Satire

Rainer Nikowitz: Fragen Sie Frau Erna!

Die Zeiten sind unsicher, viele Menschen suchen nach Trost und Rat. Wie gut, dass man sich stets vertrauensvoll an die krisengestählte profil-Lebenshelferin wenden kann!

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Sehr geehrte Frau Erna!

Die Corona-Infektionszahlen in Österreich steigen wieder . Einerseits ist das offenbar auf Cluster in Schlachthöfen zurückzuführen-und diesbezüglich haben mir Ihre investigativen Kollegen ja auch schon erklärt, warum das so ist. Was ich aber nicht verstehe: Wieso erweisen sich so viele Kirchen als Virenschleudern? Also gottlob nicht unsere katholische, sondern Freikirchen wie in Linz oder Wiener Neustadt. Oder eine orthodoxe Kirche in Wien-Ottakring. Ich glaube mich auch zu erinnern, dass die Corona-Verbreitung in Südkorea im Wesentlichen durch eine christliche Sekte passiert ist. Was geht hier vor? Wo sind die Zeiten, als Religion nur Opium für das Volk war-und nicht Superspreader?

Besorgt Karoline Berghammer, Salzburg

Sehr geehrte Frau Berghammer!

Das ist eine sowohl sehr berechtigte wie auch sehr schwer zu beantwortende Frage. Lassen Sie mich zum Ersten auf Ihre Erleichterung in Bezug auf die katholische Amtskirche eingehen: Ja, diese verhält sich in der Corona-Krise tatsächlich vorbildlich. Wie sich erst jetzt herauskristallisiert, hat sie ja schon seit Jahrzehnten einen sehr langfristigen Pandemie-Plan verfolgt, der im Wesentlichen darin bestand, die Herde der Schäfchen durch Abgehobenheit und Weltfremdheit nachhaltig zu verstören und drastisch zu reduzieren. Nunmehr aber, im leider eingetretenen Ernstfall, wird sichtbar, wie klug diese Strategie war: Social Distancing stellt mittlerweile in den meist durchaus geräumigen Kirchenschiffen überhaupt kein Problem mehr dar. Obwohl die Kirchenbesucher in ihrer großen Mehrheit aus der Risikogruppe der Senioren kommen, können sie sich dort völlig sicher fühlen-und so spannend wie das Hauptabendprogramm ist die Predigt allemal.

Für die von ihnen angesprochenen anderen christlichen Kirchen scheint das alles aber tatsächlich nicht zuzutreffen.

Wie genau die Ansteckung in den Gottesdiensten dort vonstattengeht, lässt sich von außen allerdings nur vermuten. Denn es werden ohnehin alle nur denkbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Vor etwa drei Wochen etwa vermeldete die orthodoxe Kirche in einem Anfall völlig unvermuteter Neuerungswut, dass an der in Pandemiezeiten möglicherweise leicht bedenklichen Löffelkommunion zwar selbstverständlich festgehalten werde-aber wer unbedingt wolle, dem sei ausnahmsweise (und nur vorübergehend!)die Verwendung von Einweglöffeln gestattet. Sie sehen also, hier geht man wirklich mit der Zeit. Die erwähnten Freikirchen in Linz oder Neunkirchen scheinen wiederum sehr lebendige

Gottesdienste mit viel Gesang und Tanz und möglicherweise auch sonstigen Möglichkeiten des Körperflüssigkeitsaustausches abzuhalten. Vielleicht erklärt das auch den Zulauf, den diese erleuchteten Vereinigungen im Gegensatz zur lustfeindlichen Amtskirche haben, wer weiß das schon. Aber wie man's macht, ist es nicht recht.

Und um am Ende noch auf das von Ihnen verwendete Opiumzitat zurückzukommen: Dieses stammt bekanntlich von Karl Marx. Der braucht aber gar nichts reden, schließlich wurde er ja selbst heiliggesprochen und ein ganzer Stadtteil in Wien nach ihm benannt: St. Marx. Und was war dort früher? Genau: ein Schlachthof. Somit schließt sich der Kreis. Irgendwie.

In der Hoffnung, mit dieser Antwort alle Klarheiten beseitigt zu haben, verbleibt herzlichst

Ihre Frau Erna

 


Geschätzte Frau Erna!

Ich brauche dringend Ihre Hilfe bei der Klärung folgenden Problems: Wie sie vielleicht schon gehört haben, ist ja jetzt auch der 35 Jahre alte Klamaukstreifen "Otto-der Film" auf den Rassismus-Index geraten, weil ihn sich ein Autor des Stadtmagazins "Tip Berlin" noch einmal voll kritisch angesehen hat. Sein diesbezüglicher Erlebnisaufsatz geriet denn auch zu seinem bisher größten publizistischen Triumph, noch vor dem Investigativreport "Currywurst in Berlin: 12 Buden für den würzigen Genuss" (tip-berlin.de/currwurstin-berlin-die-beste-wuerzigste-leckerste-bude). Jedenfalls braucht es mittlerweile ganz dringend einen offiziellen Leitfaden für Humor, der selbst für die gestrengen Twitter-Standgerichte noch vertretbar ist. Diese sind ja bekanntlich mit den moralisch allerwertvollsten Menschen der Welt besetzt-die noch dazu selbstverständlich immer schon alles gewusst hätten. Können Sie da helfen, werte Frau Erna? Ich frage für einen Freund.

Verzweifelt R. N.,Wien



Sehr geehrter Herr N.!

Nun, das ist doch wirklich nicht so schwer. Witze sind dann lustig, wenn sie alte, weiße, heterosexuelle und hoffentlich auch noch rechte Männer zum Ziel haben. Sonst nicht. Auch das Wetter böte sich allenfalls noch als Thema an.

Aber nur, wenn es nicht um einen Hurricane geht, der "Irma" o. ä. heißt. "Herbert" hingegen geht. Auf gutes Gelingen!

Ihre Frau Erna

 

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort