In Österreich sind besonders viele Immobilienkredite variabel verzinst. Jetzt, wo die Zinsen steigen, wird das für viele zum Problem.
Morgenpost

Zinsdebatte: Ankündigung ohne Aussicht auf Umsetzung

Die Regierung kann sich vorstellen, dass variabel verzinste Kredite rückwirkend in fix verzinste umgewandelt werden sollen. Der Vorschlag ist aber rechtlich mehr als heikel – und nicht zuletzt populistisch.

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Mit Banken muss derzeit niemand Mitleid haben. Nach einem Jahrzehnt der Nullzinspolitik sind die Zinsen in sehr kurzer Zeit sehr stark gestiegen und eben diese Entwicklung hat den heimischen Finanzinstituten Rekordgewinne beschert. Allein im ersten Halbjahr 2023 haben alle österreichischen Banken laut Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) einen Gewinn von über sieben Milliarden Euro erwirtschaftet, also mehr als jemals zuvor und doppelt so viel, wie im ersten Halbjahr 2022.  In diese Gewinne sind naturgemäß auch jene gestiegenen Zinsen geflossen, die für tausende heimische Haushalte nun Mehrkosten von Hunderten von Euro pro Monat verursachen. Nämlich für all jene, die ihr Eigenheim mit einem variabel verzinsten Kredit finanzieren.

Geht es nach den Grünen – und die ÖVP zeigt sich zumindest gesprächsbereit –, sollen nun alle Häuslbauer, deren Kreditraten in sehr kurzer Zeit stark gestiegen sind, entlastet werden. Nämlich, indem ihre flexiblen Wohnbaukredite rückwirkend ab 2016 in einen fix verzinsten Kredit umgewandelt werden. Den fixen Zinssatz soll, so der Vorschlag der Grünen, die Finanzmarktaufsicht (FMA) festlegen, Banken sollen betroffenen Kunden entsprechende Umwandlungsangebote vorlegen. Von dem Vorschlag haben Banken und Aufsicht übrigens aus den Medien erfahren, wie ein profil-Rundruf zeigt. 

Das Zusammenspiel zwischen Zinsen, Inflation und Konjunktur ist sehr komplex und derzeit besonders fragil. Es gibt jedenfalls einen Grund, warum die EZB den Leitzins festlegt und nicht Regierungen, die schon im Wahlkampfmodus sind. So schmerzhaft die gestiegenen Kreditkosten auch sind, aber letztlich geht es genau darum bei der Bekämpfung der Inflation: die Zinsen steigen, die Kaufkraft sinkt und mit ihr die Nachfrage und die Teuerung. Mit rückwirkenden Eingriffen würde die Regierung aber die Maßnahmen der EZB konterkarieren. 

Das Vorhaben stößt nicht nur bei den Banken auf wenig Gegenliebe, auch heimische Ökonomen können dem, noch sehr vagen Entwurf, wenig abgewinnen. Er ist verfassungsrechtlich heikel. Und er versucht ein Problem zu lösen, das es so noch gar nicht gibt. Zumindest nicht laut Daten der OeNB: 39,6 Prozent der heimischen Wohnbaukredite sind variabel verzinst. Die Zinswende brachte außerdem keine große Wende bei der Art der Verzinsung. Denn noch immer (Stand Oktober 2023) werden 40,7 Prozent der Neukredite variabel verzinst. Je nach Bank schwankt der Anteil außerdem stark. Bei der Erste Group und der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich/Wien sind laut eigenen Angaben 80 Prozent der Kredite derzeit fix verzinst. 

Die Belastung durch die gestiegenen Zinsen trifft mit Sicherheit das Haushaltsbudget, aber sie lässt sich noch nicht an den Kreditausfallsraten ablesen. Die sind mit rund zwei Prozent noch immer historisch niedrig. Wobei sich heimische Banken schon für ein paar Kreditausfälle mehr rüsten und ihre Risikovorsorge erhöhen.

Rechtlich heikel

Dann ist da noch die rechtliche Frage: Wie soll – verfassungsrechtlich sauber – in bestehende Kreditverträge rückwirkend eingegriffen werden? Schon jetzt ist es möglich, einen variablen Kredit rückwirkend in einen fixen umzuwandeln, allerdings muss man dafür in der Regel die Differenz zwischen dem variablen und den fixen Zinssatz der vergangenen Jahre nachzahlen. Ob das auch im Regierungsvorschlag so vorgesehen ist? Noch unklar. Was passiert mit all jenen Kreditnehmerinnen, die ab 2016 trotz der sehr niedrigen variablen Zinsen einen teureren, fix verzinsten Kredit gewählt haben? Dürfen diese Kunden dann auch rückwirkend eine Überführung in einen variabel verzinsten Kredit verlangen und den Aufschlag, den sie jahrelang für mehr Zinssicherheit bezahlt haben, auch zurückfordern? Wifo-Chef Gabriel Felbermayr äußerte sich dazu auf X (vormals Twitter) so: „Das ist unfair. Alle, die sich risikobewusst mit Fixzinskrediten verschuldet haben wären die gelackmeierten.“ 

Und wen entlastet man damit eigentlich? Der Vorstoß richtet sich an überschuldete Haushalte, die kurz vor der Delogierung stehen. Das betrifft aber, glücklicherweise, einen Bruchteil der Kreditnehmerinnen. Zwei Drittel der Wohnungskäufer waren zu Beginn des Jahres noch institutionelle Investoren. Also Firmen, die Wohnungen gebaut oder gekauft haben, um sie dann zu vermieten. Viele von ihnen haben den Wohnbau mit flexiblen Krediten finanziert und auf Aufwertungen und hohe Renditen spekuliert. Richtet sich das Angebot der Regierung auch an diese Art von Kreditkundinnen? 

Ein konkreter Gesetzesvorschlag zur rückwirkenden Konvertierung von Wohnbaukrediten liegt jedenfalls noch nicht am Tisch. Die Gefahr ist aber groß, dass auch diese Ankündigung das gleiche Schicksal ereilt, wie schon ein paar andere Ankündigungen davor: Das Bargeld ist noch immer nicht in der Verfassung festgeschrieben (streng genommen genießt es dank EU auch schon Verfassungsrang). Die Mietpreisbremse gibt es zwar, aber leider nicht für all jene Mieterinnen und Mieter, die am privaten Wohnungsmarkt eine Wohnung suchen mussten. Und auch die Inflation lässt sich leider nicht so einfach per Gesetz auf zwei Prozent pro Jahr deckeln, wie das zuletzt die SPÖ forderte. 

Aber vielleicht geht es ja bei all diesen Ankündigungen mehr darum, sich am Wahltag daran zu erinnern, wer einen womit alles entlasten wollte – und weniger um juristische Wirklichkeiten und volkswirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".