Satire

Rainer Nikowitz: An meine Völker!

Erlass der türkischen Regierung betreffend ihre unter dem irreführenden Namen „Österreich“ bekannte Westprovinz.

Drucken

Schriftgröße

Seine Herrlichkeit Recep Tayyip Erdoğan, weltweit umsichtigster Führer der weltweit großartigsten Nation, hellste Birne in Allahs Kronleuchter und uferlos umgänglicher Hüter des Lichts und desFortschritts, erlässt hiermit für die unter dem irreführenden Namen „Österreich“ bekannte, leider noch etwas unterentwickelte Westprovinz der Türkischen Republik folgende Verordnung:


Präambel
Tausende meiner herausragenden Kinder, der stolzesten Jungmänner, die Allah in seiner unermesslichen Güte jemals der Welt geschenkt hat, sind leider durch unglückliche Umstände gezwungen, fern ihrer Heimat, also jenes strahlenden Landes, in dem Milch und Honig fließt, zu leben, und werden von euch ebenso gottlosen wie moralisch völlig verkommenen Kreuzrittern in unmenschlicher Geiselhaft gehalten. Der in eurer minderwertigen DNA festgeschriebene Rassismus und die völlig unerklärliche Islamophobie, der all meine Kronen der Schöpfung hier ausgesetzt sind, hindert sie an vielem, aber vor allem an ihrer freien Entfaltung als grundsympathische, also ultranationalistische und aggressive Vollpfosten. Dieser Skandal kann nicht länger hingenommen werden.


§1
Der türkische Mann ist ja – sowie ich das als oberster türkischer Mann sehe und somit auch alle anderen zu sehen haben – schon bei seiner Geburt ein Edelstein des Universums. Etwas per se Perfektes durch eine „Integration“ genannte Zwangsmaßnahme zu verwässern oder gar zu verfälschen, ist ein Verbrechen gegen die gottgewollte Ordnung. Also sind sämtliche dahingehende Maßnahmen sofort einzustellen.


§2
Eure verdammenswerte Weigerung, die natürliche Überlegenheit des türkischen Mannes zu akzeptieren, beginnt schon in euren als „Schulen“ getarnten Umerziehungslagern. Immer wieder wird behauptet, dass Bildung für breite Teile der türkischen Bevölkerung in der Westprovinz kein Wert sei. Mitunter werden sogar sogenannte Statistiken produziert, in denen dann zu lesen ist, dass türkische Schüler nicht nur im Vergleich zu euren eigenen nichtsnutzigen Christenbälgern, sondern auch im Vergleich zu anderen Ethnien  regelmäßig am schlechtesten abschneiden. Dazu ist erstens zu sagen: Bildung ist tatsächlich abzulehnen. Bildung bringt Leute auf Ideen – manchmal auf welche, die nicht ich ihnen eingetrichtert habe. Und Statistiken sind auch abzulehnen. Ihnen muss die Basis entzogen werden, und zwar durch die Einstellung sämtlicher Prüfungen für türkische Schüler. Wenn ein türkischer Jungmann bestimmt, dass zwei plus zwei fünf zu sein habe, dann ist das so. Und nachdem die meisten Lehrer in euren Umerziehungslagern darüber hinaus nicht einmal Menschen sind, sondern Frauen – erst recht.


§3
Leider führt euer rassistisches und islamophobes Bestehen auf passablen Zeugnissen dazu, dass viele meiner grandiosen Jungmänner nach der Schule nicht den Job bekommen, der ihnen per Naturrecht zustünde. Das verletzt sie dann im Wichtigsten, das sie haben: ihrem Stolz – den sie ja nun wirklich mit jedem Recht vor sich hertragen, angesichts ihrer unzweifelhaften Großartigkeit. Aber es gibt auch noch andere unerfreuliche Folgen: Mit einem miesen Einkommen geht sich mitunter der tiefergelegte BMW mit Doppelauspuff, zweifärbigen Alufelgen und Heckspoiler nicht aus. Dass dann aus dieser systematischen
Diskriminierung eine gewisse Enttäuschung entsteht, die sich in Favoriten oder sonstwo einfach Bahn brechen muss, wird jedermann verstehen. Somit ist also die Entlohnung des türkischen Jungmannesauf ein Niveau anzuheben, das seiner würdig ist – auch und vor allem beim oft geäußerten Berufswunsch: „Werd isch AMS, Alter!“


§4
Ab sofort ist es außerdem zu unterlassen, das ehrenamtliche Engagement türkischer Jungmänner in gemeinnützigen Organisationen wie den „Grauen Wölfen“ zu kriminalisieren. Die „Grauen Wölfe“ sind, wie der Name schon andeutet, eine Tierschutzorganisation ähnlich den „Vier Pfoten“. Also sind auch entsprechende Fördermittel bereitzustellen.


§ 5
Wenn schließlich die Bergtürken, diese Untermenschen, glauben, sie können frech werden und demonstrieren, dann ist es nicht nur das Recht, sondern die Pflicht meiner tapferen Heerscharen auf der ganzen Welt, hier einzugreifen und dieses Pack ordentlich aufzumischen. Sie daran zu hindern, ist ein Akt rassistischer und islamophober Aggression, der ab sofort mit aller Härte zu bestrafen ist. Und es sind natürlich auch hier entsprechende staatliche Unterstützungsmaßnahmen durchzuführen. So ist es zum Beispiel dem türkischen Jungmann, dieser Perle der Menschheit, nicht zuzumuten, dass er sich nach den Pflastersteinen, die zu werfen sein gottgegebenes Recht ist, auch noch bücken muss. Also ist ihm hiefür ab sofort eine Hilfskraft zur Seite zu stellen. Am besten eine im Minirock. Der ist zwar haram – aber ausnahmsweise wollen wir einmal nicht so sein.

[email protected]

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort