Robert Buchacher

Robert Buchacher Licht, aber auch Schatten

Licht, aber auch Schatten

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Der Innsbrucker Pathologe Georg Wick beschrieb erst kürzlich im „profil“ die Erfolgsgeschichte der Impfungen: „Die Menschheit hat im 20. und 21. Jahrhundert so viele Jahre an mittlerer Lebenserwartung gewonnen wie in den letzten 10.000 Jahren davor. Impfungen haben zu dieser Tatsache wesentlich beigetragen.“ Daneben waren freilich auch nichtmedizinische Faktoren im Spiel, wie etwa Hygiene, Wohlstand und Bildung. Aber dass Medizin und Medikamente bei der Steigerung der allgemeinen Lebenserwartung eine zentrale Rolle spielen, bestreitet niemand. Viele heutige Menschen wären wahrscheinlich ohne Impfungen, Antibiotika und andere segensreiche Arzneien gar nicht am Leben. Aufgrund meines Alters (Jahrgang 1943) habe ich selbst unmittelbar nach dem Krieg Zeiten erlebt, wo Impfungen und Medikamente noch Mangelware waren. Viele Kinder sind beispielsweise an Nasendiphterie gestorben, einer Erkrankung, die sie im Zusammenhang mit Scharlach entwickelten. Als einer meiner Brüder Anfang der fünfziger Jahre mit Lungen- und Rippenfellentzündung darnieder lag, heulte meine verzweifelte Mutter am Krankenbett, weil auch der dritte Arzt, den sie zu Rate gezogen hatte, ihr wenig Hoffnung machen konnte. Mein Bruder überlebte, aber viele andere Kinder sind in diesen Jahren an Infektionen gestorben, die heute aufgrund wirksamer Therapien gar kein Problem mehr darstellen.

Das sollten Medizinjournalisten zumindest im Hinterkopf haben, wenn sie kritische Artikel über Impfungen oder nutzlose Wirkstoffe schreiben. In der Welt der Pharmazeutika gibt es aber zweifellos nicht nur Licht-, sondern auch Schattenseiten, etwa, wenn gravierende Nebenwirkungen den Nutzen von Medikamenten überwiegen oder wenn die versprochene Wirkung gar nicht eintritt. Und nicht selten bringen aggressive Marketingleute die Wirkstofforschung in Verruf, wenn sie mit zweifelhaften Methoden Ärzte oder Selbsthifleorganisationen für die Vermarktung ihrer Produkte ködern.
Als kritisches Nachrichtenmagazin, als das sich profil versteht, können wir nicht die eine Seite beleuchten und die andere verschweigen, daher fokussieren wir auf beide: Wir beschreiben die Bestrebungen von Pharmaunternehmen, immer gezielter ansetzende und damit wirksamere Medikamente zu entwickeln. Wir zeigen auf, wie es durch Früherkennungsprogramme und mit Hilfe neuartiger Medikamente gelingt, die Sterberate bei Brustkrebs zu senken. Eigentlich, so sagen uns die Experten, wäre der Brustkrebs besiegbar, sofern man das Karzinom in jedem Fall frühzeitig entdecken würde. Bei Früherkennung liegen Heilungsraten schon um die 90 Prozent, sagen damit befasste Ärzte: Eine Erfolgsgeschichte im engen Zusammenwirken von Forschung, Industrie und Gesundheitsbehörden.

Und vielleicht wird auch noch die Impfung gegen die Neue Grippe eine Erfolgsgeschichte – obwohl wir vorerst in unserer Titelgeschichte „Schwindel mit der Schweinegrippe“ über merkwürdige Vorgänge rund um die von der WHO ausgerufene Pandemie und seltsame Verbindungen zwischen Pharmaindustrie und bisher hochrenommierten Organisationen im Gesundheitsbereich berichten mussten. Ich persönlich bin jedenfalls ein Impfbefürworter und lasse mir die zwei Stiche gern verpassen.