Rainer Nikowitz: X-Men

Rainer Nikowitz: X-Men

Die FPÖ hat natürlich zur Vorbereitung auf den Weltuntergang am „Tag X“ nicht bloß Gold gehortet.

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In der Pension Enzian hatte jeder der Auserwählten sein spezielles Aufgabengebiet. Am allerwichtigsten war natürlich die Sicherheit. Denn was hätte es denn genützt, wenn sich die FPÖ als verantwortungsvollste aller Parteien zwar gewissenhaft auf den Weltuntergang vorbereitet hatte, aber dann die marodierenden Horden mit ihrem Eindringen in die Alpenfestung alles zunichtegemacht hätten?

Klarerweise war für diese Aufgabe niemand besser geeignet als Rambo Kickl. Er hatte sich, weitblickend, wie er nun einmal war, rechtzeitig von Donald Trump die Baupläne für seine Mauer gecheckt, hinter der sie sich jetzt alle so sicher fühlen konnten wie in Beowulfs Schoß. Außerdem patrouillierte Rambo ja mit seiner Hightech-Armbrust permanent auf der Mauerkrone, was dazu geführt hatte, dass sich die linken Zombies in all den Jahren, in denen die FPÖ-Elite nun schon auf bessere Zeiten wartete, nicht ein einziges Mal blicken hatten lassen. Sie wussten natürlich, was ihnen ansonsten geblüht hätte, denn schließlich traf Herbert mit seiner Armbrust jede Kakerlake auf zehn Meter zwischen die Augen. Das hatte er schon mehrfach unter Beweis gestellt, denn manchmal entkamen welche aus der hauseigenen Proteinproduktion – aber dank Herbert eben nie weit.

Vor ein paar Jahren war leider einmal die Stenzel Uschi in die Schussbahn geraten, weil sie über eine leere Flasche gestolpert war.

Vor ein paar Jahren war leider einmal die Stenzel Uschi in die Schussbahn geraten, weil sie über eine leere Flasche gestolpert war. Aber im Krieg musste man eben Opfer bringen. Und es war zum Glück ohnehin nichts weiter passiert, denn erstens war nicht bald eine so schmerzbefreit wie die Uschi, und zweitens war der Pfeil ohnehin an ihrer Leber abgeprallt.

Manchmal flachste Dominik Nepp, der sonst für nichts zu gebrauchen war und darum den Posten des Kasperls zugewiesen bekommen hatte, durch die Mauer und ihren Bewacher werde es ihnen hier drin dereinst ergehen wie diesem japanischen Soldaten, der 30 Jahre im philippinischen Dschungel ausgeharrt hatte, weil ihm keiner gesagt hatte, dass der Zweite Weltkrieg schon aus war. Da lachten sie dann alle recht. Und das war auch gut und wichtig so, denn wegen des acht Meter hohen Betons rund um sie herum bekamen sie auch eher wenig Sonnenlicht ab – also war Nepp so etwas wie ihre Medizin gegen die endlose Winterdepression.

Da konnten sie nur froh sein, dass sie keine Paranoiker in ihren Reihen hatten, weil: nicht auszudenken!

Von zentraler Bedeutung war natürlich auch die Nahrungsversorgung – und hier erwies es sich als wahrer Glücksfall, dass Norbert Hofer schon in jener Zeit, in der er irrtümlich die Parteiführung von HC Strache übernommen hatte, stets eher an einen Praktikanten erinnert hatte, der von Herbert Kickl zum Wurstsemmelholen abkommandiert wird. Es zeigte sich rasch, dass niemand sonst aus Astronautennahrung, zehn Jahre lang haltbarem Dosenbrot und Trocken-Ei einen dermaßen wohlschmeckenden Auflauf zubereiten konnte wie der Norbert. Ein kleiner Nachteil war möglicherweise, dass es den jeden Tag gab – außer die Kakerlaken waren gerade reif. Und ein weiterer, dass auf dem Verdauungsschnapsvorrat die Uschi die Hand drauf hatte. Und dass dem Norbert nach vier Jahren das Salz ausgegangen war, hatte sich geschmackstechnisch auch nicht gerade als Bringer erwiesen. Normalerweise wäre man in so einer Situation ja einfach zum Nachbarn gegangen und hätte sich eines ausgeborgt. Aber dann wäre der erstens vielleicht auch einmal vor der Tür gestanden und hätte vielleicht einen Kurzschluss im Hochspannungsstolperdraht ausgelöst. Oder man hätte ihn bezahlen müssen. Aber einen Goldbarren ausgeben für ein bisschen Salz? Also nein. Da ließen sie dann doch lieber den Nepp sechs Stunden auf dem Fahrrad-Generator strampeln und in die Pfanne schwitzen. Aber nur an hohen Feiertagen.

Mit dem erzeugten Strom versuchten sie natürlich schon auch manchmal, Radios oder Fernseher zu betreiben, um zu erfahren, was draußen los war. Denn was damals genau passiert war, nachdem der Befehl ausgegeben worden war, sich wegen Gefahr im Verzug sofort in die Festung zu begeben, hatten sie nie herausgefunden. Es war auch nicht mehr ganz klar, wer in der Partei den Befehl erteilt hatte. Da konnten sie nur froh sein, dass sie keine Paranoiker in ihren Reihen hatten, weil: nicht auszudenken!

Besser, man war unter sich. Egal wo.

Aber der Konsum der Fake-News-Medien war natürlich in keiner Weise erhellend. Die verloren ja kein Wort über den Weltuntergang. Hatte ihnen der Soros wahrscheinlich wieder einmal nicht erlaubt.

Aber auch ohne diese Informationen ging es ihnen eigentlich hervorragend da drin. Besser als es ihnen draußen jemals gegangen wäre. Denn draußen waren ja noch welche aus anderem Holz – und welcher aufrechte Blaue konnte das denn brauchen? Besser, man war unter sich. Egal wo. Wobei, einen kleinen Wermutstropfen gab es doch. Trotz der akribischen Vorbereitung und obwohl sie nun wirklich an praktisch jedes noch so unwichtig erscheinende Detail gedacht hatten, war ihnen nach ungefähr eineinhalb Jahren aufgefallen, dass sie draußen leider etwas vergessen hatten.

Harald Vilimsky.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort