Starpianist Igor Levit: "Hören, erleben. So, wie es halt geht."

Die Corona-Chroniken: Pianist Igor Levit spielt Hauskonzerte auf Twitter

Aktuelles aus dem Leben mit der Corona-Krise: Das Tagebuch der profil-Redaktion.

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15.3.2020: Zusammen ist man weniger allein

Man muss keine Fotos von überfüllten Einkaufsstraßen oder Straßencafés in den Social Media sehen, um zu erkennen, wie schwer es für Menschen ist, sich in Zeiten von Corona an ein neues Lebensgefühl namens social distancing zu gewöhnen. Wir wollen uns treffen, berühren, in die Arme nehmen; wir wollen uns küssen, Hand in Hand durch die Museen und Parks spazieren, mit Eltern und Kindern am Spielplatz treffen oder gemeinsam zu Konzerten gehen.

Der Pianist Igor Levit, Klassikstar, 33 Jahre jung, der sich auf Twitter mit gesellschaftlichen Kommentaren nicht zurückhält, macht aus der Not eine Tugend. Seit Donnerstag spielt er jeden Tag live auf Twitter ein Hauskonzert. „Die Konzertsäle sind leer, gemeinsames Hören und Erleben von Musik ist nicht möglich“, schreibt er seinen knapp 58.000 Followern. Das sei traurig, jedoch notwendig. Und gut so. „Trotzdem möchte ich Musik weiter mit Euch teilen. Hören, erleben. So, wie es halt geht. Also probiere ich mal etwas aus: mein Hauskonzert.“

Levit, der zum Beethoven-Jubiläum erst kürzlich eine Gesamtaufnahme aller 32 Klaviersonaten herausgebracht hat, startet seine Wohnzimmerkonzerte täglich um 19.00 Uhr – und sie sind eine wahre Wohltat. Das Bild, das ihn an einem Flügel sitzend in seiner Wohnung zeigt, ist grieselig, der Ton schlecht, aber es geht ihm eben um das große Ganze. Levit schafft mit seinen Klavierkonzerten, die bis zu einer Stunde dauern, ein Gefühl des Zusammenhalts. Zusammen ist man eben weniger allein. Am Freitag spielte der Beethoven-Auskenner daher kurzerhand Frederic Rzewskis’ „The Peolpe United Will Never Be Defeated“. Er werde mit den täglichen Konzerten weitermachen, schreibt er auf Twitter. Solang es eben notwendig ist. „Ich danke Euch. Euch allen. So sehr. Herzschlag 200. Bis morgen.“

Sollten Ihnen die täglichen Hauskonzerte nicht reichen, sei Ihnen an dieser Stelle noch der Podcast „32 x Beethoven“ ans Herz gelegt. In 32 Folgen – eine für jede Sonate – bespricht Igor Levit mit dem Beethoven-Experten Anselm Cybinski, was Beethovens Musik so revolutionär und einzigartig macht – und wie es sich anfühlt, sie zu spielen.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.