Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Moneymakers

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Der Mann hinter der Glasscheibe hatte ja nun schon allerhand erlebt. Aber das noch nie. „Wie bitte?“, fragte er nun schon zum dritten Mal, weil er wirklich sichergehen wollte, dass er von der kleinen weißhaarigen Frau mit den freundlichen braunen Knopfaugen nicht haltlos verarscht wurde. Diesen gewissenlosen Typen aus den „Versteckte Kamera“-Sendungen war ja schließlich nichts heilig.

Aber Leopoldine F., Ausgleichszulagenbezieherin aus Rudolfsheim-Fünfhaus, wollte den guten Mann keineswegs aufs Glatteis führen. Sie wollte sich heute bloß einmal etwas gönnen. Sich wie eine Königin fühlen.
„Ich möchte etwas spenden“, wiederholte sie.

Der Portier atmete tief durch. Jetzt musste er ruhig Blut bewahren. Genau für solche Situationen war er schließlich ausgebildet worden, hatte er immer und immer wieder geübt, damit im Ernstfall jeder Handgriff völlig automatisiert und ohne großes Nachdenken saß. Ohne die Frau aus den Augen zu lassen, hob er die rechte Hand und schlug dann energisch auf den großen roten Alarmknopf auf seinem Pult.

Das ohrenbetäubende Heulen einer Sirene zerriss die Luft, die sich hier im Normalfall genauso wenig bewegte wie die Partei, die sie atmete. An allen Ecken und Enden blinkten – klarerweise orangefarbene – Signallampen, und hinter Leopoldine F. rasselte ein Gitter herunter und versperrte den Ausgang. Schließlich musste man die Gefahr, dass sie es sich doch noch überlegte, so druckvoll wie möglich minimieren.

Im Stiegenhaus waren aufgeregte Rufe und wildes Getrampel zu hören. Und kaum zehn Sekunden später standen Josef Bucher und Stefan Petzner keuchend vor Leopoldine. Bucher band sich hastig seine Krawatte fertig, strich sie dann glatt und lächelte unsicher. Und Petzner ging überhaupt gleich ohne Umschweife dorthin, wo es wehtat, und bot ­Leopoldine mit zittrigen Fingern seine letzte Zigarette an.

Und dann stolperte noch ein Mann die letzten paar Stufen herunter. Leopoldine kannte ihn nicht, aber sie wusste sofort, welche Funktion er hier bekleidete: Er war der Finanzreferent. Leicht zu erkennen an seiner vor lauter Rührung innen beschlagenen Brille.

„Gnädige Frau“, hauchte Bucher devot, „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr wir uns freuen, Sie zu sehen.“

Leopoldine F. war sehr zufrieden. Die Aufregung, die sie hier hervorrief, war ähnlich groß wie bei ihrem gestrigen Auftritt bei den Grünen. Aber in ihrer Ausprägung doch etwas anders. Gestern war sich die PortierIn – eine aufgrund der fortgesetzten Stigmatisierung durch eine gedankenlose Öffentlichkeit psychisch gerade nicht sehr belastbare antiheteronormative Guerillagärtnerin – nicht sicher gewesen, ob man bei so einer wichtigen Sache nicht einen Sonderparteitag einberufen müsse, und war schließlich nach einem längeren basisdemokratischen Grundsatzdiskurs mit sich selbst schreiend davongerannt.

Erst Werner Kogler hatte erkannt, dass man diese Chance eher nicht ungenützt verstreichen lassen sollte, und gemeint, er könne zwar als Gegenleistung für die in Aussicht gestellte Spende natürlich kein willfähriges Stimmverhalten oder sonstwie moralisch bedenkliches politisches Agieren anbieten, aber zum Beispiel ein Meet & Greet mit der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, eine Farb- und Stilberatung von Karl Öllinger oder aber auch einen gendermäßig vollkommen korrekt von ihm selbst ausgeführten altmarokkanischen Bauchtanz.

Das fand Leopoldine zwar alles durchaus reizvoll, aber sie war ja doch ein bisserl eine Altmodische und wünschte sich daher einen Hofknicks von Eva Glawischnig. Der fiel der Parteivorsitzenden zwar keineswegs leicht, aber was tat man nicht alles, um das Spendenvolumen der grünen Bundespartei mit dem Faktor „unendlich“ zu multiplizieren. Also von exakt null Euro, wie aus dem Rechnungsabschluss für 2010 zu ersehen, auf fünf Euro hochzuschrauben.

Ganz so leicht würde Leopoldine es mit dem BZÖ nicht haben, das war ihr klar. Denn die Orangen hatten 2010 immerhin 565 Euro lukrieren können, davon allein 465 von einem der Partei offenbar mit Haut und Haaren verfallenen einzelnen Großspender, der nur allzu verständliche Angst davor hatte, in einem Österreich ohne BZÖ leben zu müssen. Dennoch wusste sie, dass sie beinahe alles verlangen konnte. Und die Parteispitze wusste das auch. Wirtschaftsliberalität war schließlich keine Einbahnstraße. Aber irgendwie spürte Josef Bucher, dass dieser Kelch hier an ihm vor­übergehen würde. Und er hatte Recht.

Leopoldine nestelte einen zerknitterten, an einer Ecke schon mit einem Stückchen Klebeband ausgebesserten Fünfer, den sie erst am Vortag für die Leerflaschen im Supermarkt bekommen hatte, aus ihrer Kroko-Imitat-Geldbörse, winkte dem ungewohnt bleichen Stefan Petzner damit zu und sagte dann: „Burschi? Wir zwei Hübschen gehen jetzt ins Solarium.“
Petzner schluckte. Und dann zündete er sich seine letzte Zigarette lieber doch selbst an.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort