Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Der nette Nachbar

Unser Bundeskanzler hatte es zwar mit seinem Gast nicht leicht – aber selbstverständlich wurde Viktor Orbáns Besuch in Wien trotzdem ein Erfolg.

Drucken

Schriftgröße

Nehammer: Na also! Da haben wir ja das erste handfeste Ergebnis. Damit kann man deinen Besuch hier in Wien schon einmal als Erfolg verkaufen. Wir sind also übereingekommen, die derzeitige Migrationswelle sofort zu stoppen, das ist sehr schön. Dann könnten wir eigentlich als Nächstes …

Orbán: Moment, Moment, mein Freund! Wir stoppen die Migrationswelle? Tatsächlich? 

Nehammer: No, das hamma doch gsagt, oder? Die „Krone“ zimmert schon ein knackiges Cover!

Orbán: Aber ich dachte eher, wir sind übereingekommen, einmal mit den Serben darüber zu reden, ob die sie nicht für uns stoppen könnten. 

Nehammer: Na ja …, eh. 

Orbán: Das ist aber nicht ganz dasselbe, oder? Ihr redet zwar gern und ausdauernd darüber – und tut wieder einmal genau gar nichts. Was aber in Wirklichkeit bei der ÖVP und der Migration ohnehin immer so war, seit euer Messias Kurz das Thema der FPÖ gestohlen hat. 

Nehammer: Das ist jetzt aber ein bissl unfair. Ich meine, 2015 war ja schließlich quasi erst gestern. Was hätten wir seitdem schon groß tun können? Aber Fakt ist doch, Viktor: Es läge in unser beider Interesse, dass da endlich etwas getan wird. 

Orbán: Karli! Keinem von den 40.000 vollbärtigen afghanischen Frauen und Kindern, die heuer schon über die österreichisch-ungarische Grenze gekommen sind, ist seine akute Gefährdung und die sofortige Notwendigkeit von Schutz schon in Ungarn eingefallen. Nicht ein einziger wollte lieber in Budapest bleiben. Alle haben erst nach der Grenze „Asyl!“ gerufen. Also genau genommen kann es mir wurscht sein. Das ist deine Migrationswelle – nicht „unsere“. Und eigentlich sollte es mir ja sogar lieber sein, dass alles so bleibt, wie es ist. Ich mache in puncto Migration weiterhin, was meine Leute von mir wollen – und ihr macht weiterhin, was eure Leute nicht von euch wollen. Damit kann ich jederzeit mit dem Finger auf euch zeigen und gewinne die Wahlen in Ungarn bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.  

Nehammer: Du könntest aber die Migranten ja auch vor der österreichischen Grenze aufhalten, wenn du ein Bursch wärst. 

Orbán: Bin ich bescheuert? Dann bleiben sie ja bei mir.

Nehammer: Noch besser wäre, du würdest sie gar nicht erst nach Ungarn reinlassen. 

Orbán: Das ist erstens ziemlich viel Arbeit. Und zweitens beschimpft mich dann wieder die ganze EU. Aber mit ein bisschen Glück übernehmen das eh bald die Serben. Und die können ja mitunter ganz schön überzeugend sein …

Nehammer: Na gut, wollen wir hoffen. Aber …, da ist noch etwas, Viktor. Etwas, das ich unbedingt ansprechen muss.

Orbán: Ach Gottchen … Ist es wegen meiner Rede unlängst?

Nehammer: Ich weiß, ich könnte es rein von der Sinnhaftigkeit her genauso gut in ein Plastiksackerl reden. Aber die Sache ist die: Wenn du dir das jetzt nicht anhörst – dann kann mir nachher ich wieder was anhören. 

Orbán: Ich weiß, das lieben eure Kommentatoren. Man muss bei solchen Treffen immer irgendwas „ansprechen“. Aber ich muss echt sagen: Ich finde, das war eine meiner gelungeneren Reden! 

Nehammer: Äh …, wirklich? Bei allem, was du von dir gegeben hast? Inklusive Verharmlosung des Holocaust?

Orbán: Na ja … Ich gebe zu, dass der Witz mit den Deutschen und dem Gas nicht besser funktioniert hat, hat mich schon ein bisschen enttäuscht. Ich habe ihn vorher in einer Kabinettssitzung getestet – und die haben sich alle schiefgelacht. 
Nehammer: Was wäre gewesen, wenn sie es nicht getan hätten?

Orbán: Ach, nichts Besonderes. Die Hälfte hätte sich halt einen neuen Job suchen können.  

Nehammer: Ich habe gehört, dass das gemeinhin bei nicht gänzlich enthusiastischem Kabarettpublikum aber eher nicht so sein soll. 

Orbán: Dann muss ich halt an meinen Pointen arbeiten. Aber in Wirklichkeit ist es ja ohnehin völlig unerheblich, was ich genau gesagt habe. Wichtig ist doch nur, dass jetzt wieder alle im Kreis hüpfen! Es ist jedes Mal wieder die reine Freude, zu sehen, wie leicht das geht. Ich brauche nur auf einen Knopf zu drücken, und alle bis hinauf zu von der Leyen verfallen in öffentliche Schnappatmung. Und in weiterer Folge passiert dann – nichts! Außer, dass ich meinen Spaß hatte.

Nehammer: Es ist eine Sache, wenn du über Migranten herziehst. Aber dass du mit Putin kuschelst – das geht gar nicht!

Orbán: Ich habe da eine ganz klare Maxime. Jeden Morgen stehe ich vor dem Spiegel und sage mir: Viktor, tu nichts, was Harald Mahrer nicht auch tun würde!

Nehammer: Sehr witzig.

Orbán: Ha! Siehst du? Ich bin doch nicht so untalentiert.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort