Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Essgewohnheit

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Zum nunmehr schon siebenten Mal lud profil-Herausgeber Christian Rainer Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum „Editor‘s Dinner“ ins Palais Rahimi in der Wiener Innenstadt. Unter den Gästen befanden sich heuer unter anderen Staatssekretär Sebastian Kurz, die Wiener Stadträte Christian Oxonitsch und Andreas Mailath-Pokorny, die Abgeordneten Brigitte Jank und Werner Kogler, Alexander Wrabetz und Kathrin Zechner vom ORF, ÖBB-Vorstand Christian Kern, Casinos-Chef Karl Stoss, Post-General Georg Pölzl, „News“-CEO Axel Bogocz, Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann oder Nationalbibliothek-Direktorin Johanna Rachinger. Und Rainer Nikowitz hielt diese Festrede.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitesser!

Es ist ja nun schon eine wirklich lang gepflegte Tradition, dass ich hier als Zwischengang aufgetragen werde. Und die Stammgäste unter Ihnen wissen, was jetzt kommt: Ich werde Sie beleidigen.
Glauben Sie mir: Das ist gar nicht so einfach. Vergangenes Jahr hat mir ein Gast, der sich offenbar nicht beleidigt genug gefühlt hat, nachher gesagt: „Ich glaub, Sie werden schon ein bisschen altersmilde.“
Da war dann ich beleidigt. Nicht wegen „alt“. Das stimmt ja. Aber offenbar muss ich mich heuer zusammenreißen. Weil mein Auftritt hier dient ja nicht nur Ihrer Unterhaltung, sondern auch als Beweis dafür, wie todesverachtend unabhängig wir von profil sind. Total wilde Hunde, unerschrockene Desperados in einer Medienwelt, in der das Pochen auf die Trennlinie zwischen Journalismus und PR zunehmend als renditegefährdende Renitenz angesehen wird. Unabhängig von der Politik sowieso, aber auch von der Wirtschaft und damit unseren Anzeigenkunden und nicht zuletzt auch von unseren Eigentümern.

Wobei, gerade das mit der Unabhängigkeit von der Politik und den Eigentümern wird zugegebenermaßen nicht flächendeckend so gesehen. Wenn man zum Beispiel Josef Cap fragte, warum wir in profil immer so böse über ihn schreiben, dann wäre die Antwort vermutlich: Das ist kein Wunder, schließlich gehören die ja zur reaktionären Raiffeisen-Gummistiefelpresse.

Gut, jetzt kriegt man vom Josef Cap in letzter Zeit öfter einmal eine komische Antwort. Der weiß ja kaum noch, wo ihm der Kopf steht. Das muss man sich ja einmal vorstellen: Jetzt ist der arme Hund doch schon 61 – und hat auf einmal einen Job, der durchaus mit Arbeit verbunden ist.
Aber: Dagegen müssen wir uns natürlich wehren – also kommen jetzt gleich einmal ein paar Raiffeisen-Witze.

Christian Konrad, der Mann, zu dem Gott betet, wenn er Angst vor dem Fegefeuer kriegt, war bisher noch bei keinem einzigen Editor’s Dinner. Diesmal hatte er zugesagt – aber dann heute Vormittag doch noch abgesagt. Leider. Ich hätte mir ja gedacht, jetzt hat er endlich mehr Zeit, so in der Gleitpension. Der Hof ist übergeben, die Kinder sind aus dem Haus.

Sogar die Lindner Monika steht endlich auf eigenen Füßen.
Aber Karl Sevelda ist da, der ist ja, wie Sie wissen, vor einigen Monaten doch etwas überraschend Vorstandsvorsitzender von Raiffeisen International geworden. Weil ja sein Vorgänger jetzt mehr in Immobilien macht. Übrigens, Herr Sevelda: Das Menage-Reindl für den Herbert Stepic wär dann in der Küche abzuholen.

Auch aus dem Raiffeisen-Reich ist Josef Pröll, Vorstand von Leipnik-Lundenburger. Ja, manchmal ist halt der Schritt nicht so groß vom Finanzminister zu Fini’s Feinstes. Das ist jetzt natürlich unfair, darüber Witze zu reißen. Alfred Gusenbauer war ja nach seinem Abgang als Bundeskanzler zuerst auch einmal Europareferent der Niederösterreichischen Arbeiterkammer. Dann hat er Karriere gemacht und berät jetzt um viel Geld den einen oder anderen Diktator.
Das kann beim Josef Pröll auch noch werden. In Niederösterreich wäre er ja schon …

So, also Raiffeisen wär einmal erledigt.

