Sven Gächter

Sven Gächter Fisch ahoi!

Fisch ahoi!

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Frank Stronach trägt sein Herz dort, wo niemand es vermuten würde: auf der Zunge. Er ist gesegnet mit einer durch Hausverstand, Hemdsärmligkeit und Selbstbewusstsein gegerbten Weisheit und lässt andere gern daran teilhaben: „Wenn ihr mit den Adlern kreisen wollt, dürft ihr nicht mit den Hühnern rumpecken.“ Die besten Philosophen, weiß er seit jeher, sind die Bauern: „Die ham a g’sunde Anschauung. In der Einfachheit liegt die Kunst.“ Die Kunst der schlichten Lebensbetrachtung vertieft Stronach in stillen Momenten, wenn er in den Wald geht, sich auf „einen Stein oder Baumstock“ setzt und „ein leises Gebet spricht“, wobei es ihn nicht kümmert, „wie der Gott ausschaut, ob er einen Bart hat oder nicht“. Hier regiert unverkennbar die fromme Gelassenheit eines Menschen, der von keinem mehr was braucht, denn: „Ich habe das Alter.“ Wer wollte ihm das absprechen?

„Ich war immer schon ein Glashaus“, sagt Frank Stronach in bester Haiku-Laune. Er wird sich ­etwas dabei gedacht haben – nur was ­genau, das bleibt, wie so oft, sein Geheimnis. ­Unstrittig bekannt ist von ihm lediglich, dass der gebürtige Steirer im Alter von 22 Jahren nach Kanada auswanderte und dort mit dem Autoteilehersteller Magna ein Milliardenvermögen machte; dass er später, zurück in Österreich, mehr oder weniger erfolgreich in Pferdesport und Fußball investierte – und dass er auf seine alten Tage die heimische Politlandschaft von Grund auf umzupflügen gedenkt. Vergangenen Donnerstag präsentierte er in Schönbrunn und Ebreichsdorf sein „Team Stronach“, mit dem er bei den Nationalratswahlen 2013 antreten wird. Dieser Tag, psalmodierte er sichtlich ergriffen, werde „in die Geschichte Österreichs“ ­eingehen – und längst nicht nur das: „in die Geschichte der Welt“!

Da Stronachs Neigung zur Selbstironie eher rudimentär ausgeprägt ist, muss man das gebotene Lachen freiwillig beisteuern – wie es überhaupt schwer fällt, die politische Mission des 80-jährigen Tycoons mit jenem Ernst zu quittieren, den er selbst dafür aufbringt. Was immer Stronach an bedenkenswerten Inhalten anzubieten haben mag, wird durch die atemberaubende Skurrilität seiner Auftritte unrettbar verknödelt (nachgerade legendär das „ZiB 2“-Interview im Juli dieses Jahres). Programmatisch laviert er zwischen volkswirtschaftlichen Plattitüden und antieuropäischem Provinzpopulismus. Die Parteistatuten erschöpfen sich in einer nebulösen Beschwörung von „Werten“ und der Salbung ihres tonangebenden Repräsentanten: the one and only Frank. Auch nur ansatzweise kritische Fragen von Journalisten verbittet er sich mit zornigem Patriarchengestus.

Nüchtern betrachtet ist das Team Stronach eher die unfreiwillige Karikatur als der zeitgemäße Inbegriff einer politischen Veranstaltung. Nichts qualifiziert das Selfmade-Original zum Hoffnungsträger des österreichischen Parlamentarismus, außer einem glühenden Sendungsbewusstsein und einem unvergleichlich schlagkräftigen Startvorteil: Geld, sehr viel Geld! Dass Stronach für die Wahlen als Zielvorgabe nennt, Erster werden zu wollen, ist, je nach Blickwinkel, dreist oder drollig; dass seriöse Demoskopen ihm aus dem Stand ein zweistelliges Ergebnis zutrauen, ist erschreckend: weil es das Elend einer politischen Realität abbildet, die ein so bizarres Phänomen wie Stronach erst ermöglicht, um nicht zu sagen: provoziert.

Anders als sarkastische Beobachter haben die Strategen der etablierten Parteien keinen Anlass, sich über den Neuling im Ring lustig zu machen; er steht als (wenn auch reichlich erratischer) Beweis dafür, wie heruntergewirtschaftet sie im Ansehen der Öffentlichkeit – also der wahlberechtigten Bevölkerung und der Medien – mittlerweile sind. Stronachs Erfolg, vorerst in Umfragen, bald vielleicht auch an der Urne, ist der elektorale Gegenwert einer Abwrackprämie auf Kosten derer, die Politik unverdrossen als bunt-brachiale Nummernrevue aus Gezänk, Inkompetenz, Selbstbereicherung und Unschuldsvermutung missverstehen. Diese Einschätzung mag einseitig und überspitzt erscheinen, aber sie ist gefährlich weit verbreitet, wofür man bei aller gebotenen Distanz Frank ­Stronach nicht verantwortlich machen kann – er nutzt die ­Misere nur für seine Zwecke, auch wenn er in der Darstellung der Zwecke einiges an Stringenz und Trittsicherheit vermissen lässt. „Für jedes Land bin ich ein großer Fisch, und jeder will ein Stück davon“, sagt der Geldmagnat. Die Frage ist nur, was das ratlose Land mit einem großen Stück Fisch anfängt.

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Sven   Gächter

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