Sora-Chef über die Kunst des Hochrechnens

Sora-Chef: "Jemand führt dich blind in den Konzertsaal"

Christoph Hofinger erklärt, wie man Hochrechnungen berechnet, was dabei das Schwierigste ist und ob man Umfragen vor der Wahl verbieten sollte.

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profil: Ist Ihre ORF-Hochrechnung schwieriger geworden, seit der Verfassungsgerichtshof die Bundespräsidentenwahl aufgehoben hat? Hofinger: Wesentlich schwieriger. Früher konnten wir uns ab ungefähr 13 Uhr darauf einstellen, womit wir um 17 Uhr auf Sendung gehen. Früher kamen Ergebnisse aus Dörfern, die bereits vor 12 Uhr die Wahllokale zugesperrt haben, ab 13 Uhr auf unsere Rechner. Das ganze Vorarlberg-Ergebnis war meist um 15 Uhr verfügbar. Das war wie der erste bis dritte Satz einer Sinfonie - da kriegt man ein Gefühl, wie die Musik klingt. Jetzt prasseln alle Daten aus 1600 Gemeinden erst ab 17 Uhr auf uns herein. Jetzt setzt dir jemand schalldichte Kopfhörer auf, führt dich blind in den Konzertsaal - und du steigst mitten im vierten Satz ein. Ich vergleiche es deswegen mit Musik, weil es auch in Hochrechnungen um Proportionen, also um Harmonien geht.

profil: Dennoch war Ihre Hochrechnung genau. Können Sie Laien erklären, wie Sie das berechnen? Hofinger: Wir versuchen in den ausgezählten Gemeinden, die Wählerströme zu finden, die am besten erklären, wie das Ergebnis aus dem alten entstand. Mit solchen Regressionsgleichungen suchen wir dann Muster.

profil: Was war das Schwierigste bei dieser Wahl? Hofinger: Je mehr Dynamik, desto schwieriger die Hochrechnung. Das ist ein ganz anderer Job als in den 1970er-Jahren. Die Wechselbereitschaft war diesmal auf einem Rekordhoch, mehr als jeder Dritte hat diesmal die Partei gewechselt.

profil: Es gibt auch diesmal einen großen Graben zwischen Stadt und Land, ist das eine Spezialität von Österreich oder überall so? Hofinger: Das ist auch in den USA so, das ist ein genereller Trend. Wir haben eine starke Landflucht aus vielen Gegenden, viele ziehen wegen höherer Bildung in die Stadt. Der höhere Bildungsgrad führt zu mehrheitlichen Einstellungen links der Mitte. Die Angst vor Diversität und Zuwanderung ist in Gegenden, wo es wenig Migranten gibt, stärker.

profil: Sollte man Umfragen vor der Wahl verbieten? Hofinger: Die Umfragen waren sehr solide. Ich sehe keine Lösung darin, Umfragen zu verbieten - dann wüsste nur die informierte Elite Bescheid. Und in einem Verhältniswahlrecht ist es nicht unwichtig, sich an Umfragen zu orientieren. Medien und Demoskopen tragen die Verantwortung, Umfragen korrekt zu präsentieren und nicht überzuinterpretieren.

profil: Muss das Auszählen der Briefwahlstimmen bis Donnerstag dauern? Hofinger: Es wäre sicher gut, den Zeitpunkt der Auszählung zu verkürzen. Sonst führt das nur zu unnötigen Verschwörungstheorien.

Bild: Sora-Hochrechner, v. l. n. r.: Andreas Holzer, Martina Zandonella, Christoph Hofinger, Evelyn Hacker, Günther Ogris, Corinna Mayerl, Florian Oberhuber, Evelin Kiss

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