Ulla Kramar-Schmid: Sirtaki im Dreivierteltakt

Warum griechischen Tierschützern vor Österreich bangen muss – und dieses Land eine Troika braucht.

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Grundgütiger! Die tote Bank lebt. Zwischen vier und acht Milliarden, unerwartet, ganz plötzlich, wird der Abbau der Heta Asset Resolution alias Hypo Alpe-Adria vulgo Skandalbank noch verschlingen.

Und nun auch noch das. Die Große Koalition lebt. Sie hat sich auf eine Steuerreform geeinigt, fünf Milliarden Volumen. Die Maßnahme finanziert sich angeblich von selbst – Konsumanreiz, Steuerbetrugsbekämpfung (warum jetzt erst?) und so. Ja, eh. Unterm Strich bleiben – zwei, drei, vier Milliarden Mehrkosten?

Die PISA-Durchfaller auf höchstem Niveau häufen sich. Zwei und zwei sind in diesem Land schon lange nicht mehr vier. Im Lichte der jüngsten Ereignisse stellt sich die Frage, woher diese Regierung eigentlich die Chuzpe nimmt, EU-Mitgliedstaaten gute Ratschläge zu erteilen. Österreich erstickt im Reformstau; das Budget schrammt längst hart an der Grenze des Zulässigen – aber jenseits der Staatsgrenzen, wenn es um Griechenland geht, sind wir Sanierungsweltmeister. Kanzler Werner Faymann: „Wir beginnen, die Geduld mit Griechenland zu verlieren.“ (12. Februar) Vizekanzler Reinhold Mitterlehner: Man dürfe nicht nachgeben, „weil sonst jeder vom Sparkurs Betroffene versuchen würde, die EU unter Druck zu setzen“. (17. Februar)

Finanzminister Hans Jörg Schelling: „Wir können nicht die Wahlversprechen der griechischen Regierung bezahlen.“ (12. Februar) ÖVP-General Gernot Blümel: „Ich sehe (in Griechenland, Anm.) keinen Anreiz für Reformen.“ (11. Februar) Hör mal, wer da spricht!

Österreich sicherte der EU bereits namens Finanzministerin Maria Fekter (sie trat 2013 ab) ein strukturelles Gerade-noch-Nulldefizit zu; Nachfolger Michael Spindelegger (er verabschiedete sich 2014) hat das Versprechen bekräftigt; Hans Jörg Schelling, der bedauernswerte Nachlassverwalter, muss nun eingestehen, dass sich das heuer nicht ausgehen wird; 2016 leiderleider auch nicht; vielleicht 20… hm.

Manifester ist da schon, was in Österreich alles NICHT geht.

APA-Meldung vom 4. Februar dieses Jahres: „Die Regierungspläne sehen vor, dass es statt bisher 47 (Militär-, Anm.) Musikern künftig 20 pro Bundesland geben soll. Volksanwalt Peter Fichtenbauer hat deshalb ein amtswegiges Prüfungsverfahren eingeleitet.“

Der „Standard“ vom 15. Jänner: „Der Föderalismus blockiert die Anpassung des Schulsystems an die Gegenwart. Laut Statistik Austria gab es im Schuljahr 2013/14 insgesamt 242 Volksschulen mit nur einer Klasse. Durch teils absurde Regelungen unterrichten in Regionen, wo es kaum noch Schüler gibt, Lehrer, die dringend in Ballungszentren gebraucht würden.“

„Kurier“ vom 12. Februar: „Niemand kann wirklich sagen, wie viel sich der Staat seine Förderungen tatsächlich kosten lässt. Die ab 2011 eingerichtete Transparenzdatenbank funktioniert noch immer nicht.“

Und zuletzt, die „Presse“ vom 25. Februar 2015: „Bei Tiernahrung ist die Koalition vor dem Streichen des niedrigeren Mehrwertsteuer-Tarifs zurückgeschreckt, weil sie wegen 60 Millionen Mehreinnahmen pro Jahr nicht den Protest von Tierfreunden riskieren wollte.“

Dieses Land hat also die Stirn, Griechenland zu zensurieren, wo jeder vierten Familie das Geld für warme Mahlzeiten fehlt. Und gleichzeitig fehlt der politische Schneid, Mini-Einschnitte durchzuziehen. Wegen der Wähler. Wegen der Landeschefs. Wegen der Tierfreunde.

Man kann es nicht mehr hören und muss es doch immer wieder feststellen. Seit Jahren werden Verwaltungsreformen und Kompetenzbereinigungen zwischen Bund und Ländern herbeigeredet; seit Jahren leben die Länder von üppigsten Zuweisungen, die ihnen ein Finanzausgleich aus dem Jahr 2007 sichert, erstellt unter Finanzminister Wilhelm Molterer (er ist seit 2008 Geschichte), erstellt zu einer Zeit, als das Wort „Finanzkrise“ noch historische Bedeutung hatte. Doch nichts geschieht.

Worauf wartet man? Konflikte tun sich immer auf, ebenso Begehrlichkeiten. Zuletzt forderten die Länder einen Ersatz für jene Kosten, die durch den Hypo-Schuldenschnitt über Umwege auf ihre Landesbanken durchschlagen; ungeachtet der Tatsache, dass sie selbst (inklusive Kärnten, exklusive Wien) noch in Summe über 30 Milliarden Euro Haftungen für ihre Landesinstitute schultern. Uneinlösbare Garantien, wie wir heute wissen.

Doch derlei Einsichten sind Landesfinanzreferenten fremd. Mit den Worten „Bei Philippi sehen wir uns wieder“ ­orgelte dieser Tage der niederösterreichische Finanzlandesrat seine Tonart gegenüber dem Finanzminister ein. Wie originell.

Es lässt sich nicht gut an. Wo bleibt ­eigentlich die Troika?