Leitartikel

Sebastian Kurz ist wieder da! Oder?

Ein mögliches Comeback von Sebastian Kurz ist Polittratschthema Nummer eins. Ob es wahr werden kann, liegt nicht nur an seinem Willen: Das Korruptionsstrafrecht wurde geräuschlos reformiert, es bringt Verschärfungen der Wählbarkeit bei Verurteilungen mit sich.

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Er ist wieder zurück. Oder war nie weg. Ex-Kanzler Sebastian Kurz betritt wieder die große Bühne. Gleich zwei Filme über ihn kommen ins Kino. Über den einen, „Kurz – der Film“, zeigte sich der Ex-Kanzler so erfreut, dass er die Premiere mit rund 500 Gästen feierte. Das A und O der türkisen und schwarzen ÖVP kam, von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel bis Kanzler Karl Nehammer. Auch seine engsten Wegbegleiter wie Ex-Finanzminister Gernot Blümel, Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli oder Ex-Strategieberater Stefan Steiner traten am roten Teppich auf. Diese Wegbegleiter haben eines gemeinsam: Sie sind Beschuldigte in Korruptionsverfahren, und sie haben ihre Scham abgelegt, nachdem sie die Öffentlichkeit lange gemieden hatten. Der Auftritt vergangenen Mittwoch sagte ganz klar: Wir werden uns nicht mehr verstecken. Und viele andere demonstrierten mit ihrer Anwesenheit: Sie haben unsere Unterstützung.

Aber wie sehr sind sie wieder da? Will Kurz zurück in die Politik? Er selbst verneint das zwar – aber wie sollte er derartige Fragen auch anders beantworten? In der ÖVP selbst ist eine mögliche geplante Rückkehr jedenfalls Tratschthema Nummer eins – Gift für Kanzler Karl Nehammer, der für das kommende Wahlkampfjahr geschlossene Reihen braucht, um maximale Aufmerksamkeit beim Wahlkampfvolk für sich zu erzeugen. Ein Vorgänger, der ständig hineinfunkt, ist da nur wenig hilfreich.

Nun ist es sehr unwahrscheinlich, dass Kurz plant, Nehammer (wie einst Mitterlehner) abzusägen, um bei der kommenden Nationalratswahl im Herbst 2024 selbst als Spitzenkandidat anzutreten. Die Zeit für ein solches Vorhaben wäre sehr kurz, außerdem gäbe es da noch eine Kleinigkeit: eine Anklage wegen Falschaussage, die Anfang Oktober in Runde eins geht. Dazu wabern noch immer die Ermittlungen wegen Inseratenkorruption – wann und ob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu einer Anklage kommt, ist unklar. Sollte aber auch das irgendwann mit einem Freispruch enden, ist nicht unwahrscheinlich, dass Sebastian Kurz versuchen wird, wie Phönix aus der Asche zu steigen. Er fühlt sich ungerecht behandelt und will zurück, was ihm (seiner Meinung nach) zu Unrecht genommen wurde: den Kanzlersessel. Dass er hartnäckig ist und einen langen Atem hat, bewies er mehrfach.

Gewählte Volksvertreter sollten doch einigen Minimalanforderungen genügen. Immerhin muss man für viele Berufe einen unbefleckten Leumund vorlegen.

Es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit: Verurteilung. Und da ist mitten im Sommerloch etwas Interessantes passiert: Schwarz-Grün hat das Korruptionsstrafrecht reformiert. Damit geht auch eine Verschärfung der Bestimmungen zur Wählbarkeit in der Nationalratswahlordnung und in der Europawahlordnung einher. Sie bringt einen (zeitlich begrenzten) Verlust der Wählbarkeit bei Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen eines Korruptionsdelikts des öffentlichen Bereichs. Es ist dabei egal, ob die Strafe bedingt oder unbedingt ausgesprochen wurde. Weiters können Politiker in Funktionen vom Bundespräsidenten abwärts vom Verfassungsgerichtshof ihrer Ämter enthoben werden. Nun gibt es ja derzeit in mehreren Parteien hochrangige Beschuldigte, gegen die Ermittlungen laufen – etwaige Verurteilungen könnten einige Personen in der Zukunft den Job kosten. Allerdings: Wer verurteilt wird und nicht freiwillig zurücktritt, hat sowieso etwas nicht verstanden.

In Amerika wäre all das nicht möglich: Dort darf jeder kandidieren, auch aus dem Gefängnis, egal wie oft und wofür er verurteilt wurde. Man wird noch sehen, was Ex-Präsident Donald Trump in den nächsten Jahren plant. Die Denkschule dahinter: Das Volk allein soll entscheiden, was und wen es als Anführer möchte, auch wenn dieser vorbestraft ist.

Die andere Philosophie: Gewählte Volksvertreter sollten doch einigen Minimalanforderungen genügen. Immerhin muss man für viele Berufe einen unbefleckten Leumund vorlegen – warum sollte das also nicht auch für die höchsten Vertreter des Staates gelten?

„Die Grenze ist das Strafrecht“, hat Kurz einmal gesagt. Ja, das stimmt, aber die Unterkante – und wie man gesehen hat, sind diese Grenzen auch nicht unverrückbar, wurden mit dieser Reform gerade neu gezogen. Außerdem sollte man sich im Leben prinzipiell nicht am Schlechteren orientieren, sondern sich nach der Decke strecken. Politiker im Besonderen, sie haben Vorbildfunktion.

Für Kurz gilt – wie für jeden Bürger in diesem Land – die Unschuldsvermutung. Es wäre aber eine Sache des Respekts, sich noch etwas zurückzuhalten, bis sein Fall geklärt ist. Dann können die Karten neu gemischt werden.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.