Jetzt sind aber wir von profil ja nur Nebenerwerbs-Raiffeisen-Büttel, weil wir ja in erster Linie zum News-Verlag gehören. Axel Bogocz, dem CEO des News-Verlages, schwant jetzt wohl Übles. Nicht zum ersten Mal im Zusammenhang mit profil. Wobei, der News-Verlag, ich weiß nicht, ob Ihnen das schon aufgefallen ist, der heißt ja jetzt gar nicht mehr News-Verlag. Sondern VGN. Das hat was, oder? VGN. In der Langversion wird das „N“ übrigens ziemlich leise ausgesprochen. Verlagsgruppe, psst!, News. In Bruck an der Leitha, da haben sie einen Fußballklub, die haben gesagt, hey, das machen wir jetzt auch. Wir nennen uns FCB, weil vielleicht schauen die Leute nicht so genau hin und glauben, wir sind Barcelona.
Es gibt auch ein neues Plakatsujet, mit dem verdeutlicht wird, wohin die VGN unterwegs ist: Ein tollkühner Bergsteiger in steiler Wand, sichtlich auf dem Weg zum Gipfel. Ohne Sauerstoff. Das muss man sich einmal trauen – am Bisamberg.

So, VGN wäre also auch erledigt.

Welche Hände, die uns füttern, müssen noch gebissen werden? Ganz klar: die der Wirtschaft. Es sind ja viele unter Ihnen, werte Gäste, mit denen uns eine Freundschaft verbindet, die darauf fußt, dass wir immer wieder einmal so nett sind, Ihre Inserate abzudrucken.

Da wird’s jetzt aber schwierig. Es ist einfach wahnsinnig schwierig, beispielsweise, um jetzt völlig willkürlich einen Gast herauszugreifen, Markus Faschang, den Geschäftsführer von L’Oreal-Österreich, ordentlich durch den Kakao zu ziehen.

Herr Faschang, eine Gewissensfrage: Wären Sie stark beleidigt, wenn ich Sie jetzt nicht beleidige? Ich kann Ihnen versichern, es ist nichts Persönliches. Aber ich weiß leider einfach zu wenig über Sie.
Ich mein, wenn Sie drauf bestehen, dann könnte ich wenigstens Ihre Produkte schlechtmachen. Also zum Beispiel behaupten, dass man von Ihrer Tagescreme Warzen bekommt. Oder ich könnte anregen, dass Sie für die nächste Werbekampagne nicht Patrick Dempsey als Testimonial nehmen – sondern Christian Rainer. Damit die Kunden endlich einmal sehen, wie man nach 50 Jahren intensiven Gebrauchs der gesamten L’Oreal-Männerlinie wirklich ausschaut. Aber, wenn es nicht sein muss, wäre ich auch nicht böse.

Also, Anzeigenkunden erledigt, Herausgeber auch erledigt!

Bleiben die Politiker. Das wiederum ist natürlich am einfachsten. Zum Ersten sind die es eh gewöhnt, und zweitens wird sich vermutlich sogar hier in diesem Raum eine zumindest relative Mehrheit finden lassen, die sagt: Die haben es auch verdient.

So gesehen, ist es natürlich sehr schade, dass der Generalsekretär der ÖVP, Hannes Rauch, kurzfristig abgesagt hat. Mit der Begründung: Die Koalitionsverhandlungen werden etwas länger dauern.
Da stellt sich natürlich die Frage: Gibt’s niemand anderen, der dort die Wurstsemmeln holen kann?

Aber sagen wir, es ist wirklich so und der Herr Rauch ist bei den Verhandlungen tatsächlich unabkömmlich. Aber wieso ist dann Sebastian Kurz da?

Herr Kurz? Was ist los? Sie braucht keiner dort? Als Jungstar der ÖVP? Wobei, das dauernde Herumreiten auf Ihrem Alter nervt Sie ja – und zwar völlig zu Recht. Wer ständig darauf hinweist, wie jung der Herr Kurz ist, übersieht völlig, dass ja der Begriff „Junge ÖVP“ eigentlich ein klassisches Oxymoron ist, also so was wie „Schwarzer Schimmel“. Bei der Jungen ÖVP gibt’s ja das, was die Alte ÖVP jetzt auch in den Gymnasien gerne wieder einführen würde, nämlich eine Aufnahmeprüfung. Bei der muss der Kandidat überzeugend darlegen, dass er niemals jung gewesen ist. Und wer das nicht schafft – den schicken sie gleich weiter zu den NEOS.

