Bildungsminister Faßmann: "Ich handle nach dem eigenen Gewissen"

Der ÖVP-Bildungsminister Faßmann über antisemitische Postings.

Drucken

Schriftgröße

profil: Sie werden von vielen Seiten zu einer Entschuldigung gedrängt. Werden Sie sich entschuldigen? Faßmann: Ich wüsste nicht, bei wem ich mich zu entschuldigen hätte. Ich habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass man nicht alle Hasstiraden im Netz zum öffentlichen Thema machen sollte, um das sich der Minister zu kümmern hat. Dann geben wir genau den Falschen öffentlichen Raum.

profil: Wörtlich sagten Sie im ORF-Interview "ignorieren". Faßmann: Es wäre eine verkürzte Auffassung, dass ich zum Ignorieren von Antisemitismus aufgerufen hätte. Ich habe in vielen Reden gesagt, es gibt keine "Schlussstrich"-Debatte. Wir müssen unsere historische Verantwortung wahrnehmen und auch Sorge tragen, dass die Sensibilität gegenüber Antisemitismus bleibt, auch dann, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt. Aber ich möchte nicht jedem Poster Beachtung schenken.

profil: Was man nicht beachtet, das gibt es nicht: Ist das nicht naiv? Faßmann: Keine Frage: Es gibt Hasspostings, und es gibt Antisemitismus. Das ignoriere ich gar nicht. Aber ich will die Personen nicht aufwerten. Die wollen ja Öffentlichkeit, und genau den Gefallen will ich ihnen nicht tun.

profil: Auf der Antisemitismus-Konferenz wurde ein klarer Standpunkt vertreten: Was in der gedruckten Welt nicht erlaubt ist, darf auch im Netz nicht erlaubt sein. Faßmann: Dem kann ich viel abgewinnen. Die Personen, die Hassparolen von sich geben, sollten mit vollem Namen unterschreiben.

profil: Dazu werden Sie Facebook nicht zwingen können. Faßmann: Aber ich kann den Anspruch haben, dass die Person hinter einer Meinung identifizierbar sein soll.

profil: Sie sagten auch, es sei Aufgabe der Politik, sicherzustellen, dass Antisemitismus nicht gesellschaftsfähig wird. Was schwebt Ihnen vor? Faßmann: Auch durch die Vorbildwirkung der Politik, die Art, wie sie Sprache gebraucht und welche Meinung sie zu Antisemitismus, Anti-Zionismus und Israel hat.

profil: Israels Premier Benjamin Netanyahu kam nicht zur Antisemitismus-Konferenz. Im Falle seiner Teilnahme hätte er sich ausbedungen, keine FPÖ-Vertreter treffen zu müssen. Ist die FPÖ antisemitisch und antizionistisch? Faßmann: Das ist Netanyahus Meinung, das bewerte ich nicht. Ich jedenfalls habe Treffen mit Überlebenden des Holocaust alleine und ohne Vertreter des Regierungspartners absolviert.

profil: Ariel Muzicant sagt, seit Regierungsantritt der FPÖ habe es "Hunderte Einzelfälle" von Antisemitismus gegeben. Faßmann: Ich kann diese Zahl nicht nachvollziehen. Aber ich verstehe die Sensibilität der Kultusgemeinde gegenüber dem Agieren des Koalitionspartners.

profil: Ein Argument der Kultusgemeinde lautet, dass keine Minderheit zum Sündenbock gemacht werden dürfe -wie etwa kürzlich im Ali-Video der FPÖ. Faßmann: Die Aufgabe des Bildungssektors ist, Menschen zu erziehen, die Verständnis füreinander haben. Insofern ist alles, was Fragmentierung hervorrufen kann, kritisch zu hinterfragen.

profil: Sie sind Wissenschafter. Wie würden Sie "stichhaltiges Gerücht" definieren? Faßmann: Der Begriff "stichhaltig" impliziert, dass Beweise vorliegen. Wenn Beweise vorliegen, ist es aber kein Gerücht mehr. Insofern werden zwei Begriffe verknüpft, die einander ausschließen.

profil: Die FPÖ glaubt, "stichhaltige Gerüchte" zu kennen, dass George Soros Flüchtlingsströme steuere. Faßmann: Man muss auch nicht auf jede Verschwörungstheorie außerhalb des Internets reagieren. Das würde meinem wissenschaftlichen Ethos widersprechen.

profil: Sie bemühen sich, die in Ungarn unerwünschte Soros-Universität CEU nach Wien zu holen. Der FPÖ-Klubobmann sagt dazu: "Wir sehen das mit einem kritischen Auge." Faßmann: Ich sehe es mit einem optimistischen Auge. Die CEU ist eine international anerkannte Universität, die zur Bereicherung des Universitätsstandortes Wien beitragen würde. Das gehört zu meiner Vorstellung davon, wo ich Österreich in Zukunft verstärkt sehen möchte: als Republik, in der Intellektualität eine Heimstätte hat und Universitäten wichtige Träger der Entwicklung sind.

profil: Wie wollen Sie die FPÖ überzeugen? Faßmann: Das ist kein Thema für die Koalition oder gar die Koordinierung. Diese Entscheidung trifft unser Ministerium. Außerdem handelt es sich um eine Privatuniversität, die keine öffentlichen Gelder in Anspruch nimmt.

profil: Es gab Gezerre um den ÖH-Wahltermin. Warum wollte die FP ihn verschieben? Faßmann: Die FPÖ wollte ihn in den Juni verschieben. Ich würde nie annehmen, dass die EU-Wahlen dafür ein Grund wären. Ich habe mich für einen Termin im Mai entschieden.

profil: Sie haben den Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt kritisiert und Österreich als Einwanderungsland bezeichnet. Es heißt, Sie bekamen dafür Zuspruch. Stimmt das? Faßmann: Ich habe mich auf empirische Fakten bezogen. Meine Kritik am Pakt habe ich auch erläutert. Dabei belasse ich es. Und ja, es gab tatsächlich viel Zuspruch, auch im öffentlichen Raum. Ich wurde sogar im Supermarkt angesprochen. Für mich als Uneitlen spielt das aber keine Rolle. Ich handle nach dem eigenen Gewissen.

Interview: Eva Linsinger

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin