Kinderbetreuung

Was gegen die Herdprämie spricht

Ein kleiner Zuschuss kompensiert weder ein Erwerbseinkommen noch berufliche Aufstiegschancen.

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Die neue Salzburger Landesregierung greift also wieder einmal tief in die Ideenmottenkiste und will Müttern Geld geben, wenn sie Kinder „familienintern“ betreuen, statt sie in den Kindergarten zu schicken. Die dafür vorgebrachten Argumente sowie manche Beifallskundgebung in den sozialen Medien zeigen, dass es noch immer und schon wieder notwendig ist, bestimmte Begriffe zu klären. Also, auf ein Neues!

Wahlfreiheit, die: gibt es seit jeher. Jeder Mensch hat die Wahl, erwerbstätig zu sein oder es bleiben zu lassen. Das Abwählen der Erwerbstätigkeit fällt leicht, wenn man reicher Erbe oder reiche Erbin ist. Für alle anderen stellt sich allerdings die Frage, wie sie dann ihren Lebensunterhalt finanzieren. Bankeinbruch? Trickbetrug? Glücksspiel? Ach nein, FPÖ und ÖVP wissen was Besseres: Papa erhält Mama, und die Landesregierung gibt eine Zeit lang ein paar Kreuzer drauf. Heißt Versorgungsehe und funktioniert, je nach Einkommenslage von Papa und je nach seiner Großzügigkeit, so lala, wird allerdings zum Problem, wenn Papa ein neues Leben mit einer neuen Frau beginnen will, weil Mama dann durch die Finger schaut. Vorschlag: Die neue Salzburger Landesregierung ergänzt ihr Programm um den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe.

Man könnte übrigens auch formulieren: Penistragende Person erhält gebärende Person, das wäre dann total zeitgemäß und insofern nicht falsch, als die alten Patriarchen und die neue Transgemeinde manches gemeinsam haben. Zum Beispiel reduzieren sie biologische Frauen auf Gefäße zur Kindesreifung, und das passt dann perfekt zum ebenfalls verkündeten Plan der neuen Salzburger Landesregierung, Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern, indem Schwangere ermuntert werden, Nachwuchs für adoptionswillige Paare auszutragen, nach der Parole: „Sie wünschen, wir liefern!“

Kinderabgeben: war immer schon üblich. Es gilt allerdings zu unterscheiden zwischen a) Kinderabgeben in besseren Kreisen und b) Kinderabgeben beim niederen Volk.

a) Kinder der oberen Schichten wurden seit je an Kindermädchen, Gouvernanten, Hauslehrer und später dann an Internate abgegeben, Kinder der unteren oberen Schichten mussten sich mangels mehr Personal mit der Betreuung durch das einzige Dienstmädchen begnügen. Mama betreute mit, hatte aber eigene Mama-Programme (Damentee oder so), die es ihr unmöglich machten, die Brut pausenlos zu umschwirren. Je nach Qualität des betreuenden Personals hatten die Kinder eine mehr oder weniger glückliche Kindheit, manchmal war ein Kind mit einem liebevollen Kinderfräulein mutmaßlich besser dran als mit der mutmaßlich nervösen Mama.

b) Das gewöhnliche Volk hatte zu hackeln und zu dienen, dessen Nachwuchs wuchs daher eher unbetreut heran, bis er alt genug war, ebenfalls zu hackeln und zu dienen. „Alt genug“ hieß zwölf oder 14 Jahre. Dass die Ziegelarbeiterin tagsüber in der Rüschenschürze am Herd stand, um den Kindern eigenhändig Palatschinken herauszubacken, ist eine sozialromantische Vorstellung des einen oder anderen ÖVP-Bürgermeisters, stimmt aber nicht, auch deswegen, weil Arbeiter:innenhaushalte sehr oft gar nicht über eigene Herde verfügten.

Care-Arbeit, die: ist die Versorgung von Familienmitgliedern, die sich noch nicht oder nicht mehr selbst versorgen können, sowie jede Tätigkeit, die zur Aufrechterhaltung eines halbwegs zufriedenstellenden Alltagslebens notwendig ist. Wird gern als weibliche Selbstverwirklichung missverstanden und bringt in der Regel kein Geld. Wenn die Salzburger Landesregierung jetzt den Verzicht auf ein Erwerbseinkommen und berufliche Aufstiegschancen mit einem kleinen Zuschuss abgelten will, ist das keine Aufwertung der Care-Arbeit, sondern eine Zementierung alter Rollenmuster, die eine faire Aufteilung der Care-Arbeit zwischen Müttern und Vätern verhindern.

Kindergarten, der: ist keine Aufbewahranstalt, sondern ein Ort, an dem Kinder andere Kinder treffen, soziales Verhalten üben und – ihrem Alter angemessen – Bildung erwerben sollen.

Familienleben, das: muss nicht zu kurz kommen, wenn Kinder – auch – in den Kindergarten gehen. Sie müssen ja nicht zwölf Stunden täglich dort zubringen. Dieser Vorschlag kam bis jetzt nur von der Wirtschaft, die sich flexible Arbeitszeiten, soll heißen: Arbeit auf Abruf, wünscht. Da wird dann nach „flexiblen“ Kindergärten geschrien, die Kinder nach Schichterfordernissen übernehmen sollen.

Arbeitszeitverkürzung, die: würde dem Familienleben tatsächlich dienen. Eltern und Kinder hätten dann mehr Zeit füreinander. In diesem Zusammenhang irritiert allerdings die zunehmende Gleichsetzung der verkürzten Arbeitszeit mit einer Vier-Tage-Woche. Denn Kinder kann man, Überraschung, nicht blockweise abfertigen. Die Vereinbarkeitsfrage stellt sich daher täglich, wenn Arbeitszeiten die Kindergartenöffnungszeiten überlappen. Deswegen wären kürzere Arbeitstage (und nicht kürzere Arbeitswochen) eine Hilfe, schon gar für Alleinerzieherinnen.

Ja, alles keine Neuigkeiten. Sollte man meinen. Dass es dennoch anhaltend notwendig ist, dem Missbrauch dieser Begriffe entgegenzuwirken, könnte eine schon ziemlich wütend machen.