Norbert Hofer (FPÖ) im Interview
Österreich

Norbert Hofer: "Zuwanderung ist wie das Salz in der Suppe"

Norbert Hofer würde für ORFIII GIS zahlen, tut es aber nicht. Der Dritte Nationalratspräsident und Ex-FPÖ-Chef über Chats, das schärfere Verbotsgesetz und seine Differenzen mit Herbert Kickl.

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Herr Hofer, haben Sie im Parlament bisher immer für Wolfgang Sobotka als Nationalratspräsidenten gestimmt?
Hofer
Ja, 2017 und 2019, also beide Male, bei denen ihn die ÖVP nominiert hat.
Würden Sie es jetzt wieder tun?
Hofer
Die FPÖ steht ihm sehr kritisch gegenüber. Wenn sich die Fraktion entscheiden würde, eine Person nicht zu wählen, würde ich nicht ausscheren. Aber dass ein Dritter Nationalratspräsident jetzt einen anderen Präsidenten nicht unterstützt, wäre unüblich.
Soll der Nationalratspräsident grundsätzlich abgewählt werden können?
Hofer
Der freiheitliche Klub hat dazu einen Antrag gestellt und ich habe keinen Grund, diesen Antrag zu hinterfragen. Es kann natürlich Situationen geben, in denen so etwas notwendig wäre
Wäre jetzt, nachdem Sobotka sehr umstritten ist, eine solche Situation?
Hofer
Da ich ein Präsidenten-Kollege bin, werde ich das nicht beurteilen.
Losgelöst von Sobotka – sollten Nationalratspräsidenten den Vorsitz in U-Ausschüssen führen?
Hofer
Ich war damit nie sonderlich glücklich, vor allem weil der Erste Nationalratspräsident viele andere Aufgaben hat. Meine Präferenz wäre, dass stattdessen jemand aus der Opposition den Vorsitz führt.
Die FPÖ hat oft davon gesprochen, den ORF unabhängiger machen zu wollen. Jetzt lässt sich in internen Chatgruppen aus der Regierungszeit nachlesen, dass sie ihn eigentlich nur freiheitlicher machen wollte. Haben Sie Ihre Wählerinnen und Wähler getäuscht?
Hofer
Die wesentlichste Forderung für uns war die Abschaffung der GIS-Gebühren. Und es ist auch auffallend, wie wenig ich in dieser Chat-Gruppe kommuniziert habe.
Haben Sie es nicht gelesen oder hat es Sie nicht interessiert?
Hofer
Ich war Regierungskoordinator und nicht Mediensprecher, Personaldebatten haben mich also hier nicht beschäftigt. Mir ging es um das ORF-Gesetz, und das war noch nicht reif. Aber ich war persönlich der Meinung, dass Alexander Wrabetz als Generaldirektor nicht die optimale Besetzung war. In einer Zeit, in der Streaming-Dienste immer stärker werden, hätten wir einen Gerd Bacher 2.0 gebraucht. Er hat damals den ORF wirklich in eine neue Zeit geführt.
In den Chats wurde aber über Loyalität, nicht Qualifikation diskutiert.
Hofer
Mit mir wurde das nicht diskutiert.
Können Sie sich auf Ihre passive Rolle in den Chats zurückziehen? An Sie schrieb Heinz-Christian Strache zum Beispiel: „Der ORF war uns gegenüber nie schlimmer, wir brauchen die Abschaffung der GIS.“, auch loyales Personal war Thema.
Hofer
Es wäre nicht ganz redlich, so zu tun, als wäre der ORF nicht von der Politik beeinflusst. Der Stiftungsrat wird so besetzt, wie er besetzt wird, die Spitze des ORF war immer Parteien zuordenbar. Auch die FPÖ musste sich überlegen, wie man Positionen optimal besetzt. Aber natürlich hätte man darüber nachdenken müssen, wie man die Sache weiter entflechten kann.
In den Chats regte sich Strache über David Schalkos Miniserie „M“ auf, weil ein Innenminister an Herbert Kickl erinnerte. Sie sollten Druck auf die ÖVP für eine ORF-Reform machen. Ist das nicht wahnsinnig kleinlich?
Hofer
Ja, das sehe ich auch so. Da ich dem Stoizismus zuspreche, würde ich es nicht so handhaben, dass ich die Nerven verliere, wenn mir ein Film nicht gefällt.
Es wurden Chats mit zwei Chefredakteuren publik, sie haben ihre Funktionen zurückgelegt. Rainer Nowak wurde in der FPÖ-internen Chatgruppe vorgehalten, dass er Zivildienst beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) gemacht hat. Was ist daran so schlimm?
Hofer
Gar nichts. Wer Zivildienst macht, leistet Großartiges für die Gesellschaft.
