E-Voting für die Nationalratswahl?

Zeitgleich mit den österreichischen Nationalratswahlen finden in Estland die Gemeinderatswahlen statt, bei denen die Bürger auch elektronisch abstimmen können. In Österreich ist ein elektronisches Wahlsystem in naher Zukunft wohl nicht möglich. Warum eigentlich?

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Gestern ist es wieder etwas länger geworden. Aus einem Bier wurden doch irgendwie fünf, zusätzlich dazu etwas Schnaps und aus “Ich will vor Mitternacht zu Hause sein” eine leere Floskel. Noch ganz benommen im Bett erfolgt der Griff zum Smartphone. Es ist 16 Uhr und die Nachrichten stapeln sich am Sperrbildschirm. „Wo bist du?” und „Wir wollten doch heute zusammen wählen gehen?”

Blitzartig kommt die Erinnerung: Heute ist Nationalratswahl und das Wahllokal im Ort hat bereits geschlossen. Der kurze Schock ist schnell überwunden. Das Innenministerium hat doch vor der Wahl eine App veröffentlicht, mit der man über das Internet seine Stimme abgeben kann. Kurz identifizieren per Gesicht und Fingerabdruck, Häkchen setzen, fertig.

So oder so ähnlich könnte ein E-Voting-System in Österreich funktionieren. Doch welche Probleme gibt es bei der elektronischen Stimmabgabe – und wird das überhaupt irgendwo schon erfolgreich praktiziert?

Estland - Vorreiter im E-Voting

Als erstes Land der Welt hat sich Estland bereits im Herbst 2005 in die Sphären des E-Votings gewagt. Bei Kommunalwahlen konnten die Bürger des baltischen Staates bereits damals ihre Stimme über das Internet abgeben. Der Prozess der Stimmabgabe funktioniert dabei ähnlich wie die Überweisung beim E-Banking. Man loggt sich mit Identifikationsnummer und PIN ein und setzt dann sein Häkchen. Die abgegebene Stimme wird verschlüsselt an einen zentralen Server geschickt und zwischengelagert. Um die elektronisch abgegebenen Stimmen zu entschlüsseln, muss das gesamte nationale Wahlkomitee zusammentreten. Jedes Mitglied dieses Komitees besitzt einen elektronischen Schlüssel und nur alle zusammen können die elektronischen Stimmzettel lesbar machen.

Die Stimmen werden vor der Auszählung von allen persönlichen Daten getrennt, so dass nur die Information über die gewählte Partei übrig bleibt. Von wem die Stimme kommt, bleibt geheim. Bei den kommenden Gemeinderatswahlen in Estland, die zeitgleich mit den Nationalratswahlen in Österreich am 15. Oktober stattfinden, wird es wieder möglich sein, elektronisch seine Stimme abzugeben.

Kritik am estnischen E-Voting

Kritiker werfen dem estnischen System häufig vor, dass es möglich sei, die abgegebene Stimme bis zum Wahlschluss immer wieder zu ändern. Man kann also am Vormittag für Partei A stimmen, sich aber im Laufe des Tages doch noch umentscheiden und bei Partei B ankreuzen. Am Ende zählt dort dann die zuletzt abgegebene Stimme. Für die Änderung muss eine Speicherung der Identität stattfinden, zumindest bis zum Wahlende. Das bedeutet also, dass das Wahlgeheimnis im Grunde genommen nicht gewährt wird. Grundsätzlich werfen viele Kritiker dem E-Voting vor, zu undurchsichtig zu sein. Der Prozess einer Wahl mit Stimmzettel lässt sich beispielsweise sehr gut beschreiben und beobachten, auch von außen. Das sei bei einem elektronischen Wahlsystem nicht gegeben. Einerseits habe man nie ganz Einblick, was in der Software abläuft, andererseits ist es nahezu unmöglich zu verhindern, dass sich Hacker Zugang zum Stimmsystem verschaffen könnten. Tatsächlich sind bereits viele Versuche im Bereich des E-Votings auf der ganzen Welt gescheitert. Beispielsweise 2004 bei den Präsidentschaftswahlen in den USA oder SMS-Wahlen an der Universität Zürich im Jahr 2006.

E-Voting in Österreich

Laut der Website des Österreichischen Innenministeriums besteht hierzulande derzeit “keine geeignete Rechtsgrundlage für Wahlen auf elektronischem Weg”. Trotzdem beobachte man E-Votings im Ausland, aber auch in Österreich selbst. Bei den Hochschülerschaftswahlen an den österreichischen Universitäten 2009 war es etwa möglich, per E-Voting seine Stimme abzugeben. Durchgesetzt wurde das vom damals zuständigen Minister Johannes Hahn (ÖVP). An mehreren Standorten wurden die Wahlen jedoch wegen administrativer Probleme oder Fehlern bei elektronischen Stimmzetteln angefochten oder aufgehoben. In einem Urteil des Jahres 2011 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGh) die Verordnung zum E-Voting bei der ÖH-Wahl als gesetzwidrig aufgehoben. Dabei wurde nicht das elektronische Wählen an sich in Frage gestellt, sondern der Stand der Entwicklungen.

Standpunkte der österreichischen Parteien

Auf Anfrage des Internetportals „Futurezone“, das von der Tageszeitung „Kurier“ geführt wird, gab die ÖVP an, dass sie für die verstärkte Partizipation über das Internet ist, natürlich unter Berücksichtigung von Datenschutz und Wahlrecht. Die SPÖ ist demnach grundsätzlich dagegen, solange das System nicht hundertprozentig sicher ist. Die FPÖ positioniert sich entschieden gegen die Einführung von E-Voting-Systemen, ebenso die Grünen. Die Neos wollen ähnlich wie die SPÖ noch abwarten, bis Manipulationsmöglichkeiten komplett ausgeschlossen sind, die KPÖ lehnt E-Voting ab.