Der Täuschmeister
Richtig wohl fühlt sich der Wiener Kunst-Allrounder und -Überflieger André Heller dieser Tage nicht. Seinen eher verzweifelten Versuch, eine eigene Bastelarbeit mit Basquiat-Resteverwertung erst als eigenhändiges Werk des New Yorker Ausnahmemalers (und posthumen Millionen-Sellers) auszugeben und nach dem Auffliegen des Kunst-Fakes via „Falter“ die eigene Tat mit Begriffen wie „kindischer Streich“ und „Bubenturnier“ in den Bereich des Infantilen zu rücken, darf man als großflächig gescheitert betrachten. Seither schweigt Täuschmeister Heller; das profil-Unterfangen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, um die Details dieses absurden Kunsthandelstheaters in Erfahrung zu bringen, würdigte er nicht einmal einer Antwort. Über einen Freund ließ er lediglich ausrichten, er habe keine Lust, dazu noch Stellung zu nehmen.
Die öffentlichen Reaktionen auf dieses Image-Fiasko lasen sich wenig amüsiert angesichts der Heller’schen Dreistigkeit, sich im eigenen (finanziellen) Interesse über Kunstmarkt und Basquiats Erbe lustig zu machen – und eine unter falschen Prämissen – um stolze 800.000 Euro – verkaufte Heimwerkerarbeit kurz vor Bekanntwerden des Skandals eilig zurückzukaufen, um sich nur ja nicht strafbar zu machen. Aber Heller bekam den Wind nicht aus den Segeln; mit erstaunlich untauglichen Argumenten erklärte er seine einstige Lüge, der zufolge der Rahmen, den er selbst gezimmert und mit zerschnittenen Basquiat-Skizzen ausgelegt hatte, von dem 1988 verstorbenen Maler selbst stamme: An den Künstlertischen des Café Hawelka habe Heller, im Kreise von Helmut Qualtinger, H. C. Artmann und Thomas Bernhard, doch auch einst schon practical jokes und allerlei „private Märchen“ ersonnen. Die man allerdings – ein kleiner, nicht ganz unwesentlicher Unterschied – nie teuer feilgeboten hat.
Der Eklat zieht inzwischen weite Kreise, strahlt über Österreichs enge Grenzen hinaus: In der „Frankfurter Allgemeinen“ erregte sich Ursula Scheer vor wenigen Tagen über die erstaunliche Respektlosigkeit des Künstlers: „Zum Haarsträubendsten“ an Hellers Fake-Basquiat-Posse gehöre, dass der Wiener Impresario „offenbar tatsächlich echte Skizzen von Jean-Michel Basquiat zerschnitten hat“. Und auch in der „Neuen Zürcher Zeitung“ wunderte sich Paul Jandl über den Wiener „Voodoo“-Zauber.
Nicht wie die „Durchschnittstrotteln“
Klaus Nüchtern empört sich im aktuellen „Falter“ mit einigem Nachdruck (und zu Recht) über Hellers Geisteshaltung: Er, Nüchtern, sei kein Jurist, könne und wolle sich also zu der Frage, ob Hellers „Streich“ von etwaiger strafrechtlicher Relevanz sei, nicht äußern. „Was mich indes – ja doch! – aufregt, ist die ewiggleiche anti-egalitäre Botschaft, die uns André Heller (...) wieder einmal andrehen möchte: ,Von Kindesbeinen wandelte ich unter Genies und Größen wie Artmann und Qualtinger, für mich gelten andere Maßstäbe als jene, die man an stoffwechselnde und Steuer zahlende Durchschnittstrotteln anlegen mag und muss.’"
Einen Grammy, die höchste internationale Musikauszeichnung, hat der Teilzeit-Chansonnier André Heller bislang nicht gewonnen. Der britische Violinist und Wahl-Berliner Simon Goff, der morgen ab 22 Uhr im Roten Salon des Wiener Volkstheaters auftreten wird (in der von Paul Wallfisch kuratierten und von profil begleiteten Serie „Peter Cat’s Wide World of Sound“), hat dagegen gleich zwei davon daheim stehen. Goff gilt als Grenzgänger zwischen moderner Klassik und elektronisch-orchestralem Ambient-Pop, und er hat gemeinsam mit dem englischen Autor und Musiker Sam Potter, der ebenfalls inzwischen in Berlin lebt, einen sehr speziellen Abend konzipiert, in dem Goffs jüngstes Soloalbum „Vale“ im Mittelpunkt stehen und auch Potters Experimente mit Künstlicher Intelligenz eine Rolle spielen soll.
Mit der georgisch-britischen Sängerin und Komponistin Katie Melua hat Simon Goff gerade ein Album namens „Aerial Objects“ veröffentlicht; seine eigene, oft elegisch-epische Musik eignet sich bestens für Film-Soundtracks, denen er sich auch anderweitig widmet: Als recording engineer hat der Multiinstrumentalist etwa Hildur Guðnadóttirs Kompositionen zu der HBO-Serie „Chernobyl“ und dem Comic-Schurken-Blockbuster „Joker“ klangtechnisch veredelt – und dafür seine beiden Grammy Awards erhalten. Goff und Potter werden im intimen Rahmen des Roten Salons eine spätnächtliche – und garantiert bubenstreichfreie – Traumlandschaft erstehen lassen. Die wenigen verfügbaren Tickets sind auf der Volkstheater-Website zu buchen!
Einen fälschungssicheren Donnerstag wünscht Ihnen einstweilen die Redaktion des profil.