Morgenpost

Klimaschutz: Geh‘ bitte?!

Die Bevölkerung ist immer skeptischer, dass sich die Katastrophe noch abwenden lässt – während die „Letzte Generation“ sich möglicherweise bald eine „kriminelle Vereinigung“ nennen lassen muss. Und was macht eigentlich die Klimakonferenz ohne Robert Habeck?

Drucken

Schriftgröße

Verkehrsstaus werden in Österreich dieser Tage ja eher von zu glatt gefrorenen Straßen als von zu fest gepickten Klima-AktivistInnen ausgelöst, aber auch bei fünf Grad unter null bleibt der Gedanke an die kommende Hitze akut. Weil diese halt in weiten Teilen des Globus längst angekommen ist. Auch in Österreich kratzten die Messungen in diesem Jahr regelmäßig am Temperaturrekord. 

Aber was tun? Festkleben? Weiterfahren? Auf Dubai hoffen? In dem arabischen Emirat findet gerade die Welt-Klimakonferenz COP28 statt, vorerst leider ohne den deutschen Klimaschutzminister Robert Habeck, der in Berlin kurzfristig noch einmal sein Budget durchackern muss, um den vom Bundesverfassungsgericht abgesägten, milliardenschweren „Klima- und Transformationsfonds“ doch noch irgendwie finanziert zu bekommen. 

In Österreich haben sich weite Teile der Bevölkerung derweil offenbar von dem Gedanken verabschiedet, dass Klimaschutz überhaupt noch eine sinnstiftende Tätigkeit sei. 

Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat soeben die Ergebnisse einer Spezialumfrage zu ihrem Wissenschaftsbarometer 2023 vorgestellt. Abgefragt wurde – in 1500 Telefon- und Online-Interviews – die Einstellung der Österreicherinnen und Österreich zum Klimawandel und dessen Bekämpfung. 

Die Ergebnisse sind deutlich:

87 Prozent der Befragten erwarten nicht, dass die UN-Klimakonferenz in Dubai große Schritte machen wird.

39 Prozent haben sich mit dem Worst Case arrangiert und glauben, dass auch bei einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von mehr als drei Grad „die Menschheit noch gut leben“ können wird.

79 Prozent sind überzeugt, dass der aktuelle Klimawandel vom Menschen verursacht ist (gleichzeitig geben 28 Prozent an, dass „die Hauptursache für den Klimawandel der natürliche Sonnenzyklus“ sei).

58 Prozent stimmen der Aussage zu: „Die Welt steuert auf eine Klimakatastrophe zu“ (allerdings betonen 47 Prozent, dass „die Medien eine übertriebene Hysterie erzeugen“).

Immerhin besteht eine große Bereitschaft, sich an persönlichen Klimaschutz-Maßnahmen zu beteiligen:

97 Prozent wollen „mehr reparieren, weniger neu kaufen, Produkte länger benutzen, Second Hand-Produkte“ kaufen.

78 Prozent möchten „Flug- und Fernreisen vermeiden“.

73 Prozent würden ihren Fleischkonsum einschränken oder Fleisch ganz vermeiden.

61 Prozent könnten sich vorstellen, auf der Autobahn Tempo 100 zu fahren.

Preisfrage: Bekommen wir den Klimawandel in den Griff?

60 Prozent sagen: „Es wird ein weiter Weg und ich bin skeptisch, ob wir den Klimawandel noch in den Griff bekommen."

21 Prozent: „Ich halte das für aussichtslos, der Klimawandel ist nicht mehr in den Griff zu bekommen."

11 Prozent: „Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, den Klimawandel in den Griff zu bekommen."

7 Prozent sind schließlich der Meinung, „es sind keine Maßnahmen notwendig.“

Gleichzeitig mit den Ergebnissen der ÖAW-Umfrage erreichte uns die Nachricht, dass die Staatsanwaltschaft Wien gegen mehrere Mitglieder der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach dem sogenannten „Mafiaparagraphen“ 278 StGB ermittle. Der Anfangsverdacht resultiere daraus, dass bei den jüngsten Aktionen der Gruppe auf der Südautobahn und der Wiener Ringstraße kritische Infrastruktur beschädigt worden sei, was einer – dem Paragraphen entsprechenden – „nicht geringfügigen Sachbeschädigung“ gleichkomme. Laut „Letzte Generation“ richten sich die Ermittlungen aktuell gegen 23 Personen, sie spricht von einer „Kriminalisierung friedlicher Proteste“. Auch mehrere NGOs wie Global 2000 und der WWF kritisierten das Vorgehen der Behörden „als überschießend und unverhältnismäßig“, während Bundeskanzler Karl Nehammer am Rande einer Pressekonferenz erklärte: „Ich finde es richtig und wichtig, dass hier die Rechtsstaatlichkeit tatsächlich ein starkes Zeichen setzt.“

Ein starkes Zeichen aus Dubai wäre – unter den genannten Umständen – möglicherweise zielführender. Aber die COP28 läuft, aller österreichischen Skepsis zum Trotz, ja noch bis zum 12. Dezember. Und auch in diesem Fall gilt: Bahnbrechende Ergebnisse sind nicht völlig auszuschließen.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.