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Am Sonntag wird in Serbien gewählt

Aleksandar Vučić sitzt fest im Sattel und wird die Wahl gewinnen. Aber eine Opposition formiert sich.

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Wussten Sie, dass Lord Voldemort Serbe ist? 

Also ich meine natürlich: Ralph Fiennes. Das ist der britische Schauspieler, der Lord Voldemort in Harry Potter spielt. Davon erzählt Aleksandar Vučić, der Präsident Serbiens, in einem TikTok-Video. Man sieht den Politiker vor dem Fernseher sitzen. Es läuft einer der Filme aus der Harry-Potter-Reihe. Dann verwandelt sich Lord Voldemort, der berühmte Bösewicht, zu Staub und Zack – plötzlich steht er im Büro von Vučić in Belgrad. Man sieht, wie Serbiens Präsident Ralph Fiennes den serbischen Pass überreicht. Das ist 2017 tatsächlich passiert. Der Grund: Ralph Fiennes drehte damals einen Film über einen sowjetischen Startänzer in Serbien.

Am 17. Dezember sind Parlamentswahlen 

Mit TikTok-Videos dieser Art erregt Vučić Aufmerksamkeit. Und genau die braucht er derzeit, denn Serbien ist wieder einmal im Wahlkampf. Am 17. Dezember finden Lokal,- und Parlamentswahlen statt. Muss Aleksander Vučić um die Macht fürchten? Nein. Der Präsident bestimmt seit 2012 in wechselnden Funktionen die Politik des Landes und sitzt fest im Sattel. Wirtschaftlich gehört Serbien zu den Vorreitern auf dem Westbalkan. Demokratiepolitisch sieht es anders aus. Vučić macht es wie Viktor Orbán. Er hat das Mediensystem gekapert und die Institutionen des Staates ausgehöhlt. 

Der geheime Spitzenkandidat 

In Zeiten des Wahlkampfs zeigt sich das ganz besonders. Denn streng genommen dürfte Vučić gar nicht Wahlkampf machen. Laut Verfassung ist sein Amt ein rein repräsentatives, ähnlich wie das des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Aber in Serbien gibt es diese Trennung längst nicht mehr. Vučićs Fortschrittspartei (SNS) wirbt mit dem Namen und dem Gesicht des Präsidenten. Der wiederum hält die Auftaktrede bei Parteikongressen und ist dort die zentrale Figur. Das ist in etwa so, als würden die Grünen kommendes Jahr mit Alexander Van der Bellen in den Wahlkampf ziehen. Es gäbe – ziemlich sicher – einen Aufschrei. 

Warum uns das alles interessieren sollte? Serbien führt seit 2014 Beitrittsgespräche mit der EU. Außerdem ist der Konflikt mit dem Kosovo seit einigen Monaten wieder ein heißes Thema und Vučić gilt als die zentrale Figur in den Verhandlungen. All das gibt dem Präsidenten ein neues Gewicht. Nach außen gibt sich Vučić ruhig und dialogbereit. Innenpolitisch verhöhnt er politische Gegner und mobilisiert mit nationalistischen Parolen. 

In der aktuellen profil-Ausgabe lesen Sie alles zur Wahl in Serbien. Im Vorfeld habe ich außerdem einen Podcast mit Florian Bieber aufgenommen. Der Politikwissenschaftler von der Universität Graz beobachtet Serbien seit den Kriegen in den Neunzigerjahren. Er hat auch gerade ein Buch veröffentlicht, dass ich empfehlen kann. Es heißt: Pulverfass Balkan. Wie Diktaturen Einfluss in Europa nehmen. 

Und Nein: Mit den Diktatoren meint Bieber keine Fantasie-Figuren wie Lord Voldemort, sondern leider echte Politiker. 

Einen schönen Tag wünscht, 

Franziska Tschinderle  

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.