Aber Herr Kurz, Sie sind Staatssekretär und möglicherweise bald Minister. Zukunftsminister hört man. Und immerhin wird ja in der Koalition gerade die Zukunft verhandelt, nicht? Was denn auch sonst. Noch dazu, wo diesmal ja nun wirklich ganz sicher, 100-prozentig, unumstößlich, ein für allemal eine Koa-lition-Neu herauskommen wird. Die für eine goldene Zukunft sorgen wird. Zum Beispiel beim ORF.

Offenbar haben ja die Regierungsparteien messerscharf erkannt, dass an ihren nicht restlos großartigen Wahlergebnissen vor allem einmal der ORF schuld ist. Weil die Opposition zu viel Sendezeit bekommen hat. Das ist natürlich, wie jeder medienpolitische Befund der Herren Kopf und Cap, vollkommen richtig. Herr Wrabetz, ich kann Ihnen diesen Vorwurf leider nicht ersparen, aber Sie haben einen Fehler gemacht. Weil vor allem einer hat von diesem Ungleichgewicht ungeheuer profitiert. Sie hätten also persönlich den Frank Stronach aus dem Studio schmeißen sollen.
Und es ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen, dass mehr Sendezeit für einen fäusteballenden und auch sonst total entfesselten Michael Spindelegger einen drastischen Stimmenverlust für die Opposition bedeutet hätte. Weil sich dann noch ein paar tausend Wähler mehr totgelacht hätten.

Aber, der Wählerauftrag wurde bei den Regierungsparteien glasklar verstanden, und deshalb schwirren da jetzt zum einen verschiedene völlig parteiferne Namen herum, die den ORF zukunftsfit machen könnten, wie zum Beispiel der des ehemaligen Faymann-Pressesprechers Wolfgang Jansky, der als Geschäftsführer von „Heute“ schon jetzt das umsetzt, was die SPÖ unter öffentlich-rechtlichem Journalismus versteht. Weil, öffentlich ist er fraglos – und recht ist er der SPÖ auch.

Mir persönlich gefiele aber die Idee einer ORF-Doppelspitze viel besser. Vier Ohren hören schließlich immer noch mehr als zwei. Schade, dass der Richard Grasl heute abgesagt hat. Also, für’s Dinner, nicht dass da ein Missverständnis entsteht.
„Was hast g‘sagt, Erwin? ‚Niederösterreich heute‘ bundesweit und auf beiden Kanälen durchschalten? Also, dass mir das selber noch nicht eingefallen ist!“

Aber in erster Linie geht es bei den Koalitionsverhandlungen im Moment natürlich um etwas anderes. Um etwas sehr Ernstes. Etwas Schreckliches. Das Budgetloch! Diese furchtbare Bestie, die sich geschickt vollkommen unbemerkt im Vorwahldunkel verborgen hat, um jetzt umso brutaler zuzuschlagen. Gefunden hat das Budgetloch eigentlich die ÖVP. Und die SPÖ, die hat seither auf zwei Arten darauf reagiert.

Die erste: Das ist eindeutig ein schwarzes Loch. Schließlich war ja Maria Fekter Finanzministerin. Angeblich. Die zweite aber ist natürlich die bessere, und es blieb deshalb auch dem Chef vorbehalten, sie auszusprechen – also Michael Häupl. Der hat gesagt: „Es gibt kein Loch!“
Fragen wir doch den Christian Oxonitsch und den Andreas Mailath-Pokorny, die sind immerhin Wiener Stadträte und sehen also den Michael Häupl sicher so zwei-, dreimal im Jahr.

In Wien ist also kein Budgetloch zu sehen? Könnten es vielleicht die Grünen haben? Unter einer Begegnungszone versteckt oder so?

Na ja, aber heute hat man sich im Bundeskanzleramt ohnehin in kleiner Runde zusammengesetzt – also garantiert ohne Hannes Rauch – und das Budgetloch ein bissl kleiner gerechnet, so auf nur mehr 20 oder 25 Milliarden. Also praktisch eh nichts.

Sie können daher ganz beruhigt weiteressen. Und ich jetzt auch, weil: Politiker – auch erledigt. Zumindest bis zum nächsten Editor’s Dinner. Mahlzeit!

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort