Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Mangelware

Fehlt Ihnen was? Wenn ja, dann sind Sie damit wenigstens nicht allein.

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Da demonstriert ein Politiker endlich einmal launige Volksnähe – und wird dann dafür von allen Seiten geprügelt. Dabei war der Tipp von Bundeskanzler Karl Nehammer, zur Krisenbewältigung auf ein bewährtes österreichisches Hausmittel zurückzugreifen, doch gar nicht so übel. Denn Alkohol gibt es in der Mangelwirtschaft, in der wir uns befinden, ja wenigstens noch genug. Der Ausfall russischen Wodkas ist zwar bedauerlich, allerdings kann der zum Glück noch problemlos durch inländischen Obstler substituiert werden, da sind wir deutlich besser aufgestellt als bei Gas. 

Allerdings müssen wir den Alkohol schon jetzt zunehmend zu Hause konsumieren, denn für die Anzüchtung eines gepflegten Damenspitzerls beim Wirten fehlt es mittlerweile in weiten Teilen des Landes schlicht an Servierpersonal. Und auch an Köchen, die man für die Schaffung einer ordentlichen Unterlage vor dem Saufen, etwa in Form eines Schweinsbratens, bräuchte. Es ist absehbar, dass diese Engpässe die österreichische Seele auf Dauer mindestens so stark belasten werden wie die Corona-Lockdowns. 

Bei den Psychopharmaka, der anderen vom Kanzler beworbenen Krisenabhilfe, ist es übrigens ähnlich. Ich nehme zwar an, dass von denen genügend auf Lager sind – allerdings fehlt es für uns in zwei Pandemiejahren offenbar einigermaßen zahlreich leicht wucki Gewordene an Psychiatern und Therapeuten, die sie uns auch verschreiben könnten. Dieses Missverhältnis wird sich eher nicht bessern, wenn wir im Winter in kalten Wohnungen sitzen und uns mit Frau und Kindern um die einzige Patchworkdecke streiten. 

Denn es fehlt ja, wie wir wissen, an Gas, Öl und Strom. In weiterer Folge gibt es auch kaum mehr Solarpaneele und Wärmepumpen, und wenn doch eine Lieferung eintrifft, weil der Containerschiffsstau vor Rotterdam und Bremerhaven trotz des Fehlens von genügend Arbeitern zur Entladung derselben etwas kleiner geworden ist, dann haben wir eigentlich kaum jemanden, der diese Dinger auch montieren kann. Wer seinem Kind heute nicht dringend nahelegt, sich statt des Studiums der Publizistik oder Soziologie eher den Installateurwissenschaften zuzuwenden, macht sich grober Gefährdung der Zukunftschancen des Nachwuchses schuldig. Ähnlich krisensicher ist maximal noch Genderwissenschaft, die dort ausgebildeten Universalgelehrten braucht man heutzutage ja praktisch überall.

Noch kann russischer Wodka zum Glück problemlos durch inländischen Obstler substituiert werden.

Theaterwissenschaft hingegen ist eher nicht zu empfehlen, auch in den Schauspielhäusern herrscht ja gerade eklatanter Mangel – und zwar an Publikum. 

Gut wäre hingegen auch eine Ausbildung zum Ofensetzer oder Rauchfangkehrer, weil diejenigen, die keine Wärmepumpe mehr abgekriegt haben, stattdessen gerne mit festen Brennstoffen heizen würden. Ist der Ofen allerdings einmal gesetzt, gibt es kein Holz mehr dafür, das ist nunmehr offenbar zum neuen Klopapier geworden und wird auf Teufel komm raus gehamstert. Als das zum letzten Mal so war, hat uns das beinahe den Wienerwald gekostet. Und auch jetzt werden im Westen von Wien zunehmend finstere Gestalten gesichtet, die sich nicht einmal mehr groß die Mühe machen, ihre Fuchsschwänze und ähnliches Diebeswerkzeug zu verbergen. 

Da kann sich ja fast glücklich schätzen, wen dieses Heizproblem nicht betrifft – weil er nämlich gar keine Wohnung findet, zumindest keine, die er sich leisten könnte. Da herrscht ja auch ein bisserl ein Mangel, Innsbruck hat jüngst gar den Wohnungsnotstand ausgerufen. Eine Alternative wäre natürlich, über den Winter zum Beispiel nach Griechenland zu flüchten, der dortige Tourismusminister Vassilis Kikilias wirbt um deutsche Rentner, die dort garantiert nicht frieren müssten, wie er sagt. Österreichische werden ihm sicher auch nicht unrecht sein. Also, nichts wie rein in den Flieger und runter! Wenn …  es denn einen gibt. Durch den Mangel an Bodenpersonal wie an Piloten ist das ja leider auch eine eher unsichere Sache geworden. 

Ich weiß nicht, wo diese Piloten alle sind, vielleicht haben sie sich umschulen lassen. Allerdings eher nicht zu Installateuren. Und auch nicht zu Taxifahrern, in Wien hat man im Moment schon Glück, wenn bei der Funkzentrale, die man anruft, überhaupt jemand abhebt. Und wenn man diese Hürde genommen hat, heißt das noch lange nicht, dass das gewünschte Taxi a) überhaupt und b) vor übermorgen kommt. Also könnte man mittlerweile auf dem Weg nach Griechenland durchaus schon am Gaudenzdorfer Gürtel scheitern. Oder bei der Raffinerie Schwechat, eventuell auch, weil der Sprit ausgeht. Das wäre aber wiederum leider die blödeste Stelle dafür, denn wenn es dort nach dem kleinen Hoppala bei Wartungsarbeiten im Moment etwas nicht gibt, dann Benzin. 

Aber ansonsten geht es uns ja eh noch gut, mehr fehlt uns nicht. Außer vielleicht: der Regen, der in rauen Mengen nicht fällt. Aber man kann sich ja nicht um alles gleichzeitig kümmern. Un i Übrige sin mittlerwei leid au Buchstab Mangelwa u daru is dies Kolum jet au.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort