Satire

Akte X

Die FPÖ wird die nächste Wahl gewinnen. Und die Konkurrenz wird sich leider überhaupt nicht erklären können, warum.

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Dereinst, eines nicht mehr allzu weit entfernten Wahlabends, wird Herbert Kickl in einem TV-Studio stehen und noch entspannter sein als letztens bei Armin Wolf in der „ZIB 2“. Und nicht nur das: Er wird im Kreis grinsen, feixen, triumphieren. Weil er nämlich gerade dem Land einen mächtigen rechten Schwinger verpasst und die Nationalratswahl gewonnen haben wird. Und das nicht einmal knapp, sondern mit ziemlich deutlichem Vorsprung auf eine ehemalige Großpartei. Ausgerechnet unter der Führung eines besonders rabiaten Scharfmachers wie Kickl, der nicht einmal gute persönliche Beliebtheitswerte vorweisen kann, wird also die FPÖ zum ersten Mal in der Geschichte stimmenstärkste Partei sein.  

Was für ein Schock! Den sich aber leider die Konkurrenz nicht und nicht erklären wird können (Außer Karl Nehammer. Der wird selbstverständlich wissen, warum die ÖVP so desaströs abgeschnitten hat: wegen der Medien natürlich). Eine ob der Undankbarkeit und des schlechten Geschmacks des Souveräns sichtlich indignierte Pamela Rendi-Wagner wird erstens Fragen nach ihrem möglichen Rücktritt mit einem genervten „Es geht hier nicht um meine Person, sondern darum, was das Beste für Österreich ist. Und das wäre klarerweise schon ich gewesen!“ wegzischen und zweitens ankündigen, man werde sich jetzt einmal hinsetzen und „in den Gremien“ das Ergebnis in Ruhe analysieren, um die Gründe für diese herbe Niederlage herauszufinden – die ja nun wirklich alles andere als auf der Hand lägen. Denn man habe selbstverständlich die richtigen Schwerpunkte gesetzt und rein gar nichts falsch gemacht. 

Die Spitzenkandidaten der anderen Parteien werden sich ähnlich äußern. Und Werner Kogler wird dabei der Erste in der Runde sein, der offen ausspricht, was tags darauf der entsetzte Tenor der fortschrittlichen Presse im In- und Ausland sein wird: Die Nazis sind zurück. Das schiache, unverbesserliche Österreich hat wieder einmal seine hässliche Fratze gezeigt, nach Polen, Ungarn oder Italien stellt sich ein weiteres EU-Land selbst in die Schmuddelecke. Das sei ausgesprochen traurig, ein zivilisatorischer Rückschritt sondergleichen – und noch dazu vollkommen unverständlich! Was zur Hölle könnte diese dummen Österreicher nur geritten haben, angesichts des umwerfenden personellen wie auch programmatischen Angebots der anderen, ausgerechnet die FPÖ zu wählen? Es wird ein völliges Rätsel sein. Wieder einmal.

Hauptsache, in Schönheit gestorben. Mit trefflichen Haltungsnoten.

Manche werden sich dann vielleicht die Frage stellen, ob nicht der exzessive Konsum von Ivermectin schuld sein könnte. Weil es möglicherweise eine schleichende Hirnzersetzung verursacht. Und das ausgerechnet bei Leuten, die schon vorher nicht eben eine Unmenge davon hatten. Oder sind die am Ende alle Putin-Versteher? Die bloß billiges Gas und einen starken Mann haben wollen? Gehen ihnen die Klimakleber so auf den Keks? Weil sie freie Fahrt wollen und es eh super finden, wenn es bei uns im Winter nicht mehr schneit und man sich endlich nicht mehr den Arsch abfriert? Das würde denen allen wieder einmal ähnlich schauen. Unreflektierte Vollkoffer halt, was soll man machen. 

Vielleicht wird aber dann doch irgendjemand, möglicherweise Peter Filzmaier, der ist da ja recht unerschrocken, darauf hinweisen, dass es noch ein anderes Wahlmotiv gegeben haben könnte. Von dem die anderen nichts hören wollten, weil es halt leider pfuigack ist. Wenn der schnelle Peter Glück hat, wird er für seinen despektierlichen Hinweis nicht sofort auf Twitter von der sogenannten Zivilgesellschaft exkommuniziert – aber einige harsche Verweise wird er sich mit Sicherheit einhandeln. Denn es gibt ein unverrückbares Credo auf der linken Seite des Landes, das, wie die meisten Glaubensgrundsätze, unhinterfragbar zu sein hat.

Es lautet: Das, worüber man nicht spricht, gibt es nicht. Und wer es doch tut, wer also zum Beispiel darauf hinweist, dass manche Menschen eventuell Probleme mit der schieren Zahl an Migranten und der immer schwierigeren Integration derselben haben könnten – der besorgt schon allein dadurch das Geschäft der Rechten. Denn selbst wenn diese Probleme auch objektiv kaum wegzuleugnen sein sollten, selbst wenn man zugeben müsste, dass das europäische Asylsystem mittlerweile vollkommen dysfunktional ist und mit seiner Ursprungsidee praktisch nichts mehr zu tun hat, gibt es nun wirklich überhaupt keinen Grund, den Kopf aus dem Sand zu ziehen. Oder gar irgendetwas zu unternehmen. Schließlich sorgt diese ausgeklügelte Taktik ja schon seit mehr als 30 Jahren für Seriensiege linker Politiker, ob sie nun Jörg Haider, HC Strache oder Sebastian Kurz heißen. Warum sie also überdenken?

Und warum nicht mehr länger an einem zunehmend absurden heiligen Gral festhalten, der uns allen in absehbarer Zukunft eine lange rechte Hegemonie bescheren wird, bei der wir uns dann frei nach Norbert Hofer anhaltend darüber wundern dürfen, was alles möglich ist? Hauptsache, in Schönheit gestorben. Mit trefflichen Haltungsnoten. Was könnte bitte wichtiger sein als das? 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort