Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Judäische Volksfront? Volksfront von Judäa!

Die SPÖ könnte tatsächlich die nächste Wahl gewinnen. Dagegen müssen wir echten Linken natürlich dringend etwas unternehmen.

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Die Idee ist dermaßen bestechend, Sie haben sich sicherlich ohnehin schon gedacht, dass sie nur von mir sein kann. Sie geht im Wesentlichen so: Die SPÖ muss sich spalten – damit die ÖVP nach der nächsten Wahl nicht mehr in die Regierung kommt! Und dann mit einer Ampelkoalition endlich ein Zeitalter linker Hegemonie anbricht.

Das klingt beim ersten Hinhören vielleicht nicht so sonderlich zwingend. Darum kamen ja auch die Fake News auf, die Idee stamme von der roten Einmann-Vorfeldorganisation Rudi Fußi, seinerzeit unter anderem Berater von Christian Kern im Abnützungskampf gegen Sebastian Kurz. Wie dieser ausgegangen ist, ist möglicherweise noch erinnerlich. Fußis Idee, so wurde medial kolportiert, würde unterstützt von anderen hauptamtlichen Bewohnern der Volksrepublik Twitter und überhaupt der linken Fraktion innerhalb der SPÖ, die seit der Niederlage im Stechen um den Wiener Bürgermeistersessel auf eine neue Chance wartet, endlich wieder einmal die öffentliche Wahrnehmungsschwelle zu überschreiten. Aber wenn die Idee von Fußi käme, wäre sie ja nicht so grundseriös, wie sie ist, denn der gute Mann ist ja so etwas wie der linke Gerald Grosz. Kein Würschtl ist sicher vor seinem Senf. Allerdings hat er wenigstens noch keine Ambitionen auf das Bundespräsidentenamt erkennen lassen – aber sag niemals nie. Also nein, vergessen Sie dieses Gerücht schnell wieder: Der geniale Stratege hinter diesem besten Plan aller Zeiten bin wie gesagt ich.

Die SPÖ liegt ja in den Umfragen momentan bei rund 30 Prozent, die ÖVP nur mehr bei 21. Es zeichnet sich also ein klarer Sieg der Sozialdemokratie ab – und da können echte Linke wie ich natürlich nicht untätig zuschauen. Denn: 30 plus 21 ergibt 51 – also eine Mehrheit für eine Große Koalition. Die könnte Rendi-Wagner auch anstreben –aber das gilt es in jedem Fall zu verhindern, denn mit dem schwarzen Hemmschuh wäre die Durchsetzung all der großartigen Ideen, die die SPÖ für die Gestaltung unserer Zukunft bereits auf den Tisch gelegt hat, natürlich alles andere als gesichert. Also läuft das jetzt so: Wir gründen eine zweite SPÖ, eine linkere. Der Einwand, dass es die mit den Grünen eigentlich schon gibt, ist natürlich nicht stichhaltig, denn die sind ja alle Kinder von ÖVP-Eltern, also bürgerlich. Nicht so Natural-Born-Klassenkämpfer wie wir alle. Bei der Wahl wird nun diese linkere SPÖ der rechteren SPÖ so viele Stimmen wegnehmen, dass sich eine Koalition mit der ÖVP nicht mehr ausgeht. Und dann kommt die Ampel! Mit zwei roten Lichtern halt, aber davon kann es ja nie genug geben.

Ich möchte nicht verhehlen, dass sich die Großartigkeit dieses Plans nicht sofort allen offenbart. Nebst einigen wirklich unqualifizierten Äußerungen, die ich mir aus dem rechten roten Flügel schon anhören musste („Oida! Ham s’ euch ins Hirn gsch…?“) versuchen mir einige Beckmesser mit für wirklich linke Politik völlig unerheblichen Wissenschaften wie zum Beispiel Mathematik zu kommen. Und stellen haarsträubende Milchmädchenrechnungen wie diese an: Wenn SPÖ und ÖVP zusammen 51 Prozent haben – dann würde sich daran auch nichts ändern, wenn es auf einmal zwei halbe SPÖs gäbe. Und das hieße im Umkehrschluss: Die Ampel aus beiden SPÖs, Grünen und NEOS ginge sich trotzdem nicht aus. Dabei wird natürlich völlig übersehen, dass die Strahlkraft möglicher Kandidaten aus unserem Lager dazu führen würde, dass aus den 30 mindestens 35, wenn nicht noch mehr Prozente werden. Ich meine mit den bisher so herumgeraunten Namen wie Julia Herr, Mireille Ngosso, Birgit Hebein oder aber auch Marco Pogo von der Bierpartei sollte das ein Kinderspiel sein. Aber am wichtigsten wäre natürlich der Spitzenkandidat: Christian Kern. Der hätte schließlich schon einmal beinahe eine Wahl gewonnen.

Noch umwerfender wäre die ganze Geschichte, wenn sich Hans Peter Doskozil, endgültig schasbeleidigt, weil er nicht Spitzenkandidat wird, auch zu einer kleinen Abspaltung entschließen würde. Dann gäbe es endlich drei SPÖs! Eine linke, eine rechte und die mittlere von Pamela Rendi-Wagner und Michael Ludwig. Da könnte sich ja dann fast schon eine Ampel ausgehen, die immer nur rot bleibt! Was für ein symbolträchtiges Bild!

Ein kleines Restrisiko besteht aber doch noch, dass im Fall einer Spaltung keine der wie vielen auch immer SPÖs Platz 1 schafft. Auch so eine mathematische Sache, die beim Ringen um die reine Lehre eigentlich nichts verloren hat, aber bitte. Damit würde erst recht wieder Karl Nehammer – so er kandidiert – mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Oder aber gleich Herbert Kickl. Wobei: Das wäre ja dann überhaupt der Traum jedes aufrechten Linken. Weil dann hätte man wenigstens an diesen mitunter doch sehr langen und leeren Donnerstagabenden endlich wieder etwas zu tun.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort