Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Wahl. Hilfe!

Wahl. Hilfe!

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Reifeltshammer wusste nicht, wen er wählen sollte. Es waren nur mehr vier Wochen, aber es wollte ihm einfach kein Licht aufgehen. Reifeltshammer hatte aber auch den besten aller Gründe für seine elektive Ratlosigkeit: Er konnte sich nicht entscheiden, weil er alle so super fand.

Wenn Werner Faymann seine Bereitschaft bekundete, sich furchtlos vor den praktisch ungebremst heranrasenden Zwölf-Stunden-Arbeitstag zu werfen und ihn zu stoppen, spürte auch Reifeltshammer unter dem Ärmel seines Kunstfaser-Hemdes den starken Arm schwellen. Dann musste Norbert Darabos, der Navy Seal aus der Parteizentrale, nur noch mit diesem männlich-verächtlichen Zucken im linken Mundwinkel das Codewort „Millionärssteuer“ dazuspucken, um Reifeltshammer in einen wahren Gerechtigkeitsfuror zu versetzen. Er war dann immer so aufmunitioniert, dass er ohne mit der Wimper zu zucken für die Franken-Kredite der Linzer SPÖ gebürgt hätte. Oder sich sogar ein bezahltes Abo von „Heute“ besorgt hätte. Vor allem aber war ihm in dieser Sekunde sonnenklar, wem seine Stimme gehörte.

Allerdings nur so lange, bis er den nächsten Auftritt Michael Spindeleggers erleben durfte. Wenn der Vizekanzler, die gefährliche Mäusefaust entschlossen geballt, donnerte, er werde jetzt die Wirtschaft endlich von den Fesseln befreien, die die ÖVP offenbar bedauerlicherweise in den vergangenen 27 Regierungsjahren übersehen hatte, dann bekam Reifeltshammer fiebrige Shades-of-Grey-Politvisionen. Zum vollendeten Glück fehlte dann nur noch Maria Fekter, die zum Beispiel gerade die Hypo-Rettung um noch ein paar Milliarden teurer redete. Wobei, nicht einmal das musste sie, bei der Maria reichte es Reifeltshammer schon, wenn er sie einfach nur sah. Dass jetzt auch noch alte Hüte hervorgezaubert wurden, mit denen versucht wurde, den stets ehrlichen Christen illegale Parteienfinanzierung umzuhängen, focht ihn dann nicht mehr an. Im Gegenteil. Er war da ganz bei der stets klug formulierenden Johanna Mikl-Leitner, die sagte: „Das ist Kraftfutter für unsere Funktionäre.“
Aber auch diese haltlose Begeisterung hielt leider nur, bis sie von einer anderen überfremdet wurde. Und wer wäre dazu besser geeignet gewesen als H. C. Strache? Nicht erst einmal hatten wohlerzogene Securitys Reifeltshammer im letzten Moment gestoppt, wenn er, rasend vor Zuneigung, die Bühne stürmen wollte, um H. C. zu küssen und zu herzen. Zu Hause hatte er den Oben-ohne-Starschnitt dieses Popstars, dieses Andreas Gabalier der österreichischen Innenpolitik, an der Wand – und er zwang seine türkische Putzfrau bei jedem ihrer Besuche, ihn abzustauben. Ja, Reifeltshammer überlegte sich sogar, im zweiten Bildungsweg eine andere berufliche Karriere zu starten, sich für einen Job zu qualifizieren, der ihn seinen blauen Freunden noch deutlich näherbringen würde: Er wollte Bewährungshelfer werden!

Doch es kam, wie es kommen musste, wenn man so gestrickt war wie Reifeltshammer. Schon ein Einkaufsbummel in der neu gestalteten Mariahilfer Straße reichte, um ihn wieder aus der an sich schon so festen Bahn zu werfen – und sich ein belämmertes grünes T-Shirt überzustreifen. Außerdem war Reifeltshammer ohnehin fest entschlossen, ein besserer Mensch zu werden – selbst, wenn man ihn dazu zwänge und er danach pleite wäre. Und auch für seinen Oberkörper musste er dringend etwas tun, seit er von dessen sagenumwobenen Pendant gehört hatte, das Volker Piesczek-Glawischnig mit sich herumtrug. Leider gehörte Reifeltshammer allerdings keiner Gruppe an, die man zumindest irgendwie als unterdrückte Minderheit identifizieren hätte können. Aber er beschloss, nach der Wahl umgehend einer beizutreten.

Doch dann kam ihm leider wieder einmal ein Interview mit Frank Stronach in die Quere – und es war um ihn geschehen. Reifeltshammer zeichnete jeden Fernsehauftritt seines Idols auf und verbrachte dann Stunden oder gar Tage mit dem Versuch, zu verstehen, was Frank da gesagt hatte – allein, er schaffte es nicht. Die schiere Größe des unglaublich bescheidenen, weisen Alten war für einen wie den Reifeltshammer schlicht zu gewaltig. Aber er musste ja nicht alles verstehen. Genau deshalb kandidierte ja nicht er, sondern eben der Frank. Der verstand es.
Aber kaum war ein wenig Ruhe in Reifeltshammers Wahlkampfchaos eingekehrt, sah er bei einer roten Ampel ein Plakat mit Josef Bucher. Diese unendliche Traurigkeit, die dieser Mann ausstrahlen konnte! Ganz egal, was er sagte, ganz egal, was er wollte – Reifeltshammer musste BZÖ wählen. Denn wer bitte würde es denn sonst tun?

Doch dann, in dieser Phase der absoluten Sicherheit, trat wieder Werner Faymann im Fernsehen auf … Und dann kam der Spindi … Und schon ging alles von vorn los. Reifeltshammer wusste wieder nicht, wem er seine Zuneigung schenken sollte. Es war zum Verzweifeln.

Den einzigen Trost fand Reifeltshammer in einer unumstößlichen Tatsache: Den meisten anderen Wählern ging es ja wohl haargenau so wie ihm.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort