Eurasier unter sich

Eurasier unter sich: Mit wem sich Heinz-Christian Strache in Wien traf

FPÖ. Anitsemiten, Spinner, Verschwörungstheoretiker: Mit wem sich Heinz-Christian Strache in Wien traf

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Üblicherweise richtet Natalie Holzmüller in Wien Bälle oder Benefiz-Soiréen für Auslandsrussen aus. Jene Tagung, die die russischstämmige Eventmanagerin am vorvergangenen Samstag im noblen Palais Liechtenstein in unmittelbarer Nähe von Kanzleramt und Präsidentschaftskanzlei zu organisieren hatte, unterschied sich einigermaßen von den üblichen Veranstaltungen: Alle Einladungen waren bereits versendet - es war nur noch für Blumenschmuck und Verpflegung zu sorgen.

An Geld mangelte es nicht, das kam von dem 39-jährigen Oligarchen Konstantin Malofeev, der seinen Reichtum gewaltigen Investments in Industrie, Landwirtschaft, vor allem aber in das größte Telekom-Unternehmen Russlands, Rostelekom, verdankt.

Dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der Wiener FPÖ-Abgeordnete Johann Herzog zu dieser streng geheimen Tagung geladen waren, ist wenig überraschend: Die FPÖ ist schließlich die einzige Partei in Österreich, die dem Treiben des russischen Präsidenten Wladimir Putin einiges abgewinnen kann. Der Wiener FPÖ-Chef Johann Gudenus und der Außenpolitik-Sprecher der FPÖ, Johannes Hübner, hatten schon im vergangenen März wohlwollend das Krim-Referendum "beobachtet“ - für die Unkosten kam das vom rechtsradikalen Belgier Luc Michel geleitete "Eurasian Observatory for Democracy and Elections“ auf, das seinerseits von Moskau finanziert wird. Strache selbst reiste Anfang Mai nach Genf um dort mit dem russischen UN-Botschafter Alexej Borodawkin über "Autonomieforderungen der russischen Mehrheitsbevölkerung in der Ost-und Südukraine“ zu parlieren.

Das alles wirkt aber noch reputierlich im Vergleich zu jener dubiosen Runde, die sich laut einem Bericht des Schweizer "Tages-Anzeigers“ vergangenen Samstag in Wien versammelte.

Zentralfigur war der 52-jährige Alexander Dugin, wichtigster Vordenker einer Eurasischen Union, der Wladimir Putin seit Neuestem anhängt. Die Idee dazu reicht bis in die 1920er-Jahre zurück: auf eine Gruppe antibolschewistischer russischer Emigranten, die der "Weißen Bewegung“ nahestanden und einen unüberwindlichen Antagonismus zwischen dem russischen Reich mit seinen asiatischen Einschlägen und der romanischen Kultur Westeuropas predigten - mit rassistischen und antisemitischen Untertönen.

Bei Dugin heißt der Gegner Amerika, genauer gesagt: das westliche Gesellschaftsmodell. Bereits 1992 fantasierte er unter dem Titel "Der Große Krieg der Kontinente“ von einem "okkulten punischen Krieg“ zwischen zwei uralten geheimen Ordensbrüderschaften: den "Atlantikern“ und den "Eurasiern“. Zu Letzteren, mit denen er sympathisiert, zählte Dugin etwa Reinhard Heydrich, den Chef des SS-Geheimdienstes.

„Faschistischer Faschismus”
Ein platter Neonazi ist der Eurasien-Chefideologe freilich nicht. In der programmatischen Schrift "Faschismus - grenzenlos und rot“ prophezeit Dugin die Entwicklung eines "authentischen, realen, radikalen, revolutionären und konsequenten, eines faschistischen Faschismus“ für Russland. Dabei sei es "völlig unberechtigt, den Faschismus eine ‚extrem rechte‘ Ideologie zu nennen. Dieses Phänomen wird viel besser charakterisiert durch die paradoxe Formel ‚Konservative Revolution‘“.

Mit derart bizarren Gedankengängen bewegte sich Dugin lange Zeit am Narrensaum der russischen Politik. In der Ära Putin konnte er damit Karriere machen. Inzwischen amtiert er als Vorstand des Soziologie-Instituts an der angesehenen Moskauer Lomonossow-Universität und hält quasi-offiziell Kontakt zu Gleichgesinnten in Europa. Im vergangenen Jahr verschaffte er etwa dem Gründer der ungarischen Jobbik-Partei, deren Mitglieder mit antisemitischen Aussagen und NS-artigen Uniformen auffallen, Kontakte in Moskau. Dem inhaftierten Chef der neofaschistischen Partei "Goldene Morgenröte“ in Griechenland sprach Dugin brieflich Mut zu.

Weitere Mitglieder der von Strache und Herzog veredelten Tagung sind nicht weniger windig:

• Wolen Siderow, 58, Chef der bulgarischen Partei Ataka, ist ein strammer Antisemit, der "eine Clique von radikalen Juden, die von anderen Juden-Kapitalisten aus den USA finanziert werden“, für die politischen Angriffe auf Russland verantwortlich macht. 2007 stürmte er mit 50 Unterstützern in Sofia eine missliebige Zeitungsredaktion. 2010 musste eine Lufthansa-Maschine eine Stunde über Frankfurt kreisen, weil Siderow die Besatzung rassistisch beschimpfte und sich weigerte, seinen Platz einzunehmen.

• Ilja Glasunow, 84, ist ein bekannter russischer Maler und Verfechter der Wiedereinführung der Monarchie. Während der Perestrojka engagierte er sich in der Pamjat-Bewegung, die sich für die Wiederbelebung alter russischer Werte einsetzte. Diese sah sie durch jüdische und freimaurerische Verschwörungen gefährdet.

• Sixto von Bourbon-Parma, 73, ist ein spanischer Adeliger mit Kontakten zu Rechtsradikalen. Als der französische Erzbischof Marcel Lefebvre 1988 entgegen einer päpstlichen Weisung vier Bischöfe weihte und dafür exkommuniziert wurde, war Don Sixtus mit von der Partie. "Juden, Kommunisten und Freimaurer“ waren für Lefebvre das Hauptübel, die Militärdiktaturen in Argentinien und Chile lobte er ausdrücklich.

• Aymeric Cauprade, 45, ist ein französischer Politologe, der sich für eine Achse Paris-Berlin-Moskau starkmacht. Seinen radikalen Anti-Amerikanismus lebte er 2001 aus, als er behauptete, der US-Geheimdienst habe die Türme des World Trade Center selbst gesprengt.

• Roberto de Mattei, 66, Kirchenhistoriker aus Rom, sah den Tsunami nach dem Erdbeben in Japan als Strafe Gottes. Das Römische Reich sei wegen der verbreiteten Homosexualität untergegangen, glaubt er.

• Marion Maréchal-Le Pen, 34, ist die Enkelin des Gründers der rechtsextremen französischen Partei Front National. Im Parlament setzt sie sich gegen die Gleichberechtigung Homosexueller ein.

Was sich Putin vom Kuscheln mit Leuten dieses Schlags verspricht, ist nicht ganz klar. Pessimisten wittern dahinter eine Strategie, um die EU von innen heraus zu schwächen. Davon kann vorerst zwar keine Rede sein. Aber einige der neuen Freunde Russlands haben bereits bewiesen, dass sie bereit sind, sich dankbar zu erweisen - etwa jener EU-Abgeordnete der Jobbik-Partei, der im April vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats mit einem T-Shirt auftrat, auf dem der Slogan "Die Krim gehört legal zu Russland“ prangte.