Schwarz-Rot-Pink und das unergründliche Budgetloch
Philipp, Philip, Phillip, Phillipp, Filip, Filipp. Der Kucher, Klubobmann der SPÖ, ist ein Philip. Ein L, ein P am Schluss. Englische Schreibweise. Als Politiker ist man Kummer gewöhnt, aber dass Journalisten, die sich dauernd auf die Fehler eben jener stürzen, dann nicht mal Namen richtig schreiben können, das ist dann schon bitter. Ich entschuldige mich hiermit bei Philip Kucher, den ich bisher wahrscheinlich kein einziges Mal richtig geschrieben habe – und der sich netterweise nicht einmal darüber beschwert hat.
Zu meiner Verteidigung: Ich habe Namenslegasthenie, falls es so etwas gibt. Ich kann mir Namen nicht merken und ich verwechsle sie – der Karl-Heinz Strache erschien ebenso wie die Bildunterzeile „Erwin Pröll“ – obwohl sein Neffe Josef Pröll zu sehen war. Ein Mal am Tag blamieren stärkt den Charakter, sagt mein Vater immer – und daran halte ich mich eisern. Weiter im Text: Wir haben eine neue Regierung, ein Kanzler, ein Vizekanzler, 12 Minister, sieben Staatssekretäre, neue Generalsekretäre und Kabinette. Das heißt für uns Journalisten wie auch das Volk, viele neue Namen, Geschichten, Vorstellungen und Ideen, die hinter diesen Personen stecken. Wir werden sie Ihnen im „profil“ mit der Zeit vorstellen.
Haben Sie vorher schon mal von Michaela Schmidt gehört? Sie ist Staatssekretärin für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport in der Vizekanzlerei von Andreas Babler. Vorher war sie in der Arbeiterkammer Salzburg tätig. Ich habe ihren Namen erstmals in der ersten Verhandlungsrunde zwischen Schwarz-Rot-Pink vernommen. Und zwar von stöhnenden ÖVPlern, die sich gewundert haben, wer denn diese Dame ist, die in den Verhandlungen plötzlich so den Ton angibt – und auch ihren sonst so wichtigen, männlichen Genossen das Wort abdreht. Eine selbstbewusste Frau, könnte man sagen.
Als Staatssekretärin hat sie vergangene Woche mit ihrem Parteichef erste Erfolge öffentlich bejubelt. Tatsächlich ist das bisher beschlossene Programm vor allem ein sozialdemokratisches: Bankensteuer, höhere Wettgebühren – und ein Einfrieren der Mieten. Das alles wurde im Eiltempo durchgepeitscht – davon hätte selbst Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz nur träumen können, und der war schon ein echter Meister der ignorierten Begutachtungsfrist. Obwohl mit ÖVP und Neos zwei bürgerlich-liberale Parteien in der Regierung sind, sieht man von deren Handschrift derzeit noch wenig. Die ÖVP hat vor allem ein Nummer eins Thema. Sie möchte unbedingt den Familiennachzug stoppen (der seit dem Fall des syrischen Machthabers Bashar Al-Assad eigentlich gestoppt ist). Dieses Vorhaben hat man noch nicht ins Parlament gebracht, vielleicht weil es wahrscheinlich unionsrechtswidrig ist? Aber sehen wir Mal, wie sich die Lage in Syrien gerade wieder ändert. Dort werden ganze Dörfer ausgerottet - die neue, syrische Regierung ist teils Teil davon - oder hat es nicht im Griff. Es ist unübersichtlich, wir werden dazu die nächsten Tage intensiver berichten, es erreichen uns Geschichten über schreckliche Schicksale. Schauen Sie doch vorbei auf profil.at (freilich tun Sie das täglich und haben auch ein Abo, wenn nicht, Zeit wird’s. Hier!).
Mietpreisschummelbremse
Zurück zur rot-weiß-roten Regierung: Der erste Punkt geht also an die Sozis. Aber schauen wir uns da ein Detail genauer an: Die sogenannte Mietpreisbremse. Die neue Staatssekretärin Michaela Schmidt (ich werde den Namen so oft wie möglich schreiben, damit wir alle ihn uns merken) verkündete jubelnd: „Wir drücken jetzt aktiv die Stopptaste und entkoppeln die Mieten zumindest im geregelten Bereich komplett vom Verbraucherpreisindex.“ Heißt übersetzt: Die Mieten für Genossenschafts-, Altbau- und Gemeindewohnungen werden eingefroren, Inflationsanpassungen sollen gestoppt werden. Klingt großartig, oder?
