Rainer Nikowitz: Der Wechselbalg

Robert Lugar hat mehr Parteibücher zu Hause als der Durchschnitts-österreicher Romane. Muss man auch können.

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Robert Lugar bemerkte schon recht früh, dass er über ein ganz besonderes Talent verfügt. Im Kindergarten wechselte er ohne zu zögern von der Fliegenpilz- zur Igel-Gruppe, nachdem er spitzgekriegt hatte, dass die Verpflegung dort zuckerhaltiger und die Tante deutlich schärfer war. Die Bitten der Fliegenpilze, er möge doch bei ihnen bleiben, weil sich nämlich ansonsten beim Fußball keine gleich großen Mannschaften mehr ausgingen, schmetterte Klein Robert mit dem Hinweis ab, ein jeder müsse bei solchen Entscheidungen auf sein Gewissen hören – und seines gehöre praktischerweise einem Schweigeorden an. Als sie bei den Fliegenpilzen jedoch ein neues Bobby-Car anschafften und die Igel-Tante in der Schwangerschaft aus dem Leim ging, da erinnerte sich Robert wieder, wofür er eigentlich stand, und kehrte zu den Fliegenpilzen zurück. Mittlerweile war zwar ein anderer aus der Gruppe in eine andere Stadt gezogen und die Fußballmannschaften damit nach Roberts Rückkehr wieder ungleich – aber Robert fand, man konnte nicht alles haben. Genauer gesagt: Die anderen konnten nicht alles haben. Denn das gehörte ja rechtmäßig ihm.

Da muss man sich entscheiden. Und zwar immer und ausnahmslos für sich selbst.

In der Schule machte man es Robert dann leider nicht leicht. Man kennt das, so ergeht es unkonventionellen Geistern bedauerlicherweise oft. Weder erkannte die unbedarfte Lehrerin in der Volksschule die Richtigkeit der Additionen an, bei denen Robert unten immer noch den Lugar-Zuschlag dazurechnete, noch war man in der Hauptschule geneigt, seinem ausgeklügelten Plan, zwischen den Klassen immer so zeitgerecht hin und her zu wechseln, dass er nie eine Schularbeit gehabt hätte, zuzustimmen. Robert erkannte schon damals, dass das österreichische Bildungssystem eine tiefgreifende Reform nötig hatte, eine Erkenntnis, die sich bis heute in seiner Arbeit niederschlagen würde, wenn ihm neben der schwierigen Umsetzung seines politischen Hauptanliegens – sein fortgesetzter Aufenthalt auf der Butterseite – noch Zeit bliebe.

Beim Bundesheer konnte er die erste Übung im Feld kaum erwarten, bot sie ihm doch die Möglichkeit, nach genauer Beobachtung des Gefechtsverlaufes aus sicherer Entfernung und daraus erfolgender Chancenabwägung, zum Feind überzulaufen und einen strahlenden Sieg davonzutragen. Dass ihm seine Vorgesetzten, statt ihm zu dieser strategischen Meisterleistung zu gratulieren und ihn sofort zum Konteradmiral zu ernennen, zwei Wochen Kloputzen aufbrummten, ließ in Robert die Überzeugung wachsen, dass das österreichische Bundesheer eine tiefgreifende Reform nötig hatte. Und daran hatte sich in der Zwischenzeit auch nichts geändert. Robert fand, dass sich jetzt endlich einmal jemand darum kümmern musste. Er hatte auch schon einige Namen im Kopf. Seinen nicht.

Das war auch die Zeit, in der die FPÖ auf ihn aufmerksam wurde, Talente mit situationselastischem Rückgrat scharte Jörg Haider damals besonders gerne um sich.

Im Arbeitsleben wiederum konnte Robert mit seinem außerordentlichen Geschick früh überzeugen. Vor allem sich selbst dahingehend, dass das so nichts für ihn war. Also wechselte er stets in jene Abteilungen, in denen der Arbeitsaufwand am überschaubarsten schien, und dort stets auf die Seite, auf der es verlässlich hieß: „Aber heute geht sich das nimmer aus.“ Das war dann auch die Zeit, in der die FPÖ auf ihn aufmerksam wurde, Talente mit situationselastischem Rückgrat scharte Jörg Haider damals besonders gerne um sich.

Natürlich hätte Robert ihm von seiner Vergangenheit bei den Roten Falken erzählen können, aber das zahlte sich nicht wirklich aus. War ja schon so lange her. Und wegen der paar Monate! Denn dann war Robert ja eh zu den Pfadfindern gegangen. Die hatten die eindeutig größeren Abzeichen gehabt. Es gab immer einen guten Grund für solche Wechsel. Nicht, dass Sie jetzt glauben, die passierten aus Jux und Tollerei. Auch für Roberts Teilnahme an diesem einen grünen Basiskongress hatte es einen guten Grund gegeben. Und zwar einen sogar ausgesprochen guten! Aber das mit der freien Liebe bei denen stimmte so nicht, wie sich dann schmerzlich herausstellen sollte. Oder später, als er gleichzeitig Mitglied beim Wirtschaftsbund und der Gewerkschaft gewesen war. Die einen hatten als Willkommensprämie ein Mofa und die anderen ­einen Urlaub in einem schmucken gewerkschaftseigenen Heim am Wörthersee gehabt. Da kann man nicht zaudern, da muss man sich entscheiden. Und zwar immer und ausnahmslos für sich selbst.

Robert Lugar hat die Welt bezüglich seiner Prinzipien und der Festigkeit derselben nie auch nur im Geringsten in Zweifel gelassen. Und erstaunlicherweise dankt ihm das die Welt immer wieder aufs Neue. Also kehrt er jetzt, nach neun Jahren, in denen er sich als Abgeordneter des BZÖ, als wilder Abgeordneter und als Abgeordneter des Team Stronach die frische Luft eines freien und arbeitsreichen Lebens um die Nase wehen hat lassen, zur FPÖ zurück. Zur Partei der Anständigen und Aufrechten. Und es besteht nicht der geringste Zweifel: Genau dort gehört einer wie er auch hin.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort