Gastkommentar: Andreas Babler Wer nicht hüpft, der ist ein Feigling?
Wer nicht hüpft, der ist ein Feigling. So zumindest der Tenor von einigen Genossen in der SPÖ nach dem Parteitag. Symptomatisch für den Zustand der Bundespartei, für fehlende inhaltliche Argumente, für Oberflächlichkeit und für unkritische Gefolgschaft. Die Unzufriedenheit wird freilich trotz dieser Pauschalverurteilung nicht weniger stark werden, eher im Gegenteil. Sie bestätigt manche nur in ihrer Kritik. Etwa mich.
Doch zurück nach St. Pölten. Mein Beitrag am Parteitag war lediglich, dass ich mit meiner zugegebenermaßen offensiven Rede zum Referat des Parteivorsitzenden Werner Faymann der seit Längerem vorhandenen Kritik vieler Delegierter und vieler Mitglieder eine Stimme verliehen habe. Es war einfach an der Zeit, einmal deutlich auszusprechen, was viele SPÖ-FunktionärInnen, Mitglieder, aber auch sozialdemokratische SympathisantInnen inoffiziell schon über längere Zeit beklagten. Das zeigen auch die vielen Reaktionen, die seit dem Parteitag bei mir eingelangt sind. Tenor: Endlich verleiht jemand der Unzufriedenheit eine Stimme.
Kurz gesagt gibt es drei große Bereiche, in denen Kritik anzubringen ist. Es geht um die Inhalte, um Positionen. Die Sozialdemokratie hat es verlernt, echte politische Alternativen zu entwickeln. Deutlich sichtbar wird diese Perspektivenlosigkeit, wenn die Sozialdemokratie nach wie vor der Vorherrschaft der Finanzmärkte ideologisch nichts entgegenzusetzen hat und neoliberale Krisenbewältigungsmodelle wie der Fiskalpakt, ohne mit der Wimper zu zucken, vollzogen werden.
Es geht ebenso um innerparteiliche Demokratie, um politische Partizipationsmöglichkeit und um Legitimierung für politisches Handeln. Das alles wurde bei der Berufsheerdebatte negiert, und das Resultat daraus, nämlich ein tiefer Riss quer durch alle Ebenen der Partei, ist garantiert nicht zu leugnen. Wie groß dieses Problem tatsächlich ist, zeigt sich in der Tatsache, dass dieses Thema am Parteitag den Delegierten nicht einmal zur Abstimmung vorgelegt wurde.
Und es geht um generelle politische Glaubwürdigkeit, die kürzlich durch das Abdrehen des Untersuchungsausschusses einen neuen Tiefstand erfahren hat.
Ja, ich habe Faymann, und ja, ich habe auch andere KandidatInnen nicht gewählt, die für mich den Zustand und die inhaltliche Entwicklung der Sozialdemokratie verantworten. Ich war damit nicht allein: Fast jeder fünfte Delegierte teilte diese Einschätzung.
Nein, ich brauche auch in diesem Zusammenhang niemanden, der mich interpretiert und mir erzählt, warum ich (und auch viele andere) unzufrieden sind. Das wissen wir wohl selber am besten.
Und nein, ich bin auch kein Feigling, wie Genosse Josef Ackerl meinte. Wenn im Zug der Lemminge dann einige innehalten und nicht über die Klippen stürzen, verordnete Positionen kritisch hinterfragen und Fehlentwicklungen zeigen, dann sind sie weder feig noch illoyal.
Im Gegensatz zu den Beschwichtigern gehöre ich zu denjenigen, die auch innerhalb der Partei immer wieder Dinge kritisch hinterfragen. Und nein, das gefährdet nicht die Geschlossenheit der Partei. Das wäre eine klassische Opfer-Täter-Umkehr: Die Geschlossenheit der Partei gefährden aus meiner Sicht diejenigen, die uns beispielsweise über Nacht einen 180-Grad-Schwenk Richtung Berufsheer über Medien ausrichten lassen und dabei gleichzeitig die bedingungslose Disziplin der gesamten Parteistruktur einfordern.
Die Zeit drängt. Zu stark ist die Notwendigkeit einer konsequenten Sozialdemokratie als politische Interessenvertretung für so viele Menschen in diesem Land. Es braucht einen Aufbruch. In der SPÖ war es immer gute Tradition, dass man durch Diskussionen und offene Debatten zu gemeinsamen Linien kommt. An diese Tradition müssen wir wieder anknüpfen: Diese unsere Partei braucht jetzt ganz dringend eine ernsthafte Debatte über unsere Werte und Positionen.
Diese demokratische und politische Selbsterneuerung muss spürbar sein. Intern und extern. Nur so wird sie auch als Garant für eine geschlossene, starke und moderne Sozialdemokratie wirken können.
Dazu braucht es beides: Kritik und Selbstkritik. Denn die wahre Gefahr für unsere Bewegung ist das Schulterklopfen, das Beschwichtigen, das Kritikverweigern und das Abnicken. Punkt.
Stadtrat Andreas Babler (39) ist geschäftsführender Stadtparteivorsitzender der SPÖ Traiskirchen, Vorstandsmitglied der SPÖ Niederösterreich und Delegierter zum Bundesparteitag.