Faszination Kurz
Es ist viele Jahre her, da war Sebastian Kurz gerade einige Monate Integrationsstaatssekretär, und einer meiner ältesten Freunde kam nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. Mein lieber Freund hegte keinerlei Sympathien für die ÖVP und auch Kurz empfand er anfänglich als zu schnöselig und beliebig. Es war eine zufällige Begegnung, die seine Sichtweise auf den jungen Schwarzen (der die ÖVP später türkis färben sollte) komplett veränderte. Mein Freund arbeitete damals im Marketing eines großen Medienunternehmens und war in eine Veranstaltung involviert, bei der auch Kurz zugegen war. Nach dem Termin standen noch einige Leute in einer Runde zusammen, darunter Kurz und mein Freund, um den es währenddessen geschehen war. Kurz sei ja so sympathisch, erzählte er in unserem Freundeskreis bei einem Kaffee; er sei zugewandt, so unkompliziert im Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ein guter Chef, interessiert an den Menschen, unmittelbar in der Art. Einwände aus unserer Runde ließ er nicht gelten; dass Kurz die politische Gefälligkeit auf seiner Sunnyboy-Stirn geschrieben stünde, wischte er beiseite; ebenso den Einwurf, dass sein damaliges penetrantes Umgarnen der Migrantinnen und Migranten etwas Paternalistisches hatte, dass sich jederzeit gegen die Ausländer wenden könnte (was dann auch genauso eintraf). Unser Amigo fand, Kurz sei ein guter Typ und wir hätten alle keine Ahnung, weil wir ja alle nicht dabei waren.
Es war nicht nur mein Freund, der dem Charme des Sebastian Kurz erlegen war, es waren große Teile der Öffentlichkeit, in denen er etwas Hoffnungsfrohes auslöste, vor allem aber bei seiner Volkspartei. Jahre nach der Begegnung meines Freundes mit Kurz konnte ich mir selbst aus nächster Nähe ein Bild von der Kurz’schen Wirkung auf die ÖVP machen: Im Mai 2022, da war Kurz aus der Spitzenpolitik ausgeschieden, und die ÖVP wählte Karl Nehammer zum Parteiobmann. Doch es war Sebastian Kurz, dem die Herzen an diesem Wochenende in Graz zugeflogen waren. Eine Traube von Journalisten und Kamerateams folgten ihm auf Schritt und Tritt, etliche Parteimitglieder betrachteten ihn sehnsüchtig aus der Ferne.
Doch was genau machte die Faszination Kurz aus? Wie ist die Dynamik seines Erfolgs zu erklären? Eine Annäherung an diese Frage wagt das eingespielte profil-Podcast-Duo Stefan Melichar und Josef Redl. In ihrem neuesten Podcast beleuchten sie die Stationen, die Mitstreiter und die Methoden des Sebastian Kurz, seinen Aufstieg zum Bundeskanzler und seinen politischen Absturz.
Diesen Podcast sollten Sie sich unbedingt anhören, denn heute, am 26. Mai wird am Oberlandesgericht Wien entschieden, ob Sebastian Kurz schuldig ist, vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrats falsch ausgesagt zu haben. Im Februar 2024 verurteilte ihn das Landesgericht Wien, Kurz jedoch hat die Vorwürfe immer bestritten und ging in Berufung.
Es wird jedenfalls ein spannender Polit-Tag. Wir bleiben für Sie dran.