Satire

Betreutes Wählen

Es kann nicht angehen, dass die Leute einfach so daherwählen, was sie wollen. Zum Glück greifen jetzt die Erziehungsberechtigten ein – die „Zivilgesellschaft“.

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So, jetzt ist es passiert. Die Wahl ist gelaufen. Aber nicht so, wie Sie jetzt wahrscheinlich glauben – umfragenhörig, wie Sie sind. Denn: Jetzt schaltet sich endlich die „Zivilgesellschaft“ in den Wahlkampf ein. Mit drastischen Warnungen davor, die FPÖ zu wählen und auch gleich ein bisschen Rohrstaberl-Pädagogik für die Uneinsichtigen. Darauf hat das Wahlvolk natürlich schon sehnsüchtig gewartet – und die Blauen sind damit klarerweise erledigt.

Die „Zivilgesellschaft“, die sich – keineswegs anmaßend – selbst irgendwann einmal diesen Titel verliehen hat, ist

ja, obwohl ihr Name Gegenteiliges suggeriert, eher kein Verein, in dem alle Bürger Mitglieder sein dürfen. Sondern nur die mit den richtigen, also eher linken Ansichten, vor allem beim Thema Migration. Angeführt wird die Zivilgesellschaft von einem Kreis von sendungsbewussten Promis, die völlig richtigerweise davon ausgehen, dass sie kraft ihrer eminenten Wichtigkeit nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht haben, den Leuten mittels gänzlich unpräpotentem Paternalismus zu erklären, was sie zu wählen haben, um nicht zum Demokratiefeind erklärt zu werden. Das ist ja schon lange das linke Erfolgsrezept par excellence, wie unschwer an quasi jedem Wahlergebnis der letzten Jahre erkennbar. Wie? Die vereinigten Programme von SPÖ, Grünen und KPÖ sprechen offensichtlich insgesamt gerade einmal ein Drittel der Wähler an? Daran können nicht die Programme schuld sein – es sind natürlich die Wähler! Also muss man die erziehen, was denn sonst?

Die Wahl ist gelaufen. Aber nicht so, wie Sie glauben!

Eine der Initiativen hat „einige Zehntausend Euro“ gesammelt, die jetzt in Inserate in diversen Regionalblättern investiert werden sollen, in denen schlicht steht: „Wählt nicht FPÖ!“ Der „Standard“ ist ganz begeistert von dieser Idee, denn diese Blätter würden schließlich viel gelesen. Das stimmt. Und es ist auch mit absoluter Sicherheit davon auszugehen, dass es den tumben Landeiern wie Schuppen von den Augen fallen wird, wenn ihnen die geistig doch eindeutig überlegenen Wiener Großkopferten erklären, wen sie nicht zu wählen haben. Das geht garantiert runter wie Öl.

Ebenfalls im „Standard“ erschien vergangene Woche ein Gastkommentar, der von den Hauptprotagonisten der kommenden Burgtheater-Produktion „Burgtheater“ unterzeichnet wurde, also etwa Elfriede Jelinek, Milo Rau oder Mavie Hörbiger. Die haltlos reaktionäre „Presse“ mutmaßte zwar, Jelinek habe den Text womöglich vorher gar nicht gelesen – weil er sonst besser geschrieben gewesen wäre. Aber das ist natürlich Beckmesserei. Mit welch stilistischer Brillanz hier nicht nur Äpfel und Birnen, sondern auch noch Kraut und Rüben zu einem ergreifenden antifaschistischen Erlebnisaufsatz zusammengemanscht wurden, das sucht schon seinesgleichen.

Und: In dieser denkwürdigen Streitschrift wird nicht nur die FPÖ hart kritisiert – sondern auch die eigene Kaste! Die „Gleichgültigkeit“, mit der die Kunst- und Kulturlandschaft zur unmittelbar bevorstehenden Machtübernahme der Nazis schweige, sei „beunruhigend“. Nun muss einem dieses angeblich so dröhnende Schweigen nicht unbedingt aufgefallen sein. Aber spätestens seit all den wirklich gewinnbringenden Gaza-Expertisen, mit denen uns politisch mindestens viertelgebildete Kunstschaffende seit geraumer Zeit beinahe flächendeckend die kolonialistisch verklebten Äuglein öffnen, sage ich: Unbedingt mehr davon!

Aber wenigstens auf Milo Raus unbeugsame Revolutionäre ist Verlass. Die werden es nämlich nicht zulassen, „dass aus Selbstgerechtigkeit und Gleichgültigkeit – noch einmal – Mitläuferinnen- und Mitläufertum wird.“ Soll heißen: Dieser Hitler hätte sich ordentlich warm anziehen können, wenn er nicht all diesen erbärmlichen Feiglingen gegenübergestanden wäre – sondern stattdessen den überreich mit Gratismut ausgestatteten Held:innen von heute. Denn die sagen: „Bis hierher und nicht weiter! Keine einzige Stimme für die FPÖ!“

Auch das wird voll aufgehen, daran besteht nicht der geringste Zweifel.

Und die neueste „zivilgesellschaftliche“ Initiative geht so: Einige zig Promis, wiederum vor allem aus dem Kulturbereich, schreiben alle Kandidaten für den Nationalrat an – außer jene der FPÖ. Sie werden aufgefordert, eine beiliegende Erklärung zu unterfertigen, in der sie garantieren, keine Koalition mit der FPÖ einzugehen. Diese Erklärungen werden dann im Internet veröffentlicht – und wer sich nicht wohl verhält, kommt an den Pranger der Unveröffentlichten. Dieses Damoklesschwert ist klarerweise vor allem für die ÖVP gedacht. Die aber wiederum gefühlt die einzige Partei ist, die zumindest versucht, der FPÖ nicht nur mittels in Dauerschleife laufendem, pathosschwangerem Geraune vom Untergang der Demokratie das Wasser abzugraben, sondern vor allem mit neuen Migrationshindernissen, die sich die Bevölkerung nun einmal mehrheitlich wünscht. Aber auch das sieht die „Zivilgesellschaft“ gar nicht gern, das hat sie schließlich nicht genehmigt. Also: Seien Sie gewarnt!

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort