Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Putin und der Tugendterror

Putin und der Tugendterror

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Und so wurden Heinz-Christian Strache, Marine Le Pen und Co. zu Antifaschisten. Doch, doch – die extreme Rechte Europas ist inzwischen der wichtigste Verbündete Wladimir Putins in dessen Kampf gegen die „faschistischen Putschisten“ in Kiew. „Antifa“ einmal anders.

Natürlich hat Moskaus Version der Ereignisse in der Ukraine nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Es handelt sich um einen rhetorischen Rückgriff auf die sowjetische Propaganda des Antifaschismus, der schon in kommunistischen Zeiten weniger Realität denn Mythos war. Man denke nur an den Stalin-Hitler-Pakt des Jahres 1939.

Es stimmt: Aktuell haben rechte Kräfte in der Maidan-Revolution tatsächlich eine gewisse Rolle gespielt. Und sie stellen in der jetzigen Kiewer Regierung vier Kabinettsposten von 20. Und sind damit leicht überrepräsentiert. Denn Umfragen zeigen, dass nicht einmal vier Prozent der ukrainischen Bevölkerung mit diesen „Nazis“, gegen die Putin so wütet, sympathisieren. Letztlich sind sie jedenfalls schwächer als radikale Nationalisten in westeuropäischen Ländern.

Nein, es geht Moskau um imperiale Ambitionen – nicht zuletzt um das Projekt der Eurasischen Union, das ohne die Ukraine eine Totgeburt wäre –, und nicht um Antifaschismus. Der motiviert offensichtlich auch die rechten Freunde Putins im Westen nicht wirklich. Woher kommt aber ihre Liebe zum Moskowiter Autokraten?

Eine interessante Erklärung lieferte kürzlich die „Kronen Zeitung“. Schuld an der seltsamen Allianz seien die Gutmenschen: „Der eigentliche Grund ist der Tugendterror bei uns, der vielen Menschen dieses weihrauchgeschwängerte Russland als Land der Freiheit erscheinen lässt“, schreibt „Krone“-Außenpolitiker Kurt Seinitz: „Dort muss man sich nicht an unsere Political Correctness halten, an keine fortwährende Antidiskriminierungsmahnungen, an keine Geschlechtersensibilität (Homo-Kult).“ Und als ob die FPÖ diese Analyse bestätigen wollte, stimmte sie vergangene Woche erstmals (und als einzige Partei) im Wiener Gemeinderat gegen die Förderung des Life Balls.

Es ist offensichtlich: Aversion gegenüber Homosexualität und generell die Ablehnung liberaler Zivilisationsstandards verbindet die Mehrheit der radikalen Rechten Europas mit dem Putin-Regime. Doch beide haben noch viel mehr gemeinsam.

Als im vergangenen Dezember auf einem Parteitag der italienischen Separatisten der Lega Nord ein Vertreter des Moskauer Regimes von den „gemeinsamen christlichen europäischen Werten“ sprach, wurde ganz besonders laut applaudiert. Anwesend waren unter anderem Geert Wilders von der niederländischen Freiheitspartei, ein Berater von Marine Le Pen und FP-Chef Heinz-Christian Strache, der erst kürzlich wieder bekräftigte, dass er Putin für einen „reinen Demokraten“ hält. Die Warner vor der drohenden „Islamisierung Europas“ fühlen sich naturgemäß seelenverwandt mit dem Kremlherrn, der brutale Kriege gegen islamistische Separatisten am Südrand Russlands führt.

Was der Allianz Moskaus mit den europäischen Radikalnationalisten aber eine wirklich feste Grundlage verleiht, ist die gemeinsame Erzfeindschaft gegenüber der EU sowie der virulente Antiamerikanismus. Was für Strache, Le Pen und ihresgleichen vor allem ideologisch begründet ist, hat für Moskau zuallererst machtpolitische Bedeutung. Sollte die Ukraine tatsächlich erfolgreich den europäischen Weg beschreiten, wäre der Putinismus ernsthaft bedroht. Auch ökonomisch hat das Moskauer Regime ein vitales Interesse an einem uneinigen Europa. Mit ­einer zersplitterten EU lässt es sich besser Gasgeschäfte machen als mit einer starken Union, die sich auf eine gemeinsame Energiepolitik verständigt. Mit den Gas- und Ölexporten steht und fällt aber das Putin‘sche Herrschaftssystem.
„Russland will Europa destabilisieren“, schreibt der Ungar Peter Kreko, der gerade eine Studie über das Zusammenspiel der westlichen Rechten mit Moskau verfasst hat. Er zeigt auf, dass diese Connection bereits seit einiger Zeit besteht. Die nationalistischen Ultras wollten „das europäische Haus niederreißen“. Das will auch Putin. Und die Schwächung der US-europäischen Allianz sei gleichermaßen Hauptziel seiner Geopolitik.

Gewiss: Auch Teile der linken Euroskeptiker gerieren sich als „Putin-Versteher“. Und in europäischen Wirtschaftskreisen hat so mancher, aus nachvollziehbaren Gründen, ein gewisses Faible für Zar Wladimir. Nicht selten hört man als Rechtfertigung dafür, dass Demokratie eben nicht in der Natur der Russen läge und diese einer starken Hand bedürften. Aber wie sehr und wie lange kann der russische Präsident auf solche Sympathisanten bauen?

Als verlässlichste Freunde gelten in Moskau die europäischen Rechtsrechten: „Wir hoffen, dass bei den kommenden EU-Wahlen diese Kräfte gestärkt werden“, sagt Sergej Markow, ein dem Kreml nahestehender Politologe. Und Filip Dewinter vom flämischen Vlaams Belang in Belgien sekundiert: „Wir können im Europaparlament gute Partner für Russland sein. Und das weiß man dort.“

Jene europäischen Wähler aber, die beabsichtigen, Strache und seinesgleichen zu wählen, sollten sich bewusst machen: Eine Stimme für Rechtsaußen ist gleichzeitig auch eine Stimme für Putin und seine Politik.

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