profil-Kolumnist Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz: Feind-Seligkeiten

Die Türkei ist natürlich pflichtgemäß empört über die Regierung Kurz. Möglicherweise aber auch noch etwas anderes.

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profil: Herr Erdoğan, haben Sie sich schon bei Bundeskanzler Kurz für seine Unterstützung bei Ihrem Wahlkampf bedankt? Erdoğan: Ich soll mich bei diesem Kind bedanken? Hat sich der Sultan von Edirne nach der Belagerung von Trabzon beim Wesir von Marmara bedankt? profil: Äh … keine Ahnung. Erdoğan: Die Unwissenheit von euch Ungläubigen wäre manchmal ja beinah schon rührend. Wenn sie einen nicht so aggressiv machen würde. profil: Der Zeitpunkt des Vorgehens von Kurz gegen Ihnen nicht unfern stehende Vereine und Moscheen hilft Ihnen aber schon sehr – so weit sind wir uns wohl einig. Erdoğan: Wenn mein Wahlkampf nur aus Beschimpfungen des in leider jeder Himmelsrichtung feindlich gesinnten Auslands bestehen würde und aus Verschwörungen, die allesamt darauf abzielen, die Türkei vom verdienten Aufstieg zur Weltmacht abzuhalten – dann würde es mir natürlich helfen. Aber wie jedermann weiß, ist die Behauptung, ich würde einen solchen Wahlkampf führen, eine Lüge des feindlichen Auslands. profil: Das schreckt vor nichts zurück, dieses Ausland. Erdoğan: Möge Allah, der Allmächtige seine Ernten verdorren und seine Kinder drogensüchtig werden lassen! profil: Was wären die ganzen starken Männer, die sich immer wieder schützend vor ihre Bevölkerung werfen müssen, nur ohne Ausland? Sie haben ja einmal behauptet, in Wirklichkeit hätten die Türken Amerika entdeckt. Das könnte tatsächlich stimmen. Erdoğan: Was hat dir endlich deine kleinen Augen geöffnet, Ungläubiger? profil: Trump und Sie müssen einfach verwandt sein. Erdoğan: Lächerlich. Kein Bart. Und diese Frisur! profil: Und bei Ihnen und Kurz weiß man manchmal gar nicht mehr, wer von Ihnen beiden den anderen dringender braucht. Erdoğan: Dumme Frage. Er mich natürlich. profil: Weil Sie auf einen Zwerg wie ihn gar nicht erst angewiesen sind. Erdoğan: Weil ich bei Feindbildern doch deutlich mehr Auswahl habe. Wen bitte hat denn euer blutiger Amateur sonst noch? Außer Angela Merkel natürlich. Die läuft außer Konkurrenz. profil: Was glauben Sie, welche Auswirkungen wird die Aktion von Kurz zum jetzigen Zeitpunkt auf das Stimmverhalten der Austro-Türken haben? Erdoğan: Meine Leute wissen schon, wen sie zu wählen haben. Und wenn sie es nicht wissen, taucht bald eine neue Liste mit Doppelstaatsbürgern auf. Da stehen dann nur die Richtigen drauf. profil: Was werden nun Ihre nächsten Schritte sein? Sie sind ja eher nicht dafür bekannt, die Chance einer Provokation ungenützt verstreichen zu lassen. Erdoğan: Nun, zunächst einmal werde ich eine flammende Rede halten, in der ich die islamophobe und faschistische EU geißle, blablabla, Sie kennen das ja. Dann werde ich – nicht zuletzt deshalb – die Wahl gewinnen. profil: Das wäre wohl Ihre schönste Rache am feindlichen Ausland. Erdoğan: Ach. Was täte das denn ohne mich? profil: Was passiert nach Ihrer Wiederwahl zum Beispiel mit ATIB? Erdoğan: Die machen natürlich so weiter wie immer. Sie glauben doch nicht, dass Sie das Türkentum mit solchen lächerlichen Maßnahmen aufhalten können? Niemand hält uns auf. profil: Vielleicht könnten solche Ansagen mit ein Grund sein, warum es überhaupt erst jemand versucht? Erdoğan: Na, das will ich doch stark hoffen! profil: Sind Sie schon einmal auf die Idee gekommen, dass Sie es sich umgekehrt niemals gefallen lassen würden, wenn Vereine eines anderen Staates in der Türkei das täten, was ATIB bei uns tut? Erdoğan: Selbstverständlich würde ich das nicht. Aber das kann man ja sowieso nicht vergleichen. profil: Wieso nicht? Erdoğan: Wir sind die Türkei! Für uns haben immer Sonderregelungen zu gelten! Das ist Artikel 1 unserer gefühlten Verfassung. profil: Sebastian Kurz geht Ihnen schon nach so kurzer Zeit im Amt gehörig auf die Nerven. Jetzt möchte er wohl noch dazu mindestens zehn Jahre in seinem Amt bleiben. Wird das eine Langzeitbeziehung zwischen Ihnen beiden? Erdoğan: Da liegt einiges an Potenzial drin. Ich spüre da eine Verbundenheit, die auch unter Distanz oder der vorübergehenden Hinwendung zu anderen fruchtbringenden Feindbildern nicht wirklich leiden wird. Wenn wir einander über den Weg laufen, werden wir uns immer sofort blind verstehen. profil: Und was bedeutet das derzeitige Verhältnis zwischen den beiden Ländern denn heuer für österreichische Sommerurlauber in der Türkei? Erdoğan: Bunte Armbänder und all inclusive. profil: Perfid.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort