Frank Stronach: Der Goldesel

Polternde Fernsehauftritte, skurrile Forderungen, Absturz in den Umfragen: Frank Stronach wurde im Wahlkampf zur Lachnummer. Davon profitiert vor allem H. C. Strache.

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Dieser Text erschien erstmals im profil 38/2013 am 16.09.2013.

Englisch kann er: Mit weit weniger Akzent, als dies von jedem anderen österreichischen Politiker zu erwarten wäre, trällerte der alte Herr auf "Wahlfahrt“ mit ORF-Redakteur Hanno Settele ebenso angejahrte Elvis-Hadern vor sich hin: "Are you lonesome tonight …“ Dazu hat er vielleicht mit seiner Elfriede in irgendeiner kanadischen Vorstadtbar getanzt, damals in den 1960er-Jahren, als seine ganz große Zeit gerade begann.

So glückhafte Momente erlebt Frank Stronach in diesem Wahlkampf selten. Seit Wochen quält er sich durch seine Kampagne, kaum ein Auftritt, über den sich nicht sogleich Kabarettisten und Satiriker hermachen, kaum eine Fernsehdiskussion, in der er nicht früher oder später ausrastet und Moderatoren oder gar - wie vergangene Woche bei der "Wahlarena“ auf Puls 4 - das Publikum abkanzelt.

Franks Privatmeinung

Zuletzt konnte nicht einmal mehr seine eigene Partei mit: Nachdem er seine engste Vertraute Kathrin Nachbaur vor laufender Kamera aufgefordert hatte, die "Todesstrafe für Berufskiller“ ins Parteiprogramm aufzunehmen, winkte die Juristin ab: Das sei nur Franks Privatmeinung. Gleiches geschah wenige Tage später. Nachdem Stronach in einer Fernsehdebatte "kein Problem“ damit hatte, dass sein Telefon vielleicht vom US-Militärgeheimdienst NSA abgehört wird, "relativierte“ sogar der sonst so ergebene Klubobmann Robert Lugar: Stronach habe doch bloß die legale Kooperation heimischer Geheimdienste mit den Amerikanern gemeint.

Es läuft schlecht für den Milliardär und seine Leute: Zweistellig wollte man bei der Nationalratswahl werden, tatsächlich ist das Team Stronach in der dieswöchigen profil-Umfrage auf sechs Prozent abgerutscht. Die enttäuschten Stronach-Fans wandern offenbar zur FPÖ ab, die bereits bei 20 Prozent rangiert.

Stronach selbst stürzt in der Direktwahlfrage gleich um drei Prozentpunkte ab. Daran sind vor allem seine Fernsehauftritte schuld: Zwei von drei Zusehern glauben, diese hätten ihm geschadet, nur jeder Zehnte meint, Stronach hätte daraus Nutzen gezogen (siehe Grafiken Seite 24).

Seine engsten Berater hatten das Fiasko offenbar kommen gesehen. Schon vor dem Sommer versuchte Stronachs Medienmann Tillmann Fuchs - er war früher Chef von ATV - seinen Chef und den ORF zu überreden, bei den Zweierkonfrontationen auch Ersatzdiskutanten zuzulassen. In beiden Fällen offenbar vergeblich. Jetzt ist nur noch Schadensbegrenzung möglich. Bloß noch ein Mal, im Duell mit Eva Glawischnig am kommenden Donnerstag, wird sich Stronach den ORF-Kameras stellen - dann ist Schluss. In der vorwöchigen Konfrontation mit FPÖ-Chef Strache war es den Beratern zumindest gelungen, ihren Frank etwas zu dämpfen. In manchen Momenten kam der Tycoon sogar als sympathischer Opa über den Schirm, was freilich auch an Strache liegen kann.

Warum er sich das antut

Angesichts dieses Debakels fragen sich Freunde und Gegner, warum sich der Erfolgsmensch das alles noch antut. Vertraute meinen, Stronach verstehe diesen zweiten Anlauf in der Politik (der erste fand vor einem Vierteljahrhundert in Kanada statt und scheiterte krachend) als eine Art "Legacy“, also als sein Vermächtnis. Mit 81 Jahren machen sich wohl die meisten Menschen Gedanken darüber, was eines Tages von ihnen bleiben wird. Tragisch am Fall Stronach ist, dass er gerade dabei ist, sein eigentliches Vermächtnis als erfolgreicher Unternehmer zu zerstören.

Als er vor über 20 Jahren beschloss, groß in Österreich zu investieren, war allgemeine Begeisterung ausgebrochen. Stronachs Bio sei "Ansporn und Trost für jene, die sich ihren Traum nicht erfüllen konnten“, wurde sogar der sonst nicht dazu neigende "Standard“ pathetisch. "Ein Steirer denkt immer an seine Heimat“, lobte der "Kurier“. "Gottlob gibt es den reichen Onkel aus Amerika“, stöhnte die "Presse“ lustvoll auf. Frank Stronach war ja in der Tat ein ganz großes Kaliber. Auch sein Hobby, die Pferdezucht, verlief maximal erfolgreich. Einmal gratulierte sogar die englische Queen zu einem Rennsieg.

Die schrankenlose Bewunderung im Land wich jedoch bald sachtem Erstaunen. Wie konnte dieser Mann, den man nun oft im Fernsehen sah, ein global operierendes Unternehmen aufbauen? Wie passt Magna, dieser hochmoderne, offenbar bestens funktionierende Milliardenkonzern, zu seinem schlichten Gründer, der mit den immer gleichen Lebensweisheiten hausieren geht? "Wer das Gold hat, macht die Regeln.“ Dieser Satz fiel schon vor zwei Jahrzehnten in praktisch jedem Interview. Prozessionen von Journalisten und Politikern pilgerten damals nach Oberwaltersdorf, um herauszufinden, warum dieser Heimkehrer so unfassbar erfolgreich war.

Erfrischende Art

Ratlos kamen sie aus der Kunststadt südlich von Wien zurück - die meisten mit einem Exemplar der von Stronach verfassten "Magna Charta“, auf die der Chef ganz besonders stolz ist. Von profil damals gefragt, was er denn vom neuen Wohltäter der heimischen Wirtschaft halte, flüchtete sich Karl Krammer, Sprecher von Kanzler Franz Vranitzky, der Stronachs Betriebsansiedelungen heftig betrieben hatte, in Diplomatie: "Er hat eine sehr erfrischende, einfache Art, die Dinge zu sehen, und drückt sie auch einfach und klar aus.“

Stronach besitzt die Gabe, allfällige Risiken seiner Vorhabungen komplett auszublenden. Wenn ihm etwas einfällt, wird es prompt in Angriff genommen. Grübeleien der Sorte "Waswärewenn?“ kennt Stronach nicht. Er wünscht sich etwas, also muss es funktionieren. Als er etwa 1998 die Wiener Austria übernahm, peilte er nicht weniger als den Sieg in der Champions League an; der österreichischen Nationalmannschaft prophezeite er den Einzug ins WM-Finale.

Die meisten Menschen verlieren diese Art von Zuversicht und Selbstgewissheit irgendwann im Lauf ihrer Kindheit. Dem Milliardär gelang es, beides zu konservieren. Wenn er dieser Tage auf Einwände so unwirsch reagiert, steckt dahinter kein Kalkül. Die Wutausbrüche vor laufenden Kameras ("Ihr habt noch nie Löhne bezahlt und stellt so dumme Fragen!“) sind echt und kommen von Herzen. Er versteht nicht, wie jemand anderer Meinung sein oder seine Weisheit und Lebenserfahrung anzweifeln kann.

Das mag in einem Unternehmen funktionieren. In der Politik tut man sich ziemlich schwer damit.

Mitarbeiter erzählen, Stronach finde es rotzfrech und undankbar, wenn ihm bei Interviews oder in Diskussionen kritische Fragen - "Du bist so negativ!“ - gestellt werden. Er sei der Meinung, so viel für Österreich und die Welt geleistet zu haben, dass man sich ihm mit mehr Respekt nähern müsse.

