Peter Michael Lingens: Van der Bellens tollkühne Aussagen

Wenn er sich als Bundespräsident daran hält löst er 2018 eine Staatskrise aus.

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Wenn Alexander Van der Bellen im Fall seiner tatsächlichen Kür zum Bundespräsidenten zu den Worten steht, die er vergangene Woche in der ZIB2 gebraucht hat, dann haben wir nach den Nationalratswahlen von 2018 eine Staatskrise: Er würde nämlich, so sagte er unmissverständlich, Heinz Christian Strache auch dann nicht mit der Regierungsbildung betrauen, wenn seine Partei als mandatsstärkste aus den Wahlen hervorgegangen ist. Und er würde vor allem auch eine von Strache geführte Regierung auch dann nicht angeloben, wenn sie eine ausreichende Mehrheit besitzt, weil er der Überzeugung ist, dass die Haltung der FPÖ zur EU Österreich schweren Schaden zufügte.

Einziges offengelassenes Schlupfloch: Die Haltung der FPÖ könne sich ja bis 2018 noch ändern.

Van der Bellens Haltung ist mir höchst sympathisch: Was FPÖ-Funktionäre von sich geben steht tatsächlich in vielen Fällen im Gegensatz zu den europäischen Werten die wir durch unseren Beitritt zur EU übernommen haben.

Nur dass Van der Bellens Verhalten gegenüber Strache im Gegensatz zur Verfassung stünde.

Dass er ihn als Obmann der Mandat-stärksten Partei nicht wie bisher üblich mit der Regierungsbildung betraute, ist vielleicht (wahrscheinlich) noch von der Verfassung gedeckt - dass er seine Regierung nicht akzeptierte, obwohl sie im Parlament über eine ausreichende Mehrheit verfügte, sicher nicht.

Es sei denn, er äußert bloß seine Bedenken, begründet sie, und tritt dann als Staatsoberhaupt zurück.

Jedenfalls hat Van der Bellen vorige Woche die mit Abstand spannendste Ansage eines Präsidentschaftskandidaten geliefert.

Auch Frau Irmgard Gries ist eine spannende Kandidatin. Zweifellos höchst kompetent, zweifellos mit einem hohen Maß an Zivilcourage ausgestattet. Dass sie ein wirkliches Mitglied der „Zivilgesellschaft“ und darüber hinaus die erste Frau in der Funktion des Bundespräsidenten wäre sind zweifellos zwei gewichtige Atouts. Mich besorgt wie die meisten mir nahen Wähler ihre mangelnde Distanz zur FPÖ obwohl sie sich bei ihrem Hearing Klar gegen hetzerische Parolen ausgesprochen hat. Ich werde gespannt beobachten, was sie in den nächsten Wochen noch sagt.

Die anderen Kandidaten sind weit weniger spannend: ÖVP-Pensionist Andreas Khol ist anständig, kompetent und in vielen Bereichen liberaler als sein Ruf. Dort wo Katholisches zur Diskussion steht, ist er freilich kompromisslos: die „Homo-Ehe“ ist für ihn ein No Go, das wird ihn für mehr Leute zum No-Go machen, als er denkt. Für Strache, der die Homo-Ehe ähnlich sieht und„Kruzifixe für alle Schulklassen“ fordert hochhält stellt er bei einer Regierungsbildung sicher den bestmöglichen Bundespräsidenten dar - er wird ihn freudig angeloben, statt, wie Thomas Klestil, eine denkbar unfreundliche Mine aufzusetzen. Bei einer Stichwahl wird die FPÖ daher zweifellos eine Wahlempfehlung für Khol abgeben, was seine Chancen, das Amt auch zu erringen, gewaltig erhöht.

Ich persönlich müsste eigentlich den roten Kandidaten Rudolf Hundstorfer wählen: Ich halte ihn nämlich, im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit, für einen äußerst mäßigen Sozialminister- jemand, der die „Hacklerpension“ beschlossen hat wäre in jedem Land mit einer wirtschaftlich denkenden Wählerschaft politisch tot. Als Bundespräsident kann er mir hingegen unmöglich ähnlich Kostspieliges einbrocken und an sich scheint er ein anständiger, geradliniger Mensch zu sein.

Nach meiner persönlichen Wahlpriorität gefragt antwortete ich: Ich wählte am liebsten ein drittes Mal Heinz Fischer.

P.S. Im Gegensatz zu den meisten Kollegen ist mir weniger ein Rätsel, dass Erwin Pröll doch nicht Bundespräsident werden will, sondern, dass er es jemals werden wollte. Die Position eines Landeshauptmannes ist die mit Abstand mächtigste im Land - weit mächtiger als die eines Bundeskanzlers. Ein Landeshauptmann kann Städte prägen, bleibende Bauwerke errichten, Festivals erfinden, nachhaltige Wirtschaftsstrukturen schaffen- er ist wirklich ein „Landesfürst“. Ein Bundespräsident kann bei einer Regierungsbildung eine gewisse – aber eben sicher nicht entscheidende – Rolle spielen, im Einvernehmen mit dem Justizminister innerhalb enger Vorgaben Gnadenakte setzen und Orden verleihen.

Wirkliche politische Bedeutung kann er nur durch seine Reden- als moralische Instanz - erlangen. Nicht dass ich das geringschätze – aber mit der Bedeutung die ein Landesfürst erringen kann ist es nicht zu vergleichen.

Wenn Pröll dennoch überlegt hat, die Machtfülle des Landeshauptmannes im Alter dem höheren Ansehen eines „Staatsoberhauptes“ zu opfern dann zweifellos nur unter der Voraussetzung, dass er die Wahl zum Bundepräsidenten auch sicher gewinnt. Diese Sicherheit war aber mit dem Antreten Van der Bellens nicht mehr gegeben, denn der wird nicht nur unter Sozialdemokraten sondern auch unter Bürgerlichen jede Menge Wähler finden und hat daher gute Chancen in die Stichwahl zu gelangen. Dort kann er sicher sein, dass im Kampf gegen einen bürgerlichen Kandidaten die rote Wählerschaft geschlossen zu ihm wechselt, während Pröll nicht ähnlich sicher mit einem Schwenk aller blauen Wähler auf seine Seite rechnen konnte – denn er war schon kein Freund von Schwarz-Blau untere Schüssels Führung – noch weniger konnte man ihn für einen Freund von Blau-Schwarz unter Straches Führung halten.

Es hätte also, wäre er angetreten, für ihn auch ein überraschendes Favoriten-Sterben geben können – daher war er auch klug, seine Kandidatur im letzten Moment zu vermeiden.

PPS: Nach meiner persönlichen Wahlpriorität gefragt antwortete ich: Ich wählte am liebsten ein drittes Mal Heinz Fischer - er hat dieses Amt ideal ausgefüllt. Leider lässt die Verfassung diese dritte Amtsperiode nicht zu, was meines Erachtens daran liegt, dass deren Schöpfer den Bundepräsidenten ursprünglich mit weit mehr Kompetenzen ausstatten wollte – und dort wo eine Politiker große Machtfülle auf sich vereint, ist es sinnvoll, seine Amtszeit zu begrenzen.

Beim österreichischen Bundespräsidenten, dem die aktuelle Verfassung nicht viel mehr Kompetenzen als einem schwedischen oder belgischer Monarchen zugesteht, ist die Begrenzung auf zwei Amtsperioden meines Erachtens überflüssig.

Es ist schade, jemanden der sich extrem bewährt hat, nicht wiederwählen zu können.