Peter Michael Lingens: Die triste Zukunft der Arbeit

Die aktuelle Arbeitslosigkeit ist nur ein schwacher Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen.

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Ende Jänner waren in Österreich 490.246 Personen arbeitslos. Mit einer Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent (gemäß Eurostat) oder 10,6 Prozent (gemäß AMS) ist Österreich dennoch weiterhin unter den besten der EU und weltweit. (Die 5,1 Prozent der USA sind aus vielen Gründen nicht vergleichbar.) Nur dass derzeit niemand die geringste Chance auf eine Verbesserung dieser Arbeitslosenrate sieht. Meist mit der richtigen Begründung, dass dazu ein Wirtschaftswachstum von über drei Prozent nötig wäre, das unerreichbar ist. Dabei sind wir längst nicht auf dem Gipfel der Arbeitslosigkeit angelangt. Zu Recht machte das Weltwirtschaftsforum darauf aufmerksam, dass in den nächsten Jahren die „Digitalisierung“ der Arbeitsprozesse mit voller Wucht einsetzen wird, sodass perfekt gesteuerte Roboter noch ungleich mehr bisher von Menschen geleistete Arbeit übernehmen werden. In Europa würde das in den nächsten fünf Jahren fünf Millionen Menschen den Arbeitsplatz kosten, vermuteten 3500 im Rahmen einer Studie befragte Spitzenmanager führender Unternehmen. Man wird sich also langsam eine Wirtschaftsordnung überlegen müssen, die mit dieser Entwicklung zurande kommt.

Gemeinsam mit meinem verstorbenen Kollegen Franz G. Hanke habe ich seit Jahrzehnten für eine Verkürzung der Arbeitszeiten plädiert, weil die Automatisierung schon seit Jahrzehnten Arbeitsplätze kostet. Beide wurden wir dafür zu „Narren“ erklärt, und sicher haben wir das Ausmaß, in dem der Dienstleistungssektor die von der Industrie Ausgesonderten aufzusaugen vermochte, unterschätzt.

Aber mittlerweile hat die Automatisierung längst auch den Dienstleistungssektor erfasst. Vor fünf Jahren veröffentlichten Ökonomen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) erstmals eine Studie, wonach der technologische Fortschritt mehr Jobs koste, als er schaffe. 2013 versuchten die Oxford-Ökonomen Carl Frey und Michael Osborne, dieses Ergebnis zu quantifizieren: 47 Prozent aller Stellen in den USA seien durch Roboter und Digitalisierung gefährdet. Ökonomen der deutschen Bank ING-DiBa wendeten die Methodik von Frey und Osborne auf Deutschland an: von 30,9 Millionen Beschäftigten, die sie in ihrer Studie berücksichtigten, würden 18 Millionen in den kommenden Jahrzehnten durch Roboter und Software ersetzt. Im Detail glauben sie, dass von 3,5 Millionen Jobs für Bürokräfte und verwandte Berufe nur eine halbe Million übrig bleiben wird. Bei Hilfsarbeiten, im Verkauf, bei einfachen Dienstleistungen, aber selbst in Montageberufen oder bei der Bedienung von Maschinen würde von 9,2 Millionen Jobs nur ein Drittel übrig bleiben. Bei Handwerkern und technischen Berufen etwa die Hälfte der derzeitigen 8,9 Millionen Stellen. Nur von den 3,9 Millionen akademischen Berufen blieben 3,5 Millionen ungefährdet, und auch von 1,38 Millionen Führungskräften müssten nur zehn Prozent um ihren Job fürchten.

Das Ausmaß des Auseinanderklaffens hat dramatisch zugenommen.

Man mag über jede einzelne dieser Schätzungen lange streiten. Aber schon bisher entspricht ihnen die Lohnentwicklung: Bürokräfte, Hilfsarbeiter, Verkäuferinnen, einfache Dienstleister erzielen zunehmend nur mehr Schandlöhne. Selbst in den Branchen darüber sind die Reallöhne gesunken. Nur wer ein gesuchtes Studium absolviert oder eine Führungsposition erlangt hat, verdient wirklich gut – nicht wie früher zehn Mal so gut wie der einfache Angestellte, sondern 100 Mal so gut.

Das Ausmaß des Auseinanderklaffens hat dramatisch zugenommen. Bisher vor allem, weil die Gewerkschaften der Verlagerung von Unternehmen in Billiglohnländer nichts entgegensetzen können. Aber noch viel weniger werden sie in Zukunft den Ersatz von Menschen durch Digitalisierung und Roboter verhindern können. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat Bernd Leukert, Vorstand des Software-Unternehmens SAP, mit dieser Entwicklung konfrontiert, und ich gebe seine Stellungnahme wörtlich wieder: „Ich bin der Meinung, dass man die Bedingungen für ein faires Einkommen nicht der Wirtschaft überlassen sollte. Hier ist die Politik gefragt, den richtigen Rahmen zu setzen. “Der Vorstand der Deutschen Telekom Timotheus Höttges deutet an, wie das wirtschaftlich geschehen muss: „Wenn Produktivität zukünftig vor allem an Maschinen und die Auswertung von Daten gekoppelt ist, könnte die Besteuerung stärker auf den darauf beruhenden Gewinnen aufbauen und weniger auf der Einkommensteuer des Einzelnen.“

Die automatisierte, digitalisierte Wirtschaft schafft ja keineswegs weniger Werte als die bisherige – im Gegenteil, das BIP der entwickelten Nationen steigt beständig. Das Problem ist seine Verteilung: der Umstand, dass eine sehr kleine Gruppe extrem viel, eine sehr große Gruppe erstaunlich wenig davon profitiert; und dass sie mehr nicht durchsetzen kann, weil man sie immer weniger braucht: Ihr geringes Gehalt entspricht dem Markt – daher wird er es nicht verändern. Es kann nur durch politische Entscheidungen verändert werden. Dass die Sozialdemokratie darin versagt, entsprechende Alternativen zu formulieren, dass sie darin hinter Männern wie Leukert oder Höttges herhinkt, ist die Ursache ihres Niedergangs.