Ist es das auch? Ich sage, naja. Geregelt werden damit nämlich jene Mieten, die ohnehin schon geregelt waren und in gewisser Weise „soziale Mieten“ sind. Wissen Sie, wie viel man als Vermieter im Altbau verlangen darf? Genauso viel wie Wiener Wohnen für Gemeindebauwohnungen. Und wenn man sich die Bausubstanz der Gemeindebauten und die dazugehörigen Rechnungshofkritiken ansieht – dass eben bei Weitem nicht genug renoviert wurde, dann ist der Grund für die vernachlässigten Bauten oft ein simpler: Die Mieten sind so gering, dass nicht genug Rücklagen für teure Sanierungen gebildet werden konnten. Also können sie nicht durchgeführt werden.
Achso? Aber ein privater Vermieter, der genauso viel verlangen darf, der soll bis 2040 mit genau welchem Geld thermische Sanierungen machen, um klimaneutral zu werden? Eine Antwort auf diese Frage findet sich im Regierungsprogramm nicht. Schauen Sie mal auf willhaben: Altbauwohnungen, die unter diesen regulierten Mietzins fallen, werden kaum noch zur Vermietung angeboten. Und der Grund ist, dass es für die Besitzer oft nicht nur kein Geschäft ist, sondern eben ein Minusgeschäft – und wer zahlt schon gern drauf. Ich werde viele böse Briefe kriegen, weil ich das hier schreibe.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Die rasant gestiegenen Mieten sind ein großes Problem, das auch die Inflation getrieben hat. Da hat die SPÖ schon recht. Gründe dafür sind allerdings im Neubau zu finden, wo die Mieten häufig unreguliert sind. Und die greift man vorerst auch nicht an. Warum eigentlich nicht? Kann mir bitte jemand erklären, warum man als Vermieter im Neubau, der weniger Sanierungsbedarf hat, mehr verlangen darf als in Altbauhäusern, die echte Spardosen sind, wenn man die Erhaltung ernst nimmt? Schwierig, eine Antwort zu finden.
Budgetloch ohne Boden
Zinshausbesitzer und Regierung sitzen irgendwie aber auch im selben Boot: Man muss Geld für dringend nötige Sanierungen auftreiben. Der von der EU berechnete Konsolidierungsbedarf für dieses Jahr beträgt 6,39 Milliarden Euro. Dieses „Budgetloch“ kam für die Verhandler relativ überraschend, angeblich. Aber wie kann das sein? Ich habe keine Ahnung, aber – festhalten! – wir wissen noch immer nicht, wie hoch der Konsolidierungsbedarf nun wirklich ist. Auch die 6,4 Milliarden Euro sind nur eine Schätzung, und zwar eine der EU.
Die ganze Wahrheit sollte am 31. März am Tisch liegen. Dann bekommt das Finanzministerium endlich vollständige Zahlen und zwar von der Statistik Austria. Die sammelt die Daten von Bund, aber auch Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen. Letztere drei haben noch nicht alles eingemeldet (weswegen das Ausmaß noch unbekannt ist) – es schaut teils düster aus. Weil die vergangene Regierung keinen neuen „Stabilitätspakt“ mit den Ländern verhandelt hat, haben die teils deutlich mehr Geld ausgegeben, als sie sollten. Ihre Schulden kommen auf jene des Bundes drauf.
Der Sozialversicherung, so hört man, fehlt sogar eine Milliarde Euro mehr als erwartet. Teils hat man weniger Einnahmen lukriert, als man erhoffte – das hat wohl mit höherer Arbeitslosigkeit zu tun, und dass in der Industrie gut bezahlte Jobs (und somit höhere Einnahmen für die Sozialversicherungen) weggefallen sind. Außerdem ist die von türkis-blau angekündigte „Patientenmilliarde“ aus Reformen der Sozialversicherung nie geflossen. Weil auch das muss man einmal laut sagen: Reformen kosten zuerst meistens auch echt viel Geld, bevor sie positive Effekte haben (falls sie welche haben).
Das Regierungsprogramm bleibt in vielen Punkten vage, nennt Vorhaben „vorbehaltlich der Budgetsituation“. Das neue Programm wurde auch ein wenig im Blindflug erstellt, weil man eben gar nicht weiß, wie viel Geld fehlt und wo man es hernehmen soll – mit Brüssel im Nacken.
Die Wirtschaft braucht Aufbruchstimmung, schwierig, das in dieser Situation zu erzeugen – denn die Lage ist wirklich ernst, das ist vor allem den multiplen Krisen geschuldet (Ukraine, Covid, hohe Energiekosten etc). Die Zukunft ist ebenso schwer zu prognostizieren (Trump, Putin, Klimawandel).
Was bleibt einem übrig, als sich die Laune möglichst nicht verderben zu lassen und die Ärmel hochzukrempeln? Fad wird es jedenfalls nicht.
Mir sowieso nicht. Ich muss ja immer guten Stoff bereithalten, um diesen Newsletter zu schreiben. Das werde ich künftig zumindest ein Mal pro Woche tun. An welchem Tag, das verrate ich Ihnen nicht. Ich will ja, dass Sie uns jeden Tag lesen – wenn Sie das gern tun, empfehlen Sie uns bitte weiter.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.
Ihre, Anna Thalhammer