Morgenpost

KV-Verhandlungen: David und Goliath

Heute feilschen Metaller und Handelsbedienstete weiter um ihre Löhne. Unterschiedlicher könnten beiden Branchen kaum sein – und damit auch ihre Verhandlungsmacht.

Drucken

Schriftgröße

Heute finden die nächsten Verhandlungsrunden im Kollektivvertragsstreit statt. Wobei das heuer kein Verhandeln mehr ist, sondern langsam zu einem regelrechten Klassenkampf zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erwächst. Am heutigen Donnerstag findet nicht nur die mittlerweile fünfte Verhandlungsrunde der Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller statt. In deren Windschatten treffen sich auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinnenvertreter der Handelsbediensteten zum zweiten Mal. In beiden Branchen fordern die Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen ein Gehaltsplus, das zumindest die rollierende Inflation der vergangenen zwölf Monate kompensiert. Und beide Branchen bekommen die leicht eingebrochene Konjunktur derzeit deutlich zu spüren. Das war’s aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Die Metallarbeiter sind in der Regel männlich, verdienen überdurchschnittlich gut und sind gewerkschaftlich stark organisiert – 80 Prozent der insgesamt 115.000 Metallarbeiter in Österreich sind Gewerkschaftsmitglieder. Das ist eine Verhandlungsmacht, mit der Handelsbedienstete nicht mithalten können: Sie sind weiblich, arbeiten meist in Teilzeit, verdienen deutlich weniger als der Durchschnitt und sind kaum gewerkschaftlich organisiert. 

Österreichweit arbeiten mehr 560.000 Menschen im Handel und damit mehr als doppelt so viele wie in der metallverarbeitenden Industrie. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen und davon arbeiten sechs von zehn in Teilzeit. Oder anders gesagt: Fast jede fünfte Frau in Österreich arbeitet im Handel und sie verdient im Durchschnitt 1.700 Euro netto – auf Vollzeitbasis. Geht es nach der Gewerkschaft, sollen die Löhne um 11 Prozent steigen. Die Arbeitgeber haben ihr Angebot noch nicht übermittelt, wollen das dem Vernehmen nach aber heute tun. Dass sich Forderung und Angebot treffen, kann aber vorerst definitiv ausgeschlossen werden. Denn ebenso wie in der Industrie, gibt es nach den guten Gewinnen im Vorjahr heuer deutlich weniger zu verteilen. 

Die Umsätze in den Geschäften sind laut Statistik Austria inflationsbereinigt um 3,5 Prozent gesunken, bei den Nicht-Nahrungsmitteln waren es fast sechs Prozent. Gleichzeitig steigen die Handelspleiten und bei ein paar Geschäftsbetreiber dürfte sich das Weihnachtsgeld für die Angestellten heuer mehr schlecht als recht ausgehen. Dass die Verhandlungen zäh und langwierig werden, ist also erwartbar. Dass es zu breiten und für die Betriebe schmerzhaften Kampfmaßnahmen wie bei den Metallern kommt, ist aber unwahrscheinlich. Laut PRO-GE wurde diesen Herbst schon in 400 Industriebetrieben drei Stunden lang gestreikt. So haben die streikenden Liftmonteure am Montag die stark befahrene Wiener Triester Straße im Morgenverkehr lahmgelegt. Streikbrecher gibt es hier kaum – die Solidarität ist groß und die Gewerkschaft entschädigt ihre Mitglieder finanziell im Streikfall.

Im Handel ist der Organisationsgrad so gering, dass ihn die zuständige GPA erst gar nicht kommunizieren möchte. In den großen Handelsketten liege er mittlerweile bei 20 Prozent, im Schnitt aber wohl deutlich darunter. Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel in dieser Branche nicht so stark ausgeprägt wie bei den Metall-Facharbeitern. All das stärkt nicht unbedingt die Verhandlungsmacht der vielen Frauen und nicht ganz so vielen Männern hinter Österreichs Supermarktkassen.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Donnerstag und nehmen Sie heute lieber die Treppe.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".