Rainer Nikowitz: Rechtshaber

Johann Gudenus klagt die Macher des Ibiza-Videos – und fordert auch gleich dessen Vernichtung. Da ist Justitia aber gefordert!

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Sehr geehrter Volksgerichtshof!

Ich möchte nicht versäumen, zu der Klageschrift, die Sie von meinem Anwalt bekommen haben, diese persönlichen Zeilen hinzufügen. Weil ich Ihnen einfach auf diesem Weg noch einmal verdeutlichen möchte, welche Ungeheuerlichkeit man mir angetan hat. Bitte schließen Sie einmal die Augen, lehnen Sie sich zurück, und lassen Sie sich diese entmenschte Gemeinheit noch einmal auf der Zunge zergehen: Man hat mich so gezeigt, wie ich auf gar keinen Fall jemals gezeigt hätte werden wollen. Man hat mich gezeigt wie – ich bin! Und das vor allen Leuten!

Man hat schon versucht, mir obergescheit daherzukommen, indem man gesagt hat: „Na ja, gut. Hat man dich also in deiner ganzen Pracht hergezeigt. Aber es könnte ja vielleicht auch wen geben, für den das nicht gleich bedeuten würde, dass sich sein bisheriges Leben dadurch in der Sekunde erledigt hat.“ Aber auf solche absonderlichen Anwürfe sage ich nur: Ich kenne keinen. Und ich habe mich, wie Sie wissen, mein Leben lang nur in den besten Kreisen bewegt. Weder meine Politkarriere noch mein sonstiges Geschäftsmodell auf die ungescriptete Version meiner selbst ausgerichtet. Hätte ich den Leuten zeigen wollen, wer ich wirklich bin, dann wäre ich ja damals gleich Animateur in diesem treudeutschen Strand-Club in Warnemünde geworden. Und nicht erst jetzt …

Denn, ja: Schlimmstenfalls könnte es so weit kommen, dass ich arbeiten gehen muss. Ich denke, das sollte das Gericht bei der Abschätzung der Folgeschäden schon auch berücksichtigen. Und abgesehen von der schieren Zumutung dieses Gedankens an sich: Es ist ja noch nicht einmal gesagt, dass mich wer Gescheiter nimmt! Ich kenne Leute, die schon einmal arbeiten waren. Und die haben alle zwei gesagt, dass bei diesen Arbeitgebern schon auch viele dabei sind, neben denen man nicht unbedingt im Schützengraben liegen möchte. Sie sehen also, ich bin durch dieses Video in eine insgesamt wirklich schreckliche, wenn nicht sogar ausweglose Situation geraten. Man hat mit der Veröffentlichung so viele meiner wenn schon nicht wohlerworbenen, so doch zumindest forsch herausgenommenen Rechte verletzt, dass es mir geht, wie wenn mich der Vilimsky Harald wieder einmal danach fragt, warum ihn keiner ernst nimmt: Ich weiß gar nicht, wo anfangen.

Man hat mich gezeigt wie – ich bin! Und das vor allen Leuten!

Ich sehe mich im höchstpersönlichen Recht eines jeden Rechtsaußenpolitikers beschädigt, Wasser predigen und psychotrope Substanzen schnupfen zu dürfen. Ich sehe mich weiters existenzgefährdend darin behindert, zum Erreichen all meiner Zwecke ungestört und unaufgedeckt lügen und betrügen zu dürfen, bis sich die Balken dieses Propaganda-Fake-Baus in Auschwitz biegen. Ich sehe eine Verletzung meiner bedenklichen Verfassung dadurch, dass ich nun nicht einmal mehr wie jeder andere nicht neu Gierige prinzipiell dazu in der Lage wäre, zum Futtertrog vorzustoßen und ihn nicht nur leerzufressen, sondern auch noch auszulecken! Und nie wieder werde ich nach all diesen unautorisierten Ungeschminktheiten auch nur ansatzweise in die Nähe der Möglichkeit kommen, der Dreck unter dem Zehennagel einer rattenscharfen Oligarchin sein zu dürfen!

Das alles fügt sich zu einem ja wohl hoffentlich auch für das hohe Gericht erschütternden Gesamtbild zusammen: Ich bin all meiner Möglichkeiten beraubt, mein Leben wie bisher immer und einzig auf Kosten der Allgemeinheit leben zu können. Und es war beileibe kein schlechtes Leben. Ich ersuche das Gericht, auch dies bei der Bemessung des Schadenersatzes, den ich nunmehr einklage, nicht zu vergessen. Alles, was ich war, wurde mir genommen. Ich bin nämlich mit einem Mal – einer von euch! Und glauben Sie mir: Wenn ich etwas nun wirklich niemals sein wollte, dann das. Und darum verlange ich, das Gericht möge sicherstellen, dass ich wieder in mein altes Leben zurückkehren kann. Ich will wieder der Gudenus sein, bei dessen Erscheinen sich zwar von mir aus wie früher alle auf den Kopf greifen – aber dem man zumindest keine Kleinkinder hinhält, damit sie sehen, was aus ihnen wird, wenn sie ihre biodynamischen Ranunkelsprossen nicht essen. Ich verlange also, dass alle Schnipsel dieses Videos beseitigt werden, überall in diesem Internet. Und wenn man es einmal kurz abdrehen muss dafür! Das kann doch nicht so schwer sein. Außerdem will ich, dass jeder, der es gesehen hat, bei Strafe verpflichtet wird, es wieder zu vergessen!

Sollte sich das alles vielleicht als ein wenig zu kompliziert erweisen, möchte ich aber auch gleich einen Weg zu einem vielleicht für alle Beteiligten sinnstiftenden Vergleich aufzeigen: Ich will einfach zehn Cent für jeden Klick und 20 für jeden Lacher. Das wäre zwar keine Wiedergutmachung der erlittenen Schmach – aber wenigstens ein mit demselben Aufwand wie früher erwirtschaftetes, schönes Einkommen. Und Hand aufs Herz: Was will der Mensch im Endeffekt denn mehr?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort