Morgenpost

Des Kanzlers Pläne zu Kindern, Kickl und Klimaschutz

ÖVP-Kanzler Karl Nehammer war der Letzte im ORF-Sommergesprächsreigen. Er will Milliarden in die Kinderbetreuung investieren, was ihm der Klimaschutz wert ist, ließ er offen. Eine Koalition mit Herbert Kickl schloss er kategorisch aus – allerdings nicht eine Liaison mit der FPÖ.

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„Glaubt an dieses Österreich“, schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer zum Abschluss der ORF-Sommergespräche am Montag auf einen Zettel. Moderatorin Susanne Schnabl hatte ihn gebeten, seine wichtigste Botschaft an das Land zu Protokoll zu geben. Der Satz referenziert auf ein berühmtes Zitat aus Leopold Figls Weihnachtsansprache 1945: „Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben. Kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!“

In Anbetracht der grassierenden Inflation ein nicht besonders gut gewählter Kontext – denn Glauben allein hat selten geholfen. Nehammer will dem Volk aber auch etwas geben, das betonte er gleich zu Beginn: Kinderbetreuung für alle! Bis 2030 sollen dafür 4,2 Milliarden Euro ausgegeben werden. Auf einen Rechtsanspruch wollte er sich nicht festnageln lassen – was helfe es, etwas zu versprechen, das man noch nicht garantieren könne? Zuerst müssten Strukturen geschaffen und Pädagog*innen gefunden werden, dann könne man auch über einen Anspruch sprechen, sagte er.  

Der ORF-Sommergespräch-Nehammer gab sich insgesamt pragmatisch, zuversichtlich – und positiv. Und dann passierte etwas, das sonst weder Grünen noch ÖVP über die Lippen kommt: Eigenlob für die gemeinsame Koalition. Nehammer schwärmte von der ökosozialen Steuerreform, Teuerungsentlastungsmaßnahmen von Strompreisdeckel bis Mietpreisbremse, und Klimaschutzmaßnahmen, die man gemeinsam auf den Weg gebracht hatte.

Schnabls Kritik, dass manches aber reichlich spät komme, wollte er nicht gelten lassen. Im Gegenteil. Die Kaufkraft sei „inflationsbereinigt“ sogar gestiegen. Gemeint ist damit, dass Lohnerhöhungen, Entlastungspakete und Einmalzahlungen dazu geführt hatten, dass die Bürger sogar mehr Geld als vorher zur Verfügung hätten – was die Inflation wohl eher nicht gedämpft hat. Nun gut, sie soll nun, soll man Ökonomen glauben, ohnehin ab September sinken und nächstes Jahr bei 4,2 Prozent liegen. Wenigstens in dem Bereich ist Entspannung in Sicht.

Fettnäpfchen Klimathema

Beim Thema Klimawandel ist das nicht so, der schreitet zügig voran. Während Nehammer auf viele Themen offenbar gut vorbereitet war, fing er hier zum Herumeiern an. Österreich könne den Klimawandel nicht alleine stoppen, befand er. Ob er ein Klimaschutzgesetz, das konkrete Grenzwerte und Ziele vorschreiben möchte, noch mit den Grünen durchpeitschen wolle oder nicht, ließ er offen. Also: eher nicht. Die ÖVP-Position zu diesem Thema wird am rechten Rand wohl darüber entscheiden, ob die Stimme zur FPÖ wandert.

Nehammer sprach im ORF erstaunlich viel über seine eigenen Vorstellungen von Politik, kaum über den politischen Mitbewerber und auch nur über einen politischen Feind: Herbert Kickl. Er bezeichnete ihn als „Sicherheitsrisiko“ und führte lang und breit aus, warum: von BVT über Verschwörungstheorien bis hin zu Coronaleugnerei. Eine Koalition mit der FPÖ unter und mit Kickl schloss Nehammer kategorisch aus – allerdings nicht eine Koalition mit der FPÖ ohne ihn. „Die FPÖ ist nicht Herbert Kickl“, sagte er.

Auch eine Liaison mit der SPÖ sei vorstellbar – dass die aktuelle schwarz-grüne Konstellation Fortführung finden könnte, kam gar nicht zur Sprache. Einerseits, weil man sich etwa in Hinblick auf offene Vorhaben oder Posten wohl doch nicht so gut versteht, wie Nehammer das zu verkaufen versuchte. Andererseits, weil die Meinungsumfragen eine derartige Mehrheit rechnerisch wohl nicht hergeben.

ÖVP im Blindflug

Apropos Meinungsumfragen: Ein für Nehammer wirklich heikles Thema kam nicht zur Sprache: Dass die Partei ein Jahr vor der Wahl nun im Blindflug unterwegs ist. Bei ihrem wichtigsten Haus- und Hof-Meinungsforscher hatte es dieser Tage eine Hausdurchsuchung gegeben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat alles mitgenommen: die Daten der Partei der vergangenen Jahre, wann sie welche Umfragen gemacht hat, deren Ergebnisse und wie die Gewichtungen getroffen wurden. Auf diesen Daten beruht aber die Strategie der Partei zu einem großen Teil. Sollte die Staatsanwaltschaft das in ihren Akten verwursten (oder ein passender U-Ausschuss einberufen werden) könnte dieses Gold beim politischen Mitbewerber landen. Es wäre ein Desaster für die ÖVP.

Aber Nehammer will sich offenbar sowieso lieber auf das Positive in diesem Land und in seiner Partei konzentrieren. „Ich will darüber reden, was geht, und nicht, was nicht geht“, sagte er – und streichelte mehrfach die Wände des Besprechungszimmers im Parlament, in dem schon so viele schwierige Situationen ausdiskutiert und durchgestanden wurden.

In Anbetracht des anstehenden Wahlkampfs wird Nehammer wohl öfter eine Mahagoni-Wand zur Selbstberuhigung brauchen.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.