In seiner neuen Partei hat er folgerichtig fast ausschließlich Menschen um sich geschart, die sein ohnehin gut gepolstertes Ego nach Kräften pflegen. Jeder Tag habe damit begonnen, dass Stronach für seinen jeweils jüngsten Auftritt über alle Maßen gelobt wurde, erzählt ein ehemaliger Mitarbeiter. "Ständig hieß es ‚Frank, du warst super‘ oder ‚Frank, das hast du toll gemacht.‘“ Selbst Kathrin Nachbaur, Stronachs engste Mitarbeiterin und eine der wenigen, von der er sich gelegentlich etwas sagen lässt, bringe Kritik schaumgebremst vor - und auch das nicht oft. "Sie weiß, dass sie im Monat nur einen oder höchstens zwei Schüsse frei hat“, sagt der Insider. Nachbaur darf allerdings selbst nicht zimperlich sein. Vor einer größeren Runde stellte Stronach die blonde Juristin einmal so vor: "Das ist die Kathrin. Sie ist viel gescheiter, als sie ausschaut.“

Absehbares Scheitern

Das absehbare Scheitern des Projekts Stronach zeigt auch, dass Rechtspopulismus - die Milliardärspartei ist eine Spielart davon - ohne Verwurzelung nicht funktioniert. Jörg Haider konnte am Beginn seines Aufstiegs immerhin auf eine Kernwählerschaft von fünf Prozent bauen, Stronach begann bei null. Das FPÖ-Weltbild ist auch bei Strache noch kohärent: Gegen Ausländer, gegen Zuwanderung, gegen Fremdes, also auch gegen den EU-Beitritt und die Vertiefung der Union, gegen den Euro, gegen die Hilfe für schwächelnde Euro-Staaten, gegen zu großzügige Sozialleistungen für Immigranten.

Bei den meisten dieser Forderungen kann der bettelarm in Kanada gelandete Immigrant Stronach nicht mit. Und den großen gemeinsamen Markt braucht der exportorientierte Magna-Konzern wie einen Bissen Brot. Bleiben also unzusammenhängende, in kein Weltbild passende und oft reichlich wirre Versatzstücke.

En passant forderte Stronach etwa vergangene Woche bei der ORF-"Wahlfahrt“ ein radikales Mehrheitswahlrecht mit anschließender Quasi-Abschaffung des Parlaments: Die stärkste Partei, so Stronach, sollte die Regierung stellen, "die Opposition soll dann aufhören zu kritisieren“. Nach derzeitigem Umfragestand würde dies bedeuten: Die SPÖ bekommt mit 28 Prozent die gesamte Regierung, die parlamentarischen Vertreter von 72 Prozent halten den Mund.

Eher kühn ist auch sein Plan, in den nächsten fünf Jahren die Zahl der öffentlich Bediensteten Jahr für Jahr um fünf Prozent zu verringern. Stronach müsste jährlich 20.000 Beamte kündigen, was bei Pragmatisierten unmöglich ist. Denkbar allerdings, dass er von deren Unkündbarkeit gar nicht weiß. Klubobmann Robert Lugar gab jüngst zu, Stronach sei nicht geläufig, dass Verfassungsmaterien im Nationalrat einer Zweidrittel-Mehrheit bedürfen und grundlegende Verfassungsänderungen sogar einer Volksabstimmung.

Schräg ist auch Stronachs Idee eines "nationalen Euro“. Insider erzählen, er habe ursprünglich mit der Forderung nach der Rückkehr zum Schilling in den Wahlkampf ziehen wollen, was ihm aber von seinen Beratern ausgeredet worden sei. Das Ergebnis: Er propagiert Länder-Euros mit unterschiedlichem Wert, die auch auf- oder abgewertet werden können. Woran man diese National-Euros erkennt und ob man sie an den Grenzen umtauschen muss, wollte er bislang nicht verraten. Auch auf Fragen, worin dann der Unterschied zur Wiedereinführung der nationalen Währungen bestünde, blieb Stronach eher wortkarg.

Transparenz bei anderen

Schlauer legt er es an, wenn es ums Geld geht. So wird der Tycoon nicht müde, sich mit jenen 150 Millionen Euro zu schmücken, die er für soziale Zwecke gespendet habe. Das Geld kam freilich mitnichten aus seiner Privatschatulle: Die Unternehmensverfassung des Magna-Konzerns sieht vor, dass zwei Prozent des Gewinns in einen Fonds für soziale oder politische Zwecke ("political purposes“) fließen. Im Laufe der Jahre eben die zitierte Summe.

