Mann geht mit Regenschirm über eine Straße
Morgenpost

Trübe Aussichten

Die Inflation ist hoch, die Industrie schwächelt, die Arbeitslosigkeit steigt leicht – so gut wie alle Wirtschafts-Indikatoren zeigen derzeit in die falsche Richtung.

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Guten Morgen! Manchmal gehen wichtige Nachrichten im täglichen medialen Krach unter. Während sich vergangene Woche das halbe Land in Filmkritiken übte und über „Blutgeld“-Sager echauffierte, haben sich die Sozialpartner und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ohne viel öffentliches Getöse auf ein neues Kurzarbeitsmodell ab 1. Oktober geeinigt. Die große Befürchtung ist, dass wir es tatsächlich brauchen könnten.

So gut wie alle wirtschaftlichen Parameter zeigen derzeit nämlich in die falsche Richtung. Die Inflation ist mit 7,5 Prozent in Österreich und 5,3 Prozent im Euro-Raum noch immer zu hoch. Das macht eine weitere Anhebung des Leitzinses bei der kommenden EZB-Sitzung am Donnerstag zumindest nicht unwahrscheinlich. Gleichzeitig schwächelt die Konjunktur, und zwar ordentlich. Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt leicht gestiegen. Dass derzeit nicht mehr Menschen ihren Job verlieren, verdanken wir eher dem chronischen Fachkräftemangel der vergangenen Jahre, und zwar in allen Bereichen, als der guten Wirtschaftslage.

Erst am Montag hat die EU-Kommission ihre Wirtschaftsprognose für die EU nach unten korrigiert. In Deutschland soll die Wirtschaft heuer sogar um 0,4 Prozent schrumpfen. Hinter vorgehaltener Hand meinen heimische Ökonomen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man die Erwartungen für Österreich auch nach unten schrauben muss. Im zweiten Quartal sank das BIP real gegenüber dem Vorjahr um 1,1 Prozent. Dass es bis Ende des Jahres wieder bergauf geht, ist unwahrscheinlich. Mehr Gewissheit gibt es bei der Herbstprognose des Wifo und des IHS.

Und nicht zuletzt ist die Auftragslage in der Industrie „grottenschlecht“, wie einige Unternehmer beklagen. Das heißt, dass die Firmen heuer deutlich weniger Aufträge akquiriert haben als vergangenes Jahr. Nach und nach werden auch die Auftragsbestände, die wegen Corona und unterbrochener Lieferketten liegengeblieben sind, abgearbeitet. Im Baugewerbe, in der Metallverarbeitungs-, in der Papier- und Chemieindustrie steigt der Druck.

Zähe Verhandlungen

„Bevor es wirtschaftlich wieder besser wird, wird die Lage in Österreich nochmal etwas schlechter“, meint der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein. Angesichts dessen dürften ein paar Arbeitgeber das neue Kurzarbeitsmodell, das eigentlich das alte Vor-Corona-Modell ist, mit Blick auf den Winter derzeit genauer studieren. Einen Anstieg der Anträge auf Kurzarbeit sieht das AMS auf Nachfrage noch nicht. „Ende August 2023 waren 11 Betriebe bundesweit in Kurzarbeit, in den Monaten davor waren es weniger als 10.  Aussagen zur künftigen Entwicklung und zur Anzahl der Anträge zur neuen Kurzarbeitsbeihilfe oder Qualifizierungsbeihilfe sind derzeit schwer zu treffen“, heißt es auf Nachfrage. IV-Ökonom Helmenstein meint aber: „Es ist damit zu rechnen, dass wieder mehr Betriebe Kurzarbeit anmelden.“

Für die bevorstehenden Herbstlohnrunden kann das nur heißen, dass sie noch langwieriger, noch zäher und eine Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch schwieriger wird als im vergangenen Jahr. Die Gewerkschaft will angesichts der hohen Inflation keinen Kaufkraftverlust hinnehmen. Sie wird auf hohe Abschlüsse pochen, denn die Anpassung erfolgt immer rückwirkend. Die Arbeitgeber lobbyieren aber seit dem Sommer für mehr Zurückhaltung, denn üppige Gewinne wie im Vorjahr werde es heuer nicht mehr geben.

 

Die Zeichen stehen jedenfalls wieder auf Klassenkampf. Dem Thema widmet sich auch profil in seiner aktuellen Ausgabe. Einen ganz anderen Kampf führt gerade die Mutter einer besachwalteten Frau gegen den Justizapparat, wie Kollegin Edith Meinhart hier ausführlich berichtet.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".