für unberechtigt, auch wenn ich Faymann & Spindelegger für wenig inspiriert und inspirierend halte.

Zumindest in ihren Teams hat sich doch einiges verbessert: Die ersten Äußerungen des neuen Justizministers Wolfgang Brandstetter klingen ungleich kompetenter als die seiner Vorgängerin Beatrix Karl. Sebastian Kurz wird ein jedenfalls attraktiverer Außenminister als Michael Spindelegger sein und der kein schlechterer Finanzminister als Maria Fekter: Auch er wird auf dieselben exzellenten Beamten seines Ressorts und die ebenso sachkundigen Experten der Sozialpartner hören. Der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter bringt für sein Amt jedenfalls eine Menge Erfahrung mit, und der Tiroler Herrgott in seinem Herzen sollte ihn zumindest von überteuerten Homepages abhalten.
Das SP-Team hatte von vornherein keine so dramatischen Schwachstellen und wird durch Josef Ostermayer wesentlich verstärkt.

Berechtigt ist der Mangel an Vertrauen in die aktuelle Regierung nur in zwei, freilich sehr wichtigen Bereichen: bei der Schulreform und bei der Reform des Föderalismus.

Der aktuell praktizierte Föderalismus ist unser größtes Hindernis auf dem Weg zu einem wirklich schlanken, maxi­mal effizienten und rundum sparsamen Staat. (Dass Österreich eine im Vergleich zu anderen entwickelten Ländern viel zu große, viel zu teure Bürokratie hätte, ist schon lange nicht mehr wahr – wir sind nur noch nicht top.)
Während ich den Föderalismus angesichts der politischen Stärke der Landeshauptleute dennoch für kaum reformierbar halte, bin ich beim Bildungssystem nicht ganz so pessimistisch. Die neue Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und der neue ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel sind zwar sofort wieder zusammengestoßen, weil sie unverändert die Gesamtschule fordert und er unverändert am Gymnasium festhalten will, aber ich halte das Nebeneinander von Neuer Mittelschule und Gymnasien im Gegensatz zu vielen Kollegen für durchaus akzeptabel. Vorausgesetzt, dass beide Schultypen und vor allem auch die Volksschulen ihre Leistung intern steigern. Dazu wird die schon von Claudia Schmied geplante intensivere Ausbildung aller Lehrkräfte ebenso beitragen wie die von Heinisch-Hosek geforderte größere Schulautonomie, die durchzusetzen ich ihr eher zutraue als ihrer Vorgängerin.

Für unmittelbar nützlich halte ich das zweite Kindergartenjahr und mehr Ganztagsschulen, für die doch einiges Geld bewilligt wurde.
Gäbe es nicht das in meinen Augen unsinnige Sparen des Staates, so nähme er jetzt zu einmalig günstigen Zinssätzen Kredite auf, um ein ungleich größeres als das geplante Schulbauprogramm zu starten: Das beförderte das Wirtschaftswachstum, verminderte die Arbeitslosigkeit und wäre eine denkbar kluge Investition in die Zukunft.

Aber das verhindert einmal mehr Angela Merkels angeblich so weiser Sparpakt.

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