Peter Michael Lingens

Peter Michael Lingens Der Euro ­überlebt!

Der Euro ­überlebt!

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Der ESM kommt also zustande, die EZB darf „unbegrenzt“ Anleihen kaufen, und in den Niederlanden haben die Euro-freundlichen Parteien einen deutlichen Sieg über ihren Strache Geert Wilders gefeiert. Ein guter Zeitpunkt, um eine optimistische Antwort auf eine allzeit aktuelle Frage zu riskieren: Im Gegensatz zu einer Reihe pessimistischer Kollegen bin ich überzeugt, dass der Euro nicht nur die nächsten Monate überlebt, sondern dass es ihn so lange wie den Dollar geben wird – und zwar auch als Zahlungsmittel seiner südlichen Problemzone. (Nur bezüglich Griechenlands bin ich dessen nicht sicher.)

Einzige Voraussetzung: ESM bzw. EZB bleiben dabei, ihre Hilfe an Sparauflagen zu knüpfen. Alle angeblichen und wirklichen Konstruktionsfehler des Euro lassen sich überbrücken: Mississippi und Texas unterscheiden sich wirtschaftlich mindestens so sehr wie Portugal und Deutschland. Und es gibt nicht nur die Alternative „Transferunion“ oder „Eigenverantwortung“, sondern die USA führen vor, wie eine Mischung funktioniert: Den Bundesstaaten ist zwar verboten, einander budgetär zu helfen, aber die Regierung transferiert Gelder im Wege der Arbeitslosen- und Sozialversicherung ­und ermäßigt die Zinsen, die verschuldete Bundesstaaten für Kredite zahlen müssen, durch Zuschüsse. Die Eurozone ist dabei, eine ähnlich vernünftige Mischung zu finden.

Christian Rainer hat in einem lange zurückliegenden, aber unverändert aktuellen Leitartikel gemeint, dass dem Euro schon deshalb kein nahes Ende drohe, weil „Weiterwursteln die für die Politik einfachste Maßnahme ist“.

Ich möchte begründen, warum ich „Weiterwursteln“ für die beste Maßnahme halte.

Die Politik steht einer Situation gegenüber, für die es keinen Präzedenzfall gibt. (Die Krise der dreißiger Jahre hatte andere Ursachen und wurde außerdem keineswegs erfolgreich bekämpft.) Die Wirtschaftswissenschaften geben keine Lösung vor, sondern ihre namhaftesten Vertreter widersprechen einander diametral. In einer solchen Lage hat eine naturwissenschaftlich gebildete Politikerin wie ­Angela Merkel gar keine andere Wahl, als nach dem System von „try and error“ vorzugehen und sich ansonsten an ihrem Hausverstand zu orientieren. Dass sie ihre Positionen dabei immer wieder wechselt und heute für richtig hält, was sie gestern für falsch hielt, ist kein Zeichen von Wankelmut, sondern zwingend mit dieser Vorgangsweise verbunden. Nur dass sie das nicht offen sagt, ist vielleicht ein Fehler – vielleicht aber auch richtiges politisches Kalkül.

Dass ich bezüglich des Ausgangs optimistisch bin, liegt daran, dass ich Merkels Grundannahme teile: Eine Krise, die hohe Überschuldung zur Ursache hat, kann man nur durch Sparen überwinden.

Sparen in einer ans Ausgeben gewöhnten Gesellschaft stößt zwangsläufig auf große Widerstände, und Merkel hat meines Erachtens ein etwas zu großes Tempo vorgegeben. Aber letztlich, so behaupte ich, geschieht in der Eurozone im Gegensatz zu den USA das Richtige: Es gibt – selbst in Griechenland – durch Sparen erzwungene, positive Strukturreformen. Operative Defizite werden reduziert, Staatsausgaben werden auf ihre Notwendigkeit überprüft, Beamtenapparate werden verkleinert, Löhne werden den Notwendigkeiten der Konkurrenzfähigkeit angenähert.

Dass hohe Staatsschulden auf diese Weise tatsächlich abgebaut werden, setzt dennoch voraus, dass die zu zahlenden Zinsen erschwinglich sind. Die Überzeugung, dass der „Markt“ sie immer korrekt bildet, ist pure Ideologie: Der real existierende „Markt“ setzte sie für Spanien oder Portugal bis 2007 viel zu niedrig an, obwohl beide Länder horrende Leistungsbilanzdefizite anhäuften – und er hat sie seither ebenso unsinnig nach oben übertrieben, obwohl beide knirschend sparen. Es macht Sinn, diese Pendelausschläge durch „Eingriffe“ zu dämpfen und den Krisenländern gerade noch bezahlbare Zinsen zu bescheren. Das scheint durch die jüngste Entscheidung der EZB, ihre Staatsanleihen notfalls unbegrenzt anzukaufen, gelungen. Im Gegensatz zu Franz Schellhorn in der „Presse“ halte ich es daher für goldrichtig: nicht weil die EZB tatsächlich unbegrenzt ankaufen soll, sondern weil die bloße Ankündigung ihrer Bereitschaft die Zinsen bereits erheblich gesenkt hat.

Die Behauptung, dass damit der Reformdruck von den betroffenen Ländern genommen wird, ist voreilig. Einmal, weil sich ihre Regierungen ehrlich zur Sparpolitik bekennen. Vor allem aber, weil sie nur dann ESM- bzw. EZB-Hilfe erhalten, wenn sie Reformauflagen akzeptieren.

Merkels Sparen zur Linken als „Kaputtsparen“ zu diffamieren, weil die Wirtschaftsleistung primär zwangsläufig zurückgeht, ist noch voreiliger: Es braucht Zeit, bis gesenkte Löhne als erhöhte Konkurrenzfähigkeit zu Buche schlagen. Dazu eine „Presse“-Meldung, die vergangene Woche völlig untergegangen ist: Die Leistungsbilanz der Eurozone hat sich zuletzt erheblich verbessert – voran die Krisenländer haben deutlich weniger importiert, aber deutlich mehr exportiert. Wenn das anhält, war es der Wendepunkt.

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