Ich vermute, das DÖW war eher das Problem, nicht der Zivildienst.
Hofer
Ja, es wird kritisch gesehen. Aber das sollte eigentlich kein Problem sein.
Der ORF wünscht sich eine Entpolitisierung. Unterstützen Sie das jetzt?
Hofer
Ja, aber man kann nicht von der öffentlichen Hand finanziert werden wollen und gleichzeitig dagegen sein, dass gewählte Volksvertreter mitreden. Wenn man das nicht will, muss man einen totalen Cut machen und ein selbstständiges Unternehmen werden.
Dazwischen gibt es für Sie nichts?
Hofer
Doch, ich halte zum Beispiel sehr viel von ORFIII. Dokumentationen, interessante Nachrichtensendungen – das ist genau das öffentlich-rechtliche Format, das Österreich braucht. Dancing Stars ist sehr beliebt, aber ich glaube nicht, dass das ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk braucht, genauso wie diese Sitcoms
Würden Sie für ORFIII GIS-Gebühren zahlen?
Hofer
Ja.
Aber Sie tun es nicht?
Hofer
Genau, ich habe mich abgemeldet.
Sie haben im Oktober ein Credo Ihrer politischen Arbeit veröffentlicht, unter anderem sind Sie für ein „gefestigtes ideologisches Weltbild frei von dogmatischen Übertreibungen“. Was war die Motivation dahinter?
Hofer
Ich möchte so etwas wie ein Handbuch für Politiker schreiben - für Menschen, die es werden wollen, oder die das Thema einfach interessiert. Mit Kapiteln über die Verfassung, aber auch über die Frage, wie eine Aussage von einem Politiker wirklich gemeint ist. Dazu wollte ich auch meine persönliche politische Haltung ausformulieren.
Fürchten Sie sich schon vor dem Mai 2054?
Hofer
Was haben wir denn da? Das Aus für Verbrennungsmotoren kommt ja schon früher.
Die FPÖ-Jugend warnt mit einem Countdown, den Sie mit der Bundespartei präsentiert hat, vor diesem Zeitpunkt: Dann sollen angeblich mehr Menschen mit als ohne Migrationshintergrund in Österreich leben.
Hofer
Ich fürchte mich vor gar nichts. Zuwanderung ist wie das Salz in der Suppe. Es ist immer gut für ein Land, wenn neue Ideen und Kulturen hineinkommen. Aber wenn man einen ganz massiven Zuzug aus islamischen Kulturen hätte, kann das ein Land überfordern. Das kann man nicht völlig ignorieren. Wenn jemand Asyl tatsächlich braucht, dann haben wir allerdings auch die Verpflichtung, die Person zu schützen.
Migrationshintergrund hat man laut Statistik Austria, wenn beide Eltern im Ausland geboren sind. Die FPÖ-Jugend geht aber weiter: Nachkommen haben immer den gleichen Migrationshintergrund wie die Eltern. Einmal Migrant, immer Migrant also.
Hofer
Die offizielle Definition ist mit Sicherheit richtig. Wenn man es lange genug zurückverfolgt, hat ja fast jeder Migrationshintergrund. Für mich ist das nicht wesentlich, sondern ob jemand Österreich schätzt, die Gesetze achtet und sich einbringt.
Für die Prognose geht die Parteijugend davon aus, dass sich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund „nicht vermischen“. Frei von dogmatischer Übertreibung ist das nicht, freundlich formuliert.
Norbert Hofer (FPÖ)
Hofer
Eine Jugendorganisation einer Partei hat immer das Recht, bei ihren Standpunkten extremere Positionen zu vertreten. Ich persönlich bin der Meinung, dass es immer auf den einzelnen Menschen ankommt und nicht darauf, wo er geboren wurde.
Muss man sich an die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention halten?
Hofer
Das tun wir ja. Aber wenn wir wissen, dass 100.000 Menschen in diesem Jahr einen Asylantrag gestellt haben, kann man diese Zahlen nicht einfach wegwischen. Sie überfordern uns auch in manchen Bereichen. Wir haben eine große Verpflichtung ukrainischen Kriegsflüchtlingen gegenüber. Aber die EU muss Verträge einhalten und die Schengen-Außengrenze richtig kontrollieren. In sicheren Zonen sollte es dann außerhalb des Kontinents Asylverfahren geben.
profil
Die Regierung will ein strengeres Verbotsgesetz. Das Tragen eines Judensterns mit der Aufschrift „ungeimpft“ soll geahndet werden. Begrüßen Sie das?
Hofer