Großzügiger sind die Manager dotiert, die laut "Magna Charta“ sechs Prozent des Gewinns einstreifen, was sie oft zu den bestverdienenden Wirtschaftsführern ihrer jeweiligen Länder macht.

Der von Stronach hoch gehaltene Wert "Transparenz“ verliert dort seine Wirkungskraft, wo es um die eigenen Millionen geht. Als die "Neue Zürcher Zeitung“ kürzlich im steuergünstigen "Wohnort“ Stronachs Zug Näheres in Erfahrung bringen wollte, teilte die Einwohnerkontrolle der Stadt mit, Stronach habe eine Auskunftssperre verhängt.

Auch in den Bundesländern neigt die Stronach-Partei nicht zur Askese. In Niederösterreich zum Beispiel forderte sie jetzt eine halbe Million Euro an Wahlkampfkostenrückerstattung ein, obwohl diese ausschließlich jenen Kleinparteien zusteht, die es nicht in den Landtag schafften, aber mehr als zwei Prozent der Stimmen erhielten. Alle anderen bekommen ohnehin die großzügige Klubförderung. Im Salzburger Landtag genehmigte sich das Team Stronach vergangene Woche in kongenialem Zusammenspiel mit der ÖVP 34.000 Euro zusätzlich an Parteienfinanzierung. Der Taschenspielertrick funktionierte so: Die Bundesratsförderung des Landes wurde eingestellt und auf die Landtagsfraktionen nach Mandatsstärke aufgeteilt; weil die Stronachs keinen Bundesrat haben, bekommen sie und die ÖVP jetzt mehr und die anderen Parteien weniger.

Sager zur satirischen Verwertung

Zu den Tiraden von Big Frank gegen die "Funktionäre“ passt das nicht wirklich. 16 Mal hatte Stronach seinen liebsten Kampfbegriff in netto 15 Minuten Redezeit im Duell mit Kanzler Werner Faymann strapaziert. Keck stellte der "Kurier“ ein Buzzword-Bingo ins Netz, in dem die Stronach-Standards während laufender Sendung abgehakt werden können.

Fast jeder seiner Sager taugt zur satirischen Verwertung. Sogar Bundespräsident Heinz Fischer, absolut kein hämischer Charakter, plädierte neulich dafür, den Herrn Spitzenkandidaten nicht allzu ernst zu nehmen. Was soll man auch machen mit einem Mann, der auf die Frage nach seiner Meinung zur gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen wie folgt antwortete: "Ich glaube, das ist gleich wie beim Fußballspielen. Du kannst nicht Zehnjährige mit 14-Jährigen zusammenmischen. Das geht nicht.“

Vor ein paar Monaten hielt Stronach bei einer internen Kandidatenpräsentation eine Rede. Ausführlich erzählte er, wie er seinerzeit den Opfern des Wirbelsturms Katrina in New Orleans geholfen habe: "Da haben wir 300 Häuser gebaut für die Negerbabys.“ Den darauf folgenden Hinweis, dass er solche Dinge lieber nicht sagen sollte, verstand er völlig falsch: "Ja, ich weiß“, erwiderte Stronach, "in Österreich darf man nie sagen, was man Gutes tut.“

Dinge, die in Übersee vielleicht gut ankommen, wirken in Old Europe eher peinlich. So ließ der rüstige Senior in einem Interview mit einer "Kurier“-Journalistin das Hemd fallen, um ihr seinen strammen Body zu präsentieren. Der Fluch der bösen Tat hatte ihn bald ereilt: Bei einer Veranstaltung in Wien begann der leicht enthemmte Moderator an Stronachs Oberbekleidung herumzufummeln, während ein offenkundig illuminierter älterer Herr Anstalten zu einem Strip auf offener Bühne machte.

Solche Szenen kommen gar nicht gut, wenn man als Politiker ernst genommen werden möchte. In dieser Hinsicht wohl ebenfalls nicht hilfreich ist Stronachs Stargast beim dieswöchigen Charity Gala Dinner. Eingeladen wurde Dieter Bohlen, in Deutschland vor allem dafür berühmt, sich gerne danebenzubenehmen. Mag sein, dass Stronach auch nur der Titel von dessen Fernsehshow begeistert hat: "Das Supertalent“.

Rosemarie Schwaiger