Die "Vendetta Fight Night" während ein Kämpfer behandelt wird.
Morgenpost

Wiener MMA-Stars: Von Favoriten nach Las Vegas

Im ungarischen Győr fand am Wochenende die „Vendetta Fight Night“ statt. Lokalaugenschein bei der Kampfsport-Kaderschmiede.

Drucken

Schriftgröße

Quer durch die westungarische Stadt Győr führt eine vierspurige Straße. Sie trägt unterschiedliche Namen, ist aber Teil der Bundesstraße 1, die von der österreichischen Grenze in die Hauptstadt Budapest verläuft. Am westlichen Stadtrand Győrs – dort wo die Stadt nicht mehr malerisch ist, sondern einer Betonwüste gleicht – steht direkt neben der Bundesstraße 1 ein moderner Bau: die „Audi Arena Győr“. 

Eigentlich tragen die äußerst erfolgreichen Handballerinnen des Győri ETO KC hier ihre Heimspiele aus. Am vergangenen Samstag stand etwas anderes am Programm: Vendetta Fight Night, ein Abend des Kampfsports in verschiedenen Disziplinen. Manche Kämpfer maßen sich in K1 – einer japanischen Disziplin, die Muay Thai ähnelt – andere in Mixed Martial Arts (MMA), bei dem Techniken aus dem Boxen, Kickboxen und Ringen zum Einsatz kommen. Das Highlight des Abends waren zwei „bare-knuckle“-Fights, also Boxkämpfe, die ohne Handschuhe, sondern mit bandagierten Händen ausgetragen werden.

VIPs und Hooligans

Während das Blut spritzte, ging es auf den Rängen die meiste Zeit beinahe bedächtig zu. Das Publikum und das Ambiente waren – bis auf wenige Ausnahmen – von denen einer Handballpartie kaum zu unterscheiden. Es gab Vendetta-Merchandise zu kaufen, am Kiosk gab es Wasser, Bier und Chips. Wer sich länger anstellen wollte, konnte auch Popcorn kaufen. Für die rund 250 VIP-Gäste gab es gar ein mehrgängiges Menü, die Speisen und Getränke wurden ihnen an die Tische direkt neben dem Ring – der beim MMA traditionell ein achteckiger Käfig ist – serviert.

Stimmung unter den rund 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern kam auf, als der Ukrainer Julian Posdniakov seinen Kontrahenten mit einem rechten Haken ausknockte, und dann provokant durch den Ring stolzierte. Posdniakov ließ das gellende Pfeifkonzert genüsslich über sich ergehen. Sprechchöre gab es schon ein paar Minuten davor zu hören, als der Ungar David Mate seinen Kampf nach nicht einmal einer Minute für sich entschieden hatte. Er wurde von einer rund 20-köpfigen Abordnung von Fußballhooligans aus Sopron unterstützt, „Ö-den-burg Hoo-li-gans“ brüllten sie im Chor.

Geschäftstüchtiger Unternehmer

Vendetta Fight Night, das ist ein Grund, warum ich Ihnen das alles erzähle, ist ein österreichisches Format. Der Ausflug nach Westungarn war nicht der erste ins Ausland, die allermeisten Veranstaltungen werden aber im Hallmann-Dome in Wien-Favoriten organisiert. Gesicht der Unternehmung ist Bülent Saglam, in Győr trug er einen schwarzen Anzug und schüttelte zwischen den Kämpfen den Kontrahenten und ihren Betreuern die Hände. Über Saglam, dessen Freunde und dessen Gesinnung kursieren im Internet allerlei Gerüchte. Zu überprüfen sind sie schwer: Ein Interviewanfrage mit profil hat Saglam in seinem Büro in Wien-Margareten letzten Sommer äußerst freundlich, aber bestimmt abgelehnt.

Fest steht allerdings: Saglam ist ein sehr fleißiger Geschäftsmann, die Fight Night in Győr war schon die 38. in der fast 15-jährigen Geschichte der Eventreihe. Sogar in Istanbul fand schon einmal eine Veranstaltung statt. Die nächste Fight Night ist für 11. Mai wieder in Wien anberaumt.

Wiener in der Weltspitze

Sportlich haben die Kämpfe bei den Fight Nights, und das ist der zweite Anlass dieser Morgenpost, großen Wert. Jüngstes Beispiel dafür ist der Austro-Türke Ibo Aslan. Erst im März 2023 trat er bei Vendetta Nummer 33 in Wien an. Am Samstag – nur zwei Stunden nachdem die Fight Night in Győr zu Ende ging – debütierte er in der UFC, dem umsatzstärksten MMA-Verband der Welt. Die Topathleten können dort Millionen verdienen. Dahin ist es für den 27-jährigen Aslan noch ein langer Weg, aber mit seinem Sieg in der Nacht auf Samstag ist ihm ein erster Schritt gelungen. Aslan tritt zwar als Türke, und mit dem Kampfnamen „The Last Ottoman“ an, lebt und trainiert aber in Wien. 

Dasselbe gilt auch für Aleksandar Rakić, der allerdings unter österreichischer Fahne kämpft. Er ist ein Star in der Branche und liegt in seiner Gewichtsklasse auf Platz fünf der UFC-Rangliste. Am 13. April versucht er, noch weiter nach oben zu klettern. Da tritt der gelernte Hotelkaufmann bei einem UFC-Megaevent in Las Vegas gegen den Tschechen Jiří Procházka, den Ranglistendritten, an. Auch Rakić kämpfte vor etwa zehn Jahren noch in Wien bei Vendetta.

Es ist in der österreichischen Medienlandschaft um die Erfolge von Aslan und Rakić beachtlich still. Dabei gehören sie wohl schon jetzt zu den erfolgreichsten Kampfsportlern die Österreich seit dem Boxer Johann „Hansi“ Orsolics hervorgebracht hat. Manchmal zahlen sich auch Ausflüge an hässliche Ecken ansonsten schöner Städte aus.

Moritz Ablinger

Moritz Ablinger

ist seit Mai 2023 Redakteur im Österreich Ressort. Schreibt gerne über Abgründe, spielt gerne Schach und schaut gerne Fußball. Davor beim ballesterer.