Ich finde das Tragen eines Judensterns äußerst unpassend. Ich bin dafür, diese Leute zu belangen. Es gibt aber auch Dinge, die mir bei der Novelle fehlen. Wir brauchen ähnliche Verbote, was den radikalen Islam betrifft. Und ich würde mir wünschen, dass auch Menschen zur Verantwortung gezogen werden, die leichtfertig jemanden als Nazi bezeichnen. Auch das ist eine Form der Verharmlosung.
Ist das für Sie auf einer Ebene mit der Verharmlosung des Nationalsozialismus?
Hofer
Das waren Menschen, die Millionen von Juden umgebracht haben. Man muss schon den Blick darauf schärfen, wenn der Begriff inflationär verwendet wird.
Wenn ich Sie jetzt– theoretisch – einen Nazi schimpfen würde, könnten Sie juristisch dagegen vorgehen.
Hofer
Ja, ich könnte Sie dann verklagen. Als Stoiker würde ich das übrigens nicht tun. Aber ich glaube, es müsste hier einen Automatismus geben, damit nicht leichtfertig mit dem Begriff umgegangen wird.
Sie müssen immer wieder zur Nähe der FPÖ mit dem Rechtsextremismus und der Identitären Stellung nehmen. Es gibt gemeinsame Demo-Besuche, FPÖ-Chef Herbert Kickl nennt sie „ein unterstützenswertes Projekt“. Wieso kann sich die Partei nicht endgültig abgrenzen?
Hofer
Ich hatte als Parteiobmann eine andere Sicht der Dinge. Herbert Kickl ist jetzt Obmann, ist dabei sehr erfolgreich und sieht die Identitären mit etwas milderem Auge. Aber es wird auch mit zweierlei Maß gemessen, andere Parteien werden nicht ständig zur Antifa gefragt.
FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte im Sommer, „das ganze Klima ist ein Wandel. Wir haben eine Klimaveränderung und wir sind auf der Suche nach den Faktoren.“ Sind nicht Emissionen der Hauptfaktor?
Hofer
Ich habe vor Jahren ein Buch geschrieben und in der Partei viel diskutiert. Mein Argument war immer: Es ist egal, ob du findest, dass der Mensch eine kleine oder große Rolle spielt. Österreich muss seine Unabhängigkeit bei der Energieversorgung erlangen, und das geht nur mit Erneuerbaren.
Sie sind also für mehr Windräder, Fotovoltaikanlagen?
Hofer
Ja, aber vor allem für mehr Speichermöglichkeiten. Das ist unsere größte Herausforderung, denn es weht nicht immer Wind. Wir müssen auch die Geothermie intensiv nutzen. Es ist für mich nicht ungefährlich, das zu sagen, aber wir müssen auch die Forschung im Bereich Salzwasserkraftwerke mit Thorium vorantreiben.
Es gibt auch viele Argumente dagegen: Es wäre ein Kernkraftwerk, man müsste Thorium importieren.
Hofer
Diese Kraftwerke sind so groß wie Container, das hat mit den Bildern von Atomkraftwerken nichts zu tun. Werden Neutronen nicht mehr zugeführt, gibt es auch keine Reaktion, und es wird kein Wasser gebraucht. Ich kann nicht garantieren, dass wir uns damit bald mit Energie versorgen können. Aber ich hoffe, dass die Forschung so weit sein wird.
Muss man den Menschen sagen, dass Sie sich einschränken müssen?
Hofer
Das Leben ist immer auch Einschränkung, die wird es natürlich geben. Aber ich glaube fest daran, dass sich besonders in Krisenzeiten Wissenschaft und Technik besonderes rasch entwickeln werden. Wir werden Lösungen finden.
Sind Sie eigentlich noch Vegetarier?
Hofer
Nein, aber ich esse nur sehr wenig Fleisch. Es schmeckt mir gar nicht mehr so gut. Was ich aber nie sein könnte, ist Veganer. Dafür esse ich viel zu gerne Käse.

Norbert Hofer, 51,

ist seit 2019 Dritter Nationalratspräsident, das Amt hatte er allerdings auch schon von 2013 bis 2017 inne. In der türkis-blauen Regierung wurde Hofer Verkehrsminister und Regierungskoordinator. Nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dem Bruch der Koalition übernahm er die Funktion des FPÖ-Chefs. Im Sommer 2021 trat er nach internen Unstimmigkeiten zurück,  Herbert Kickl folgte ihm nach. Hofer erreichte bei der Bundespräsidentenwahl 2016 rund 46 Prozent, bei der nächsten Wahl möchte er wieder kandidieren. Hofer ist auch Gemeinderat im burgenländischen Pinkafeld. 

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.