Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Vor Kreiskys Seligsprechung

Vor Kreiskys Seligsprechung

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Vergangenen Mittwoch war ich Zaungast eines „Club 2“ anlässlich des 40 Jahre zurückliegenden Beginns der Ära Kreisky. Angesichts der prominenten Besetzung – Hannes Androsch, Karl Blecha, Elisabeth Pittermann, Norbert Steger, Josef Taus – bin ich dabei kaum je zu Wort gekommen, was mich an sich nicht weiter gestört hat, weil ich mit den meisten Lobeshymnen auf den „Sonnenkönig“ übereingestimmt habe. Die Rede kam aber auch auf die Affäre Kreisky–Peter–Wiesenthal, und wenn sie sich so abgespielt hätte, wie man es aus den erfolgten Wortmeldungen annehmen musste, dann hätte profil in einer der wichtigsten Auseinandersetzungen seiner Geschichte rundum Unrecht gehabt, und Bruno Kreisky wäre auch diesbezüglich seligzusprechen. Daher – um der Glaubwürdigkeit des profil wie der Zeitgeschichte willen – ein paar Einwände gegen das Vorgebrachte.

Worum ging es? Nachdem die SPÖ 1966 eine Erdrutsch­niederlage erlitten und die ÖVP eine Alleinregierung gebildet hatte, hatte Bruno Kreisky als frisch gekürter Parteiobmann eine bis dahin für die SPÖ undenkbare Strategie beschlossen: Man würde sich mit der FPÖ verbünden, um an die Macht zu gelangen. Als die SPÖ 1970 die relative Mehrheit erlangte, gab es dafür ein fertiges Abkommen: Der damalige FP-Obmann Friedrich Peter versprach Kreisky die Duldung einer Minderheitsregierung, und Kreisky versprach ihm eine Wahlrechtsreform, die den Einzug der FPÖ ins Parlament erleichtern würde.

Das war für die FPÖ von überragender Bedeutung, denn sie war zu jener Zeit in ständiger Schrumpfung begriffen, weil sie weder Posten noch Wohnungen vergeben konnte und weil ihre Anhänger zunehmend die Hoffnung verloren, dass sie jemals Einfluss auf die Politik erlangen würde. Einen Versuch Julius Raabs, sie an der Regierung zu beteiligen, hatte Bundespräsident Körner zurückgewiesen, und unter Josef Klaus hatte die ÖVP 1966 ohne FPÖ die absolute Mehrheit geschafft. Die FPÖ lief ernsthaft Gefahr, die Hürde des geltenden Wahlrechts für den Einzug ins Parlament bei kommenden Wahlen nicht mehr zu schaffen.

Der Deal war also für beide Seiten ein essenzielles Geschäft. 1975 standen neuerlich Wahlen bevor, und es schien zweifelhaft, dass die SPÖ nach 1971 noch einmal die absolute Mehrheit schaffen würde, sodass eine Regierungsbeteiligung der FPÖ Friedrich Peters im Raum stand. In dieser Phase hinterlegte Simon Wiesenthal beim Bundespräsidenten ein Dossier über Peters Kriegsvergangenheit, von der er meinte, dass sie ihn der Position eines Vizekanzlers unwürdig mache.

Im „Club 2“ behauptete Hannes Androsch, Wiesenthal habe sich, nur um der SPÖ zu schaden und der ÖVP zu nutzen, auf eine Kriegsvergangenheit gestürzt, die „längst bekannt“ gewesen sei. Das ist definitiv unrichtig.
Erst einem eben (vom ÖGB) publizierten Kriegstagebuch hatte Wiesenthal entnommen, dass ein Friedrich Peter Angehöriger der 1. SS-Infanteriebrigade gewesen war, die in Russland hinter der Front zwei Jahre hindurch mit nichts anderem als der Ermordung von hunderttausenden Juden befasst war. Anhand der Geburtsdaten identifizierte er den Infanteristen Friedrich Peter mit dem FPÖ-Obmann Friedrich Peter, der bis dahin stets behauptet hatte, der Waffen-SS, nicht aber der allgemeinen SS angehört zu haben. Wiesenthal übergab dem Bundespräsidenten zwar das entsprechende Dossier, machte seinen Inhalt aber vor der Wahl 1975 nicht öffentlich, weil er den Vorwurf der Wahlbeeinflussung vermeiden wollte.

Erst nach der Wahl ging er damit an die Öffentlichkeit. Doch Kreisky stellte sich „voll und ganz“ hinter Peter, verglich Wiesenthal mit einer „Mafia“ und unterstellte ihm schließlich, selbst ein Gestapospitzel gewesen zu sein. Gleichzeitig forderte Kreisky „Details“, worauf profil recherchierte, dass Peters spezifische Kompanie 1941 an einem einzigen Tag 1089 jüdische Einwohner des Dorfs Leltschitky ermordet hatte.

Im „Club 2“ behauptete Peters Nachfolger in der FPÖ, Norbert Steger, Peter habe alle ihn betreffenden Vorwürfe in zahlreichen Prozessen entkräftet. Auch das ist definitiv unrichtig: Sie sind nie durch ein Gericht widerlegt worden. Es sind nur in Österreich schon lange davor alle Strafverfahren gegen Angehörige der zitierten SS-Brigade eingestellt worden, während sie in Deutschland charakteristischerweise zu Verurteilungen führten.
Elisabeth Pittermann wollte Kreiskys Verhalten gegenüber Wiesenthal im „Club 2“ zwar auch nicht gutheißen, meinte aber, es habe als „Konflikt zwischen zwei Juden“ weit über Gebühr Aufmerksamkeit erlangt.

Das kann ich als ihre Meinung schwer als unwahr bezeichnen, wohl aber möchte ich dem, da der „Club 2“ mir dazu ­keinerlei Gelegenheit bot, meine Meinung entgegenstellen: In meinen Augen ist es höchstens am Rand um die „Ausein­andersetzung zweier Juden“ gegangen, sondern um eine Auseinandersetzung darüber, wie man in Österreich mit der „Vergangenheit“ umgeht: Für Kreisky war der Umstand, dass Friedrich Peter zwei Jahre lang einer Woche für Woche mit Massenmord befassten Truppe angehörte und sich dennoch im Fernsehen als Soldat in Erfüllung seiner Pflicht bezeichnet hatte, keinerlei Hindernis, ihn für höchste Staatsämter in Betracht zu ziehen, sondern er forderte stattdessen, dass man „endlich Schluss“ mit dergleichen Nachforschungen machen möge.
Ich würde meinen, genauso sieht Frau Rosenkranz die ­Sache auch.

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