Satire

Rainer Nikowitz: Die Quotenfrau

Alle Regierungsmitglieder erfreuen sich in der Krise höherer Beliebtheitswerte. Bis auf eines.

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Die Grünen sind konsterniert. Nach einer denkwürdigen Pressekonferenz, bei der Staatssekretärin Ulrike Lunacek mit wolkigem Blabla umflorte Weltfremdheit, hoppertatschige Tipps, aber auch schlichte Falschinformationen zum Besten gab, geht mehr oder weniger die gesamte Kulturszene geschlossen auf sie los. Ungeachtet dessen, dass es noch einige längere Vorstandssitzungen, wenn nicht gar einen Sonderparteitag mit der weisen Basis brauchen wird, um zu klären, ob die Künstler überhaupt so schiach zu Lunacek sein dürfen – schließlich sind doch unter denen zweifellos viele Grün-Sympathisanten, und gerade für die müsste doch eigentlich die gut eingeübte grüne Universalantwort auf jedwede Kritik („Aber … Wir sind doch die Guten!“) allemal reichen –, ist es nicht unhilfreich, wenn man sich in Erinnerung ruft, warum sie eigentlich auf diesem Posten sitzt. Beziehungsweise, noch einen Schritt weiter zurück: Warum es dieses Staatssekretariat denn überhaupt gibt.

Die Grünen hätten im Zuge der Regierungsbildung auch die Möglichkeit gehabt, einen Staatssekretär im Finanzministerium zu installieren, also in einem dem Vernehmen nach auch nicht gänzlich unwichtigen Ressort.

Das wurde bei den Koalitionen der letzten 20 Jahre auch stets so gehandhabt, dem jeweiligen Minister wurde immer ein Staatssekretär des Koalitionspartners zur Seite gestellt. Nun hätten die Grünen sogar einen völlig logischen Kandidaten dafür gehabt: den Finanzexperten und Kogler-Vertrauten Josef Meichenitsch, der auch bei den Koalitionsverhandlungen in der Steuerungsgruppe saß. An sich war er also in jeder Hinsicht hervorragend qualifiziert – bis auf diese eine, leider alles andere überstrahlende Schwäche: seinen Penis. Herr Meichenitsch wird uns dieses uncharmante Outing hoffentlich nachsehen, er mag sich damit trösten, dass es auch andere gibt, die sich mit dieser bitteren Laune der Natur herumschlagen müssen, die Dunkelziffer wird immer höher, schon aus Scham.

Da im grünen Regierungsteam zu jenem Zeitpunkt, an dem sich die Staatssekretär-Frage stellte, bereits zwei Männer (Kogler, Anschober) und zwei Frauen (Gewessler, Zadić) als Fixstarter galten, war angesichts der einst von Göttin für den alten Macho Moses als Anhang zu den Zehn Geboten in Stein gemeißelten grünen Statuten sofort eines klar: Meichenitsch geht nicht. Denn dann wäre es ja 3:2 für die Männer gestanden, hätte also das Patriarchat wieder einmal seine hässliche Fratze gezeigt. Ein positiver Nebeneffekt wäre allenfalls gewesen, dass damit die stets angemessen hyperventilierende Berichterstattung von in der engstmöglichen Umlaufbahn um sich selbst kreisenden interstellaren Schreibnebeln wie „diestandard.at“ über Monate gesichert gewesen wäre. Aber man kann eben nicht alles haben.

Im Zweifel schlägt auch bei den Grünen Sitzfleisch Expertise.

Es musste also zwingend ein 3:2 für die Frauen sein, das ist nämlich im Gegensatz zum Gegenteil gerecht. Weil … So halt! Und es ist ja auch beileibe nicht so, dass die Grünen 2017 unter anderem wegen ihrer traumwandlerischen Sicherheit bei der Prioritätensetzung aus dem Parlament geflogen wären. Nun gab es aber offenbar keine grüne Frau, die man guten Gewissens ins Finanzministerium setzen konnte. (Wobei: Gernot Blümel sitzt ja auch dort. So what?) Man musste also einen neuen, feminismuskompatiblen Job erfinden. Und schon ward das Kultur-Staatssekretariat wiedergeboren, erstmals seit Franz Morak. Warum die Grünen dann auch noch dringend Lunacek in jenes setzen mussten und nicht etwa die Ex-Rektorin der Akademie der bildenden Künste, Eva Blimlinger, wird für immer ihr Geheimnis bleiben.

Man könnte eventuell mutmaßen, dass auch bei den Grünen im Zweifel Sitzfleisch Expertise schlägt. Aber das wäre ja schon wieder voll gemein.

Jetzt könnte man natürlich noch Folgendes einwenden: Gäbe es kein eigenes Staatssekretariat, wären die Kulturagenden wohl geblieben, wo sie vorher waren – im Kanzleramtsministerium. Und dort sitzt ja Karoline Edtstadler auf dem bisher höchstbezahlten Mascherlposten ihrer glorreichen Karriere. Was genau sie dort zu verantworten hat, ist ziemlich blunzn, sieht sie doch ihre Aufgabe in Wirklichkeit ohnehin nur darin, alles wegzubeißen, was ihrem Herrn und Meister rgendwie im Weg steht – wie sie erst kürzlich wieder mit dem Anpatzen von Gesundheitsminister Anschober eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. In der ganz kurzen Phase vor der endgültigen Angelobung der neuen Regierung, in der Edtstadler auf dem Papier tatsächlich für Kultur zuständig war, hatte sie nichts Dringenderes zu tun, als kanzleramtsbekannte Linksradikale wie Christian Konrad aus Museumskuratorien hinauszuwerfen. So was nennt man bei den Türkisen „Kulturpolitik“, ja.

Man darf also annehmen, dass zumindest einer aus der Partei in der Schule dazu gezwungen wurde, George Orwell zu lesen – daraus aber wenigstens etwas fürs Leben gelernt hat.

Aber die Höchststrafe für Lunacek ist ja, dass man sich angesichts ihrer Performance sogar beim hypothetischen Vergleich mit Edtstadler denken könnte: Wäre auch schon wurscht.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort