Rainer Nikowitz: Wahlweise

Rainer Nikowitz: Wahlweise

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Es gehen ja wirklich viele davon aus, dass man in einem Wahlkampf noch jede Menge Stimmen gewinnen kann – neben den wahlwerbenden Parteien vor allem noch die wahlwerbenden Parteien. Und nachdem die FPÖ bereits vorvergangene Woche mit ihrer üblichen volkstümelnden Hitparade auf dem Viktor-Adler-Markt – diesmal nur aufgepeppt durch die neue Chartstürmerin Ursula Stenzel – vorgeprescht war, stürzten sich vergangene Woche endlich auch die anderen Parteien mit bislang sicherlich großflächig schmerzlich vermisster Verve in ebendiesen Wahlkampf um Wien. Dabei konnten eigentlich alle voll überzeugen – was die Entscheidung der subtil Umworbenen natürlich erst recht wieder um keinen Deut leichter macht.

Beginnen wir mit den Kleinparteien – und hier wiederum mit der ÖVP. Die hat unter den um die Brosamen auf dem Wählermarkt ritternden Listen zwar durchaus den Vorteil eines Alleinstellungsmerkmals – sie ist die einzige, die sich den fünf Prozent, die man mindestens zum Einzug in den Gemeinderat benötigt, von oben annähert –, aber natürlich ebenso wie die unmittelbare Konkurrenz das Problem eines gewissen Aufmerksamkeitsdefizits beim Publikum. Klar, dass man da in die Vollen greifen muss: Einpeitscher Reinhold Mitterlehner attestierte Manfred Juraczka – den werden Sie jetzt vielleicht nicht kennen; und wenn doch, werden Sie ihn jedenfalls nach dem 11. Oktober bald wieder vergessen haben –, er sehe mindestens so gut aus wie HC Strache, sei aber besser angezogen.

Und wenn das irritierenderweise kein ausreichendes Argument sein sollte, dann sei an die wohl schönste von Juraczkas „50 Ideen für Wien“ erinnert, die er kürzlich präsentierte: eine Seilschwebebahn auf die Penzinger Sophienalpe. Die ist immerhin 477 Meter hoch, also ziemlich hui. Juraczka posierte denn auch zu „Vienna Calling“ – was Falco dazu gesagt hätte, kann man sich ziemlich lebhaft vorstellen – über alle Maßen strahlend und mit einem beidhändigen Victory-Zeichen. Beidhändig deshalb, weil er damit auch gleich sein großes Wahlziel sehr schön verdeutlichen konnte: Bittebittebitte – lasst mich zweistellig bleiben!

Bei der anderen ÖVP, also NEOS, wurde auch nicht gerade gekleckert. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger, die offenbar im selben Adrenalinpool wie Matthias Strolz ihre Morgenrunden schwimmt, verkündete einigermaßen lautstark: „Ich will Bürgermeisterin von Wien werden!“ Eine Ansage, die ein wenig an den mit einiger Beharrlichkeit vom kleinen Drachen Grisu vorgetragenen Berufswunsch „Ich will Feuerwehrmann werden!“ erinnert, wenngleich dessen Chancen auf Verwirklichung um die eine oder andere Tausenderpotenz günstiger stehen dürften. Dann bearbeitete Meinl-Reisinger eine rote Mauer mit einem Vorschlaghammer und holte schließlich ihre Mitstreiter zum gemeinsamen Can-Can-Tanzen zu „I’ve Been Looking For Freedom“ von David Hasselhoff auf die Bühne. Geschmack kann man nun einmal nicht kaufen, nicht einmal in einem noch so liberalisierten Markt. Einzig „The Hoff“ wird es wurscht gewesen sein, der hat schließlich auch schon den „Musikantenstadl“ überstanden, dem Vernehmen nach sogar, ohne wieder mit dem Saufen anzufangen.

Da die Grünen ja bekanntlich ein unangepasster Haufen von wilden Hund_innen sind, fiel ihr Wahlkampfauftakt natürlich nicht so erwartbar und unoriginell aus, wie bei allen anderen. Nein, unter einem voll spontanen und total coolen Flashmob auf ihrem manifesten Beitrag gegen grauslichen Neoliberalismus und unnachhaltigen Konsumismus – also dem neugestalteten Shoppingparadies Mariahilfer Straße – können es die Grünen nicht machen. Das sind sie ihrem Selbstbild – auf dem nicht wie schon öfter kolportiert Dorian Gray zu sehen ist, sondern vielmehr Julian Schmid, also jenes grüne Plakatmodel, dessen wichtigstes politisches Asset es ist, irgendwie total süß zu sein – nun einmal schuldig. Begleitet von einer Band, die eher unentschlossen zwischen „Take Five“ und „Get Lucky“ oszillierte, folgten die Grünen einem Meer großer, von ihnen selbst erzeugter Seifenblasen. Und dann gab es zum Glück doch noch Reden von Eva Glawischnig und Maria Vassilakou, dem Vernehmen nach kamen darin vor allem die Begriffe „FPÖ“ und „Rotgrün“ vor.

Bleibt noch der Titelverteidiger. Die SPÖ versuchte, auf der von unserem formidablen Nationalteam erzeugten Welle der Fußballbegeisterung mitzusurfen und inszenierte ihren Wahlkampfauftakt als „Ankick 2015“, mit Fahnenmeer, in roten Dressen auflaufenden jungen Menschen und schließlich: dem „Teamchef“. Wäre es Marcel Koller, wäre die Absolute wohl gebongt – aber auch Michael Häupl wurde von den Ultras immerhin mit Standing Ovations gefeiert. Dem Vernehmen nach kam in seiner Rede vor allem der Begriff „FPÖ“ vor, „Rotgrün“ hingegen nicht. Aber dass er vorher bei der Kabinenpredigt allen seinen Stadträten eine Jobgarantie über den 11. Oktober hinaus gegeben haben soll („Die Null muss stehen!“), ist nur ein Gerücht.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort