Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Die zwei da

Die zwei da

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Vergangene Woche hat die Welt zwei große Reden gehört. US-Präsident Barack Obama verkündete am Montag, dass die Reichen endlich mehr Steuern zahlen müssen. ­Donnerstag darauf sprach Papst Benedikt XVI. zu den deutschen Abgeordneten in Berlin, der Hauptstadt seines Heimatlands. Am Ende waren alle recht beeindruckt: Der Pontifex maximus hatte der deutschen Umweltbewegung Rosen gestreut: „Die Erde trägt selbst ihre Würde in sich, und wir müssen ihren Weisungen folgen.“ Dieses Wort werde bleiben, schwärmt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auf Seite eins. Und selbst so mancher, der sich noch zuvor allein über die Tatsache echauffierte, dass der oberste Katholiken-Chef im deutschen Reichstag reden soll, zeigte sich begeistert.
Zwei bedeutende Reden – oder doch nicht? Wie „historisch“ waren sie wirklich?

„Das ist Klassenkampf“, schäumten die Republikaner nach seinem Auftritt am Montag, worauf US-Präsident Obama konterte: „Das ist nicht Klassenkampf, das ist Mathematik.“ Ganz Recht dürfte der Präsident mit seiner Erwiderung nicht haben. Rein mathematisch könnte man die Schulden auch allein mit Sparen abtragen. Und sein „Tax the Rich“-Vorschlag ist zweifellos Teil von etwas, was man als Klassenkampf bezeichnen kann. Darauf weist auch der Ökonom Robert Reich hin: „Wenn wer den Klassenkrieg erklärt haben soll, dann sind es die Bosse der großen Konzerne und die Wall Street. Sie haben ihn dem durchschnittlichen Arbeitnehmer erklärt – seit Jahrzehnten.“

Stimmt: Die Reichen wurden immer reicher, seit dreißig Jahren werden ihre Abgaben gesenkt. Die Löhne und Gehälter aber stagnieren seit Langem. Mag sein, dass der republikanisch dominierte Kongress nie und nimmer den vorgeschlagenen Steuern zustimmen wird. Aber politisch kann Obamas „Linksschwenk“ bedeutsamer nicht sein.

Offenbar hat das Weiße Haus eingesehen, dass mit den rechts abdriftenden Republikanern keine Konsenspolitik möglich ist. Mit seiner neuen „klassenkämpferischen“ Haltung aber lockte er seine Gegner in eine Falle. Die Republikaner haben sich auf „No New Taxes“ festgelegt. In Umfragen aber sind über zwei Drittel der Amerikaner inzwischen für die Anhebung der Steuern der wirklich Reichen. Eine Novität. Bisher musste (oder konnte) die Politik in den USA mit einer grundlegenden Steuerfeindschaft der Wähler rechnen. Selbst ein durchschnittlich Verdienender war dagegen, die Reichen stärker zur Kassa zu bitten, weil er in der Illusion lebte, er könnte auch einmal zu den Wohlhabenden gehören.

Jetzt, in der Krise, erkennen die Leute, was Sache ist: dass Amerika längst aufgehört hat, das legendäre Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. Die Chance, von einer Sozialschicht in eine höhere aufzusteigen, ist in den USA inzwischen geringer als in Europa. Wie kann im kommenden US-Wahlkampf der republikanische Kandidat glaubhaft erklären, dass die Millionäre und Milliardäre vom Staat weiter so geschont und verhätschelt werden wie bisher – vor allem wenn Obama klarmacht, dass er das neu eingenommene Geld für die Schaffung von Arbeitsplätzen gebrauchen wird?

Und der Heilige Stuhl? Auch Karl Ratzinger hat sich verbessert. Seine Visite in der Heimat war vor seiner Ankunft umstritten. Die Deutschen sind von „ihrem Papst“ enttäuscht. Die „Wir sind Papst“-Stimmung ist längst verflogen, die Missbrauchsskandale schwelen weiter. Jetzt aber seine Rede im Reichstag und sein „grüner Schwenk“! Da bekamen ihn seine Landsleute plötzlich wieder lieb. Die Rezensionen sind durchwegs positiv.

Man möge aber die Passagen über Umwelt und Natur genauer lesen. Vor allem auch jene so gepriesenen, die mit der vorgegebenen „Würde der Erde“, deren „Weisungen wir folgen müssen“. Kein Zweifel, dass der Papst mit solchen Äußerungen die jungen (oder nicht mehr ganz so jungen) umweltbewussten Deutschen ansprechen will. Aber betrachten wir den Satz einmal nüchtern: Wenn man nicht daran glaubt, dass Gott die Erde und die Natur designt hat, dann ist dieses Ratzinger-Wort – mit Verlaub – Unsinn.

Was er mit der Vergottung der Natur (etwas, das so manchem Grünen sicher gefallen wird) eigentlich meint, zeigt sich in den nachfolgenden Passagen, wo er über die Ökologie des Menschen spricht: Auch da müsse er den Weisungen der Natur folgen. In der Übersetzung: Homosexualität ist Sünde, Abtreibung, Stammzellenforschung, künstliche Befruchtung usw. ebenso wider die Würde der Schöpfung.

Fazit: zwei Reden, die zum Ziel hatten, Weltreiche zu retten. Hier die katholische Kirche, die von einer tiefen Krise geschüttelt ist. Da die schwankende Supermacht jenseits des Atlantiks. Der intelligente Versuch des Papstes, die Ökologie katholisch zu machen, wird nicht nachhaltig sein. Die Schäfchen werden weiter ihren Hirten verlassen. Der amerikanische Präsident wird zwar nicht unmittelbar die verheerende Ungleichheit in Amerika reduzieren. Aber mit dieser Rede dürfte er die Weichen für seinen Wahlsieg im kommenden Jahr gestellt haben. Und eine zweite Amtszeit Obamas erscheint – angesichts seiner immer durchgeknallteren Gegner – wirklich von welthistorischer Bedeutung.

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