Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Secret Service

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Wenn man abgesehen von der ehrlichen, unverfälschten Liebe zu allen Menschen und dem selbstlosen Wunsch, das Leben für jeden einzelnen dieser Menschen ein wenig lebenswerter gestalten zu wollen, also neben ihrem weithin bekannten und geschätzten Altruismus Maria Fekters, noch eine besondere Triebfeder für ihre politischer Tätigkeit hervorheben mochte, dann ja wohl diese: Ihr war immer schon wahnsinnig viel an der Bewahrung, ja sogar dem Ausbau sämtlicher bürgerlicher Freiheiten gelegen.

Darum hatte die Mitzi auch stets schwer darunter gelitten, dass man an der Basis ihrer Partei – also zum Beispiel unter dem Stammtisch des Lagerhausstüberls, wenn es gerade zu feiern galt, dass man sich bei der Almvermessung leider ein wenig vermessen hatte – das Wort „liberal“ eher mit einem zwangsoriginellen Fischgericht in Verbindung brachte, als mit einer gesellschaftspolitischen Idee.

Schon von Rasterfahndung und Lauschangriff hatte die Mitzi damals nichts hören wollen. Transparenzdatenbanken jeder Machart waren ihr ein Gräuel. Zwangshaartests für möglicherweise kiffende Mittelschüler, eine Lieblingsidee ihrer Nachfolgerin im Innenministerium, lehnte sie als dumpfe Allmachtsfantasie eines leider nur allzu schlichten Geistes ab – denn Fekter, die Freiheitsheldin, war mit Sicherheit kein schlichter Geist. Darum hatte sie sich ja auch mit Verve gegen diese furchtbare Vorratsdatenspeicherung gestemmt, die allem möglichen dienen mochte – aber sicherlich niemals einer effizienten Terrorbekämpfung. Und wenn es einen Satz gab, mit dem man sie mit absoluter Sicherheit sofort zur Weißglut bringen konnte, dann ja wohl den: „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ Was für ein Glück, dass den niemals niemand in der ÖVP gesagt hatte, als all diese unglücklichen Schnüffelaktionen im Parlament debattiert und schließlich durchgewunken worden waren. Mitzi hätte widrigenfalls ja glatt die Partei wechseln müssen!

Aber jetzt, nach all den Jahren des unverdrossenen Einsatzes für die Freiheit des Einzelnen, für den Schutz vor einem immer mehr ausufernden Überwachungsstaat, jetzt stand Mitzi vor ihrer schwersten Prüfung. Und zum Glück konnte sie hiebei nicht nur auf die Unterstützung ihres eigenen Parteichefs, sondern auch auf die des ebenso bekannten Bürgerrechtlers Werner Faymann zählen. Denn jetzt ging es wirklich ans Eingemachte: ans Sparbuch der Oma!

Ruchlose Ränke wurde in Brüssel gespielt, einzig und allein mit dem Ziel, unser Bankgeheimnis zu kippen und den Kontostand der lieben Großmutter, der darob natürlich landesweit vor lauter Schock das Strickzeug aus dem Schaukelstuhl fiel, zentral zu erfassen! Gesichtslose Herren in grauen Anzügen warteten gierig darauf, sich das mühsam Ersparte jener Frau, die Österreich wieder aufgebaut hatte, zuerst zwar nur virtuell, aber im nächsten Schritt sup-ranationaler Willkür sicherlich auch tatsächlich anzueignen, wahrscheinlich, um damit zypriotische Schattenbanken zu retten.

Und sie schreckten dabei vor keiner noch so dreisten Lüge zurück: So behaupteten sie etwa, es ginge gar nicht um die aufopfernde Altvordere, die ihr Leben lang nur für die Kinder und die Familie da gewesen war, sondern um Abermilliarden, die im Ausland gelinde gesagt steuerschonend verdient worden waren und nunmehr auf österreichische Diskretion zählen konnten. Es ginge also gar nicht um das Wohlergehen der grauen Zöpfe auf ihren Bankerln – sondern vielmehr um jenes der grauen Töpfe auf unseren Banken!

Ja, klar. Natürlich lag Mitzi, als sie zu allem entschlossen in Brüssel einritt, schon auch die Frage auf der Zunge, wie denn bitte unsere Banken sonst suprige Fremdwährungskredite für ungarische Häuslbauer finanzieren sollten, wenn nicht mit bei ihnen geparktem Schwarzgeld – auf den bekannt humorlosen internationalen Finanzmärkten etwa? Und wie man sich bitte das mit dem nächsten beinharten Banken-Stresstest vorstellte, wenn nach dem Fall des Bankgeheimnisses das Geld woanders hinwanderte?

Aber diese Fragen würde Mitzi in Brüssel natürlich nicht stellen.
Sie war aus einem anderen Grund hier: Als Secret Service, abgestellt zum Schutz von Omas Freiheit. Und sie würde hier und heute erbarmungslos alles tun, was nötig war. Jede britische Insel versenken, jede amerikanische Oase mit ihren Argumenten zuschütten, Schäuble die Reifen aufstechen und der Franzose, der die Frechheit gehabt hatte, Österreich mit einer schwarzen Liste zu drohen, der konnte ja überhaupt was erleben!
Als Mitzi seiner ansichtig wurde, reckte sie die österreichische Fahne in ihrer Faust entschlossen gen Himmel und rief: „Liberté!“ Das kam dem Franzosen natürlich bekannt vor. Bis auf einen Unterschied: Marianne, die französische Revolutionsikone, auf die diese Österreicherin hier so schrecklich plump anspielte, hatte entschieden weniger an…

Die folgenden Verhandlungen waren mit die härtesten, die Brüssel je gesehen hatte.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort