Rainer Nikowitz: Damals, im 16er-Jahr

Der Rechtsruck war für die daran völlig unschuldige Linke natürlich furchtbar gewesen. Aber zum Glück blieb ihr wenigstens noch das Beste: sie selbst.

Drucken

Schriftgröße

Rückblickend musste man sagen, dass es damals, im 16er-Jahr, trotz allem sogar noch schlimmer kommen hätte können. Denn im Gefolge der vollkommen unverdienter- wie auch unverständlicherweise verlorenen Präsidentschaftswahl hätte der Linken ja durchaus noch mehr Unbill zustoßen können als die bloße Spaltung der SPÖ.

Die war ja in Wirklichkeit sowieso längst überfällig gewesen, schon allein, um sämtlichen bornierten Reaktionären zu beweisen, dass die in linken Denkerkreisen flächendeckend vertretene Schmied-Schmiedl-Theorie selbstverständlich richtig gewesen war. Natürlich hätte die Stichwahl Van der Bellen gegen Hundstorfer gelautet, wenn die Faymann-SPÖ nicht zuvor den alternativlosen Weg der unbegrenzten Migrantenaufnahme verlassen hätte. Das lag spätestens dann glasklar auf der Hand, als der nunmehr von Wehsely & Wehsely geführten "Einzig möglichen SPÖ“ - wobei sie diesen Namen später ja bekanntlich nach einem unerquicklichen Rechtsstreit mit den Faschismus-Wegbereitern der "Unmöglichen SPÖ“ der Doskozils, Niessls und der unsäglichen Wiener Flächenbezirkler leider wieder aufgeben und sich in "LOB“ ("Linke ohne Basis“) umbenennen musste - schon die ersten Umfragen ein zumindest nicht gänzlich unmögliches Überspringen der parlamentarischen Vier-Prozent-Hürde in Aussicht stellten. Woraufhin das Führungsduo klarerweise gleich einmal in der zu erwartenden lobgrünen Koalition den Kanzlerinnenanspruch gestellt hatte: "Es kommt in der Demokratie, so wie wir progressiven Kräfte sie verstehen, ja nicht auf die Quantität, sondern in erster Linie auf die Qualität der Unterstützerinnen an. Und es ist halt nun einmal so, dass alle anderen leider Trotteln sind. Linke Politik, die die Sorgen von xenophoben, antifeministischen, podiumsdiskussionsfernen, nachmittagstalkshowschauenden und meistens auch noch schlecht riechenden Unterschichtlern ernst nimmt, ist ja bitte sowas von Siebziger!“

Wehsely & Wehsely hatten damals auch völlig richtigerweise darauf hingewiesen, man dürfe nicht vergessen, dass nicht sie sich von der Basis entfernt hätten - sondern vielmehr die Basis von ihnen. Und das auch noch ohne entsprechende Genehmigung der Parteigremien, also unerlaubterweise. Man sei aber durchaus geneigt, ihr noch einmal zu verzeihen und sie zurückzunehmen - aber natürlich nur, sofern sie sich glaubhaft bessere.

Die Donnerstagsdemos richteten sich natürlich gegen den wahren Feind.

Aber wie gesagt: Es hätte auch noch schlimmer kommen können. Eine Zeit lang hatte es ja beinahe so ausgesehen, als würde die Linke nicht einmal mehr genügend Leute für die wieder aufgenommenen Donnerstagsdemos zusammenbringen - was schlichtweg eine Katastrophe gewesen wäre, denn wenn man die Leute mit etwas zurückgewinnen konnte, dann klarerweise mit pathosgetränkter, von schnöder Alltagsproblematik gänzlich unbelasteter Symbolpolitik. Wobei sich die neuen Donnerstagsdemos ja dann nicht mehr gegen Blau und/oder Schwarz richteten, sondern natürlich gegen den wahren Feind: die "Unmögliche SPÖ“.

Es war also wirklich ein großes Glück, dass die Massenauswanderungswelle, die man nach dem ersten Bundespräsidentschaftswahlgang und den unzähligen düsteren Ankündigungen auf Twitter und Facebook befürchten musste, dann doch nicht eintrat. Zum Ersten stellte sich heraus, dass die bevorzugt genannten Ziele Australien, Neuseeland oder Kanada - Letzteres erstaunlicherweise trotz eines gerade auf den genannten Plattformen wegen seiner fortschrittlichen Haltung sehr beliebten und darüber hinaus auch noch sexy Premiers - ausgesprochen unmenschliche Einwanderungsbestimmungen hatten. Vor allem wurde ein Wust von Qualifikationen für die Ausübung empörend kapitalismusfreundlicher Berufe verlangt, die politischen Österreich-Flüchtlingen eine Einreise nahezu unmöglich machten. Als weiteres Problem erwies sich, dass es für den Erwerb von toskanischen Landhäusern seitens des neoliberalen italienischen Staatsmonsters keinerlei Förderungsprogramme gab und auch griechische Kleininseln aufgrund der unrealistischen Privatisierungserlöserwartungen der blutsaugerischen Austeritäts-Geldgeber den Panama-Papers-Profiteuren vorbehalten blieben - selbst dann, wenn man ein Groupie-Selfie mit Yannis Varoufakis vom letzten Weltrettungs-Meet-and-Greet vorweisen konnte.

Abgesehen davon hatte sich aber nach dem Aufbau der linken Exodus-Drohkulisse auch bald eine Gegenbewegung gebildet, die vor dem ungeheuren Brain-Drain und den aus ihm resultierenden gesellschaftlichen wie auch wirtschaftlichen Folgen warnte. Die Aussicht auf eine möglicherweise monatelange Flaute auf dem Gender- und Verteilungsgerechtigkeitsstudiensektor brachte schließlich viele zum Umdenken. Wie auch die zu erwartende Krise der gehobenen Gastronomie. Alleine am Wiener Yppenplatz hätte die Hälfte aller Lokale biologisch abgebaut werden müssen. Und dann erst die zu befürchtende Privatschul-Schließungswelle! Nein, es war einfach ein Gebot der Stunde, doch hierzubleiben und weiter zu kämpfen. Nicht, dass Österreich seine Linke verdient gehabt hätte. Aber sie wollte mal nicht so sein.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort