Militärposten vor dem Karl-Marx-Hof
Morgenpost

12. Februar 1934: 90 Jahre Kampf um die Erinnerung

Zum 90. Mal jähren sich die Februarkämpfe, drei Tage tobte in Österreich der Kampf zwischen Bundesheer, Heimwehren und Schutzbund. Noch während der Auseinandersetzungen begann das Match um die Deutungshoheit - es dauert bis heute an.

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Auf den Tag genau 90 Jahre ist es her, da widersetzte sich in Linz eine Abordnung des Republikanischen Schutzbundes“ einer polizeilichen Hausdurchsuchung. Die sozialdemokratischen Paramilitärs wollten der Gängelung durch den - von Engelbert Dollfuß und der christlich-sozialen Partei diktatorisch regierten - Staat nicht mehr tatenlos zusehen.  Sie eröffneten das Feuer auf die Beamten. Wenig später wurde in ganz Österreich gekämpft. Die Belegschaft der Steyr-Werke trat in den Streik, der Werksdirektor wurde in seinem Auto ermordet, wenig später beschoss das Bundesheer die Arbeitersiedlung auf der Ennsleite mit Minenwerfern. In der Obersteiermark kontrollierte der Schutzbund kurzzeitig weite Teile von Bruck an der Mur und Leoben, in Wien große Gemeindebauten in Döbling, Favoriten und Floridsdorf. Der Aufstand hielt nicht lange durch, die militärische Übermacht des Bundesheers und der Heimwehren war zu groß. Am 15. Februar endeten die letzten Gefechte, hunderte Menschen waren tot, neun Schutzbündler wurden standrechtlich hingerichtet, die sozialdemokratische Partei und ihre Vorfeldorganisationen verboten.

Noch während der Kampfhandlungen begann die Auseinandersetzung um ihre Deutung. Wie der Wiener Historiker Florian Wenninger in einem Gastbeitrag für Die Zeit kommentierte, inszenierten die Sozialdemokraten als Aufstand der Arbeiterklasse, dabei hatten sich "wohl nicht mehr als drei bis maximal fünf Prozent der Parteimitglieder aktiv beteiligt.“ In "So starb eine Partei" kritisierte der kommunistische Autor Jura Soyfer die zurückhaltende Strategie der Sozialdemokratie, die letztlich den wirkungsvollen Widerstand gegen die Abschaffung der Demokratie durch die Christlich-Sozialen unmöglich machte. Das Regime hingegen spielte das teils brutale Vorgehen gegen den Schutzbund als reine Pflichterfüllung gegen fehlgeleitete Arbeiter herunter.

Wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen toben um die Februarkämpfe noch heute Debatten. Erst 2017 entfernte die ÖVP das Porträt von Dollfuß aus ihren Klubräumlichkeiten, die Bewertung seines Regimes ist bis heute umstritten. Das "Haus der Geschichte Österreich" listet auf seiner Homepage fünf unterschiedliche Bezeichnungen, von Ständestaat über Austrofaschismus bis Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur, samt deren Vor- und Nachteilen. Im Wiener Amerlinghaus fand am Samstag und Sonntag ein hochkarätig-besetztes Symposium statt. Organisierte hatte es das "Bündnis 12. Februar", das sich aus einer Vielzahl linker Organisationen zusammensetzt und sich dafür einsetzt, den 12. Februar zum Feiertag zu erklären. Schon im Oktober 2022 hatte es erstmals eine Onlinepetition gestartet, allerdings nicht mehr als 154 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner gefunden.

Es ist also auch 90 Jahre danach noch äußerst schwierig, die Februarkämpfe richtig einzuordnen. Eines allerdings sollte feststehen: Heimwehren und Bundesheer kämpften damals für die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung des Einparteienstaats, die Aufständischen nahmen dagegen die Waffe in die Hand.

Moritz Ablinger

Moritz Ablinger

war bis April 2024 Redakteur im Österreich-Ressort. Schreibt gerne über Abgründe, spielt gerne Schach und schaut gerne Fußball. Davor beim